ich kenne die alte Bundesbahn auch als Beamtenbahn. Das war politisch so gewollt, und die Personalpolitik völlig verantwortungslos.
Warum musste fast jeder zum Beamten gemacht werden ? Mit all den negativen Folgen: kaum Steuern gezahlt, langfristige Belastung des Haushaltes durch Pensionen, keine Zahlung von Krankenkassen- und Rentenbeiträgen durch die Beamten.
Aber egal ob Bahn oder Post - kann sich heute noch jemand an diese Herren erinnern, wie man sie so am Kundenschalter erlebte oder an anderer Stelle ? Kleinkariert, engstirnig, nur nach Vorschrift.
Ich habe da keine guten Erfahrungen im Gedächtnis behalten.
Und viele, die bei der Bahn oder Post untergekommen sind, hätten doch in der freien Wirtschaft überhaupt keine Chance gehabt. Das muss auch mal gesagt werden.
Ich habe vor vielen Jahren mal die Personalakte so eines kleinen Beamten in der Hand gehabt. In der Beurteilung stand sinngemäß (es ging um eine Beförderung): "Herr X. verdient eine Beföderung dem Grunde nach nicht, da seine Leistungen zu mittelmäßig sind. Man wird aber nicht umhin können, ihn trotzdem zu befödern, da er sonst zur Bundeswehr gehen wird, die grade eine neue Kaserne hier vor Ort eröffnet hat, mit entsprechendem Personalbedarf."
Und wie haben sie sich manchmal aufgeführt, die Herren Beamten. Zum Grausen.
Das waren die Verhältnisse. Ich denke, Bahn und Post haben weit über das wirtschaftlich notwendige Maß hinaus Menschen (als Beamte) beschäftigt, denn sonst wären die Arbeitslosenzahlen trotz Hochkonjunktur weit höher gewesen.
Ich will nicht all die fleißigen Menschen beleidigen, die durch harte Arbeit ihr Geld verdient haben. Aber es war auch längst nicht alles gut bei den Staatsbetrieben, und nachträgliche Verherrlichungen mag ich nicht.
ich kann Deine Gedanken gut nachvollziehen. Teilweise sitzen ja heute noch solche Typen an den Fahrkartenschaltern - auch wenn sie sich nun Angestellte nennen.
Aber was das mit dem Thema "Spaß im Bahnbetreib" zu tun haben soll erschließt sich mir irgendwie nicht so recht. Nur weil Kurt hier seine Erinnerungen zum Besten gibt, heißt das doch nicht, dass er die alte DB (Deutsche Beamtenbahn) verherrlicht. Also immer schön beim Thema bleiben.
Kurt: Mach nur so weiter - ich lese Deine lustigen Erinnerungen mit viel Freude und Genuss und muss oft schmunzeln dabei. Danke dafür.
Seit meiner Schulzeit kenne ich Pauli, nennen wir ihn mal einfach so. Und schon damals war Pauli gaga . Man kann es beim besten Willen nicht anders beschreiben.
Vollmondgesicht, Haarschnitt wie Dick aus "Dick und Doof".
Pauli hatte 3 Affen, Meerschweinchen, Papageien und noch einiges andere an Tieren.
In der Schule glänzte Pauli damit, dass er mit nichts glänzte. Absoluter Durchschnitt. Mädchen, Alkohol, Autos, Hobbies ? Nix da. Er war Sohn, das reichte. Mutter hatte drei Hosen an. Ihre, die des Sohnes und des Vaters. Sie bestimmte.
Es war aber nicht so, dass Pauli nicht auffiel. Oh nein, er fiel sehr auf. Weil er absolut nervig vor sich hin pfiff. Immer. Z. B. im Bus. Komisch, dass ihn niemand erwürgt hat.
Als ich meine Ausbildung antrat, am 01.08.1975, wer war auch da - Pauli. Aaarg...
Wir waren Anfangs nur in der Berufsschule zusammen. Dort entwickelte er einen, sagen wir mal, sehr eigenen Stil der Unterrichtsgestaltung. Man muss wissen, es war ihm völlig egal, war andere von ihm dachten oder über ihn lachten. Er war sehr ruhig, aber wenn es ihn überkam, zog er gnadenlos sein Ding durch.
Das lief so: im Berufsschulunterricht meldete er sich, sobald er sich langweilte. Da wir uns selten meldeten, kam er eigentlich immer dran (merken Lehrer eigentlich die Einschläge nicht ?). Und stellt dann irgend eine Frage. Sie hatte fast nie mit dem Thema zu tun, das grade dran war. Die Frage war fast immer idiotisch (im Mathe-Unterricht fragt man nicht, wann der nächste Bundeskanzler gewählt wird), und hatte ein kollektives Aufstöhnen zur Folge.
Nun, Pauli war's schnurzegal. Er hatte - nach seiner Meinung - den Unterricht aufgelockert, und darum ging es ihm. Egal, was andere davon hielten.
Nun, irgendwann in der Ausbildungszeit waren wir doch unter einem Dach, sprich in einem Amt zusammen. Eines Tages wurde ich dann angesprochen, was für ein Nappel eigentlich dieser Azubi Pauli sei. Ich ahnte Böses und fragte nach dem Hintergrund der Frage.
Pauli war -eilig, dringend- zum Aktenlager geschickt worden, eine Akte wurde sofort benötigt. Nun war dieser Teil des Aktenlagers unter dem Dach eines sehr alten Gemäuers. Er stiefelte also hoch und ward 2 Stunden nicht mehr gesehen.
Irgendwann platzte dem Amtsleiter der Kragen, jemand musste nachsehen. Und da sass da unser Pauli unter dem Dach. Dass er tierlieb war, ist ja bekannt, siehe Anfang. Und spielte mit den Tauben, die sich unter dem Dach eingenistet hatten. Seinen Auftrag hatte er völlig vergessen.
Wie ich später hörte, sollte er in einem anderen Amt eine Prüfungsarbeit schreiben. Nach 1 1/2 Stunden kam jemand, um zu schauen, wie weit er sei (er saß in einem Einzelzimmer). Seine Antwort: "Ich kann die Arbeit nicht schreiben, ich habe keinen Stift bekommen."
Das war Pauli.
Seine Ausbildung war ja zuerst zum Verwaltungsangestellten, und er sollte nach erstaunlicherweise erfolgreichem Abschluss nicht einmal übernommen werden. Aber Mutti ist ins Personalamt maschiert, hat kräftig rumgeheult, und Pauli durft eine zweite Ausbild anfangen, als Beamtenanwärter.
Muss ich noch erwähnen, dass er später tatsächlich Beamter geworden ist ?
ich kenne die alte Bundesbahn auch als Beamtenbahn. Das war politisch so gewollt, und die Personalpolitik völlig verantwortungslos.
Warum musste fast jeder zum Beamten gemacht werden ? Mit all den negativen Folgen: kaum Steuern gezahlt, langfristige Belastung des Haushaltes durch Pensionen, keine Zahlung von Krankenkassen- und Rentenbeiträgen durch die Beamten.
Aber egal ob Bahn oder Post - kann sich heute noch jemand an diese Herren erinnern, wie man sie so am Kundenschalter erlebte oder an anderer Stelle ? Kleinkariert, engstirnig, nur nach Vorschrift.
Ich habe da keine guten Erfahrungen im Gedächtnis behalten.
Und viele, die bei der Bahn oder Post untergekommen sind, hätten doch in der freien Wirtschaft überhaupt keine Chance gehabt. Das muss auch mal gesagt werden.
Ich habe vor vielen Jahren mal die Personalakte so eines kleinen Beamten in der Hand gehabt. In der Beurteilung stand sinngemäß (es ging um eine Beförderung): "Herr X. verdient eine Beföderung dem Grunde nach nicht, da seine Leistungen zu mittelmäßig sind. Man wird aber nicht umhin können, ihn trotzdem zu befödern, da er sonst zur Bundeswehr gehen wird, die grade eine neue Kaserne hier vor Ort eröffnet hat, mit entsprechendem Personalbedarf."
Das waren die Verhältnisse. Ich denke, Bahn und Post haben weit über das wirtschaftlich notwendige Maß hinaus Menschen (als Beamte) beschäftigt, denn sonst wären die Arbeitslosenzahlen trotz Hochkonjunktur weit höher gewesen.
Ich will nicht all die fleißigen Menschen beleidigen, die durch harte Arbeit ihr Geld verdient haben. Aber es war auch längst nicht alles gut bei den Staatsbetrieben, und nachträgliche Verherrlichungen mag ich nicht.
Gruss
Andreas
Hallo Andreas,
Du meinst es gut und ehrlich, dennoch sind einige Deiner Argumente nicht korrekt:
ich kenne die alte Bundesbahn auch als Beamtenbahn. Das war politisch so gewollt, und die Personalpolitik völlig verantwortungslos.
Warum musste fast jeder zum Beamten gemacht werden ? Mit all den negativen Folgen: kaum Steuern gezahlt, langfristige Belastung des Haushaltes durch Pensionen, keine Zahlung von Krankenkassen- und Rentenbeiträgen durch die Beamten.
Sicher war's eine "Beamtenbahn", aber: Besonders in sicherheitsrelevanten Positionen war ein staatlich vereidigter Beamter besser als jemand, der im hire-and-fire-Verfahren arbeitete.
Selbstverständlich zahlen Beamte Krankenkassenbeiträge (ich als Pensionär rund 160 Euro/monatl.). Im Gegensatz zur Rente sind Pensionsbezüge steuerpflichtig!
Und wie haben sie sich manchmal aufgeführt, die Herren Beamten. Zum Grausen.
Negative Typen gab's immer. Zumindest aber waren die Beamten in der Regel fachkundig, was von so manchem Jungchen mit Gelfrisur heutzutage nicht behauptet werden kann...
Das waren die Verhältnisse. Ich denke, Bahn und Post haben weit über das wirtschaftlich notwendige Maß hinaus Menschen (als Beamte) beschäftigt, denn sonst wären die Arbeitslosenzahlen trotz Hochkonjunktur weit höher gewesen.
Und was ist daran falsch? Besser irgendwie beschäftigt als Hartz IV.
Im übrigen wollte und will ich nichts "verherrlichen", Fakt ist nur, daß die alte Bundesbahn "ein großer Familienbetrieb" war, in dem einer dem anderen half, wenn's irgendwo klemmte. Die betrieblichen Leistungen brauchten sich nicht zu verstecken; Verspätungen und Ausfälle waren weitaus seltener als heute. Das hing auch mit den damals übergreifend funktionierenden Strukturen zusammen.
Aber ich schlage vor, wir beenden dieses Thema und wenden uns wieder den realen Erlebnissen zu: So war's früher, dies und jenes habe ich erlebt. Okay?
ZitatGepostet von CAT Hallo Kurt, also jetzt shreib ich auch mal was zu deinen Beiträgen. Es ist immer wieder schön, wenn Du einen neuen Beitrag einstellst, sehr oft muß ich schmunzeln über die Gag´s die da gemacht wurden. Schön auch, wenn man sich nach alle den Jahren noch an dieses oder jenes erinnert. Eigentlich könnte man sagen, "Du warst ein ganz schlimmer" Bei uns hier ist das aber nicht negativ gemeint, sondern soll einfach heißen, es ist einer, der immer Späße macht, gute Laune hat und auch sonnst recht gewand ist.
Nun komm ich ja nu nicht aus deinem Teil von D.land und habe auch nie was mit der Bundesbahn zu tun gehabt, um so interessanter ist es, dann doch so ein paar Einblicke zu bekommen, wie es damals bei Euch so war, wie das alles so ablief. Tja die Kolegialität und der Zusammenhalt, früher gabs den, auch bei uns unter den Kollegen, heute dürfte das auch so weitestgehend ausgestorben sein. Schön auch Dein letzter Bericht, so hab ich das auch noch in Erinnerung, wie manchmal in der Tagesschau wieder von Millionenverlusten der Bundesbahn gesprochen wurde. Da sah´s aber auch noch sauberer ringsrum aus, sag ich mal. Gruß Carsten
Ps.: mach bloß weiter mit deinen Geschichten
Hallo Carsten,
danke für Deine freundlichen Worte! Ich und ein "ganz Schlimmer"? Neeeiiiin, ich war immer ganz brav (grins, feix)...
Beispiel: Wir hatten mal einen Dienststellenleiter, der großer Dampflokfan war. Jede Dienststelle, die er leitete, zierte nach kurzer Zeit eine schräg und photogen aufgebockte Dampflokachse.
Als er Köln-Deutzerfeld übernommen hatte, dauerte es nicht lange, und die Achse wurde im Zufahrtsbereich dekorativ aufgestellt. Ich kam eines Tages zum Dienst, als Chef, B-Gruppenleiter, Sicherheitsingenieur, Betriebsratsvorsitzender und Anstreicher um die Achse versammelt waren und offensichtlich die Farbgebung diskutierten. Auf meinen indifferenten Blick hin rief der B-Leiter: "Sagen Sie nichts!" Ich antwortete gespielt schmollend: "Warum? Ich wollte doch nur 'Guten Morgen' sagen." Natürlich wußte der B-Leiter (den wir alle sehr schätzten), daß ich eine fiese Bemerkung im Hinterkopf hatte, aber ich war ja ein total braver Mitarbeiter...
Beste Grüße: Kurt
PS.: Natürlich mache ich mit den Geschichten weiter!
ZitatGepostet von m-a-l-3000 Kurt: Mach nur so weiter - ich lese Deine lustigen Erinnerungen mit viel Freude und Genuss und muss oft schmunzeln dabei. Danke dafür.
...klar. es geht weiter! Ich habe großen Spaß an diesem Kramen in der Erinnerungskiste und es freut mich ehrlich, daß ich hier soviel Zuspruch erhalte! Danke!
auf die Schnelle noch eine kurze Geschichte, die ich vor vielen Jahren im Aufenthaltsraum hörte.
Flugbetrieb Seit einigen Monaten hatten wir einen Kollegen, der aus Polen stammte, bei der PKP Lokführer gewesen, zu uns übersiedelt war und die Ausbildungen für DB-Loks und -Vorschriften absolviert hatte. Kollege B. war ein sympathischer Mensch mit knochentrockenem Humor und wenn er mit dem typischen Akzent des polnischen native speaker Geschichten erzählte, blieb kein Auge trocken. (Das Polnische ist eine ebenso schwierige wie klangschön-melodische Sprache, die sich in Rede-Gegenrede fast wie Italienisch anhört und dialektal stets aufs Deutsche durchfärbt.) Weil nun unlängst im Forenbahn-Thread eine freundschaftliche Kabbelei um den Lufthansa-Airport-Expreß zu lesen war, fiel mir eine Story ein, die B. zum Besten gegeben hatte:
Er war mit einem Nahverkehrszug von Köln nach Koblenz unterwegs, als über Zugbahnfunk sich die Betriebsleitung meldete und – es gab auch unnette Leute – dem Kollegen B. in rüdem Ton den Auftrag gab, bis Brohl so schnell wie möglich zu fahren. Dort solle sein Zug vom Airport-Expreß überholt werden. B., die personifizierte Ruhe, gab zur Antwort: „Nun, wenn sich ist Airport-Expreß, er soll fliegen!“ und hängte den Hörer ein.
Die Reaktion der Betriebsleitung ist nicht überliefert…
auch ich lese deine Geshichten mit sehr großer Freude. Zum einen, weil sie einen Bereich der Arbeit zeigen, den man als normaler Reisender nie miterlebt. Zum anderen daher, weil mein opa auch bei der Bundesbahn beschäftigt war. Zunächst im AW Schwerte, dann ab 1954 im BW Hagen-Eck, irgendwann dann als Heizer, dann als Lokführer auf Dampfloks und als einer der ersten Hagener auch auf E-Lok. 1984 ist er dann aufgrund schlechter Sehstärken in den frühen Ruhestand gegangen. Wer weiß, vielleicht seid ihr euch ja sogar mal begegnet, in irgendeiner Kantine in NRW oder habt euch abgelöst? Nach Köln ist jedenfalls häufig gefahren, ich meine er hat immer gesagt 83 km von Hagen Hbf bis Köln Hbf, kommt das hin?
Seinen Erzählungen habe ich gerne gelauscht. Wenn es dich nicht stört, gebe ich hier auch einige, die mir noch im Kopf sind, zum Besten!
Natürlich hat er hier und da auch mal über die Späße im Bahnbetrieb erzählt, zwei Erinnerungen sind bei mir hängen geblieben.
Zur Dampflokzeit ist er auch häufig durch Altenbeken gekommen. Unter den Lokpersonalen war es wohl ein großer Spaß bei der Überfahrt über den Viadukt einen kleinen Wettkampf zu veranstalten. Und zwar ging es darum ein Kohlestück in einen Schornstein eines in Viaduktnähe stehenden Hauses zu werfen. Wenn ich mir vorstelle, wie es um den Kamin drumherum ausgesehen haben muss
Die andere Geschichte spielt ein paar Jahre später. Opa Hans war mittlerweile Lokführer auf den modernen Elektroloks geworden, da die Fahrleitung Hagen erreicht hatte. Das war 1963. Dann war endlich die Ruhr-Sieg-Strecke elektrifiziert und alle Personenzüge wurden sofort mit E-Loks gefahren. Die Fahrpläne wurden aber erst zum nächsten Fahrplanwechsel angepasst. Die neuen E41er beschleunigten natürlich deutlich besser als die vorher eingesetzten 23 aus Siegen und 38er aus Hagen. Daher kamen die Züge häufig etwas vor Plan am nächsten Bahnhof an. Die meisten Reisenden sahen den zug und fingen wohl das Laufen an, immer in der Angst sie seien spät dran. Irgendwann haben sich die Personale dann einen Spaß daraus gemacht und der Lokführer gab einen Achtungspfiff ab oder auch der Zugführer pfiff schon. Das führte zu rekordverdächtigen Sprints der Fahrgäste und im zug stellten sie dann fest, dass er zu früh war und noch zwei Minuten im Bahnhof stehen blieb.
Wie gesagt, wenn du magst, plaudere ich gerne immer wieder mal in "deinem Thema" aus dem Nähkästchen!
schöne Geschichten! Natürlich freue ich mich, wenn Du Erinnerungen an Deinen Lokführer-Opa hier einstellst.
Entfernung Köln - Hagen ... ich habe mal im Kursbuch von 1983 nachgesehen (ja, das liegt noch im Bücherregal!): Hagen - Köln über Ennepetal, Wuppertal, Solingen-Ohligs sind 73 Kilometer.
Möglicherweise sind Dein Großvater und ich uns tatsächlich begegnet ... Himmel, man wird alt...! Egal, die Zeit bei der DB erinnere ich meistens, als sei es gestern, obwohl ich seit 13 Jahren raus bin und die hier erzählten Geschichten teils bis zu 40 Jahre zurückliegen. Begebenheiten aus der Zeit von 1972 bis 2000 laufen dann wie Filme im Kopf ab, Filme, die ich mitschreibe und hier erzähle.
Ruhr-Sieg-Strecke: Die war zu Dampflokzeiten wegen ihrer teils starken Steigungen und Gefälle gefürchtet. Einer unserer Amtslehrer stammte aus dem Sauerland und wenn er im Dienstunterricht zur Auflockerung Dramatisches auch von der Ruhr-Sieg-Strecke erzählte, fiel er oft in seinen Dialekt: "...und, meine Herren, am Sichnalmachnet bekam der Zug die 2000er Beeinflussung..."; oder seine stereotype Einleitung der Pointe: "...und, meine Herren, dem Kollegen wurde angst und bange...!" (Mit rollendem /R/.) So schloß auch die winterliche Geschichte von der 44er Dampflok mit dem schweren Kohlenzug am Haken, deren Lokführer im Gefälle die Gewalt über den Zug verlor, der schneller und schneller wurde, weil die Bremse nicht funktionierte, am Ende aus dem Gleis sprang und teilweise umstürzte. Grund war: Im Luftschlauch zwischen Tender und erstem Wagen hatte sich ein Eispfropfen gebildet, der die Drucksenkung zum Bremsen verhinderte. Jahrhundertunfall, eigentlich unmöglich.
ein Ex-Kollege war ca. 1970 bei der Bahn in Puttgarden und musste dort immer per Fernschreiber Zugmeldungen nach Dänemark an die Staatsbahn senden.
Eines Tages bekam er einen völlig entnervten Anruf seiner dänischen Kollegin, er möchte doch bitte sofort mit dem Senden aufhören, sie hätte seinetwegen schon fast das gesamte Telex-Papier verbraucht.
Was war passiert ?
Nun, er weiss nicht, ob es eine verklemmte Taste war oder ob er einen Finger nicht von der Tastatur genommen hatte. Fakt ist, dass nach jedem gesendeten Wort ein Zeilen- und ein Seitenvorschub auf der Gegenseite erfolgt.
D. h., bei 40 Wörtern wurden 40 Seiten verbraucht !
ich bin zwar ne Imi,verfolge Deine Berichte gerne. 40 Jahre bin ich nun im hillige Kölle. Gereon,teilweise Nippes (in den neuen Häuserblocks gibt es sogar eine Straße "an der Drehscheibe")Deutzerfeld,Kalk-Nord,Eifeltor (Neu)und natürlich Gremberghoven.Nicht zu vergessen Krefelder Wall mit den beiden Drehscheiben. Vergangenheit. Dein Impuls etwas über die KBE zu schreiben,würde mich und wahrscheinlich Andere aus der Gegend interessieren.HGK auch nicht vergessen Bitte weiter so
na, dann kennen wir beiden "Auswärtigen" (ich bin Bonner!) die Kölner Eisenbahnszene ja ganz gut... Du hast recht, es ist viel verlorengegangen, im Zuge der "Modernisierung" Geschichte geworden. Ach ja - Krefelder Wall, das war "Köln-Betriebsbahnhof", nach der Privatisierung Einsatzort des Geschäftsbereichs "Reise & Touristik", dem ich in meinen letzten zwei Bahnjahren angehörte (weil ich die Ausbildung für E 120, E 101 und ICE hatte). Das traditionsreiche BW Deutzerfeld kam zum Regionalverkehr - von den "großen" Zügen und den RnS-Fahrten zum Nahverkehr...
Gremberghoven - gutes Stichwort! Hätte ich fast vergessen. Während meiner Lokführerausbildung war ich ungefähr zwei Jahre im BW Gremberg und habe dort auch diverse Späßchen erlebt.
Weil im fast nur von Bahnern bewohnten, rund ums BW gebauten Ortsteil Gremberghoven jeder jeden kannte, machten Klatsch-und-Tratsch-Witze die Runde, wie folgender:
Die Lokührer-Ehefrau sagt zum Metzger: "Ein Achtel beste Leberwurst - mein Mann hat heute den Schnellzug!"
(Gremberg war ein großes Güterzug-BW, Reisezüge wurden nur in Ausnahmefällen gefahren.)
KBE und HGK - da sollte eigentlich das Internet was hergeben. Die KBE ging auf in den Stadtwerken Bonn und der Kölner Straßenbahngesellschaft KVB (was wurde aus den zahlreichen Triebwagen der KBE?); der Vorgänger der HGK war die KFBE (Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn). Viel Geschichte und evt. für so erstklassige Modellbauer, wie sie hier im Forum vertreten sind, vielleicht ein Thema?
Als ab Ende der siebziger Jahre die Stadtbahnen zwischen Köln und Bonn auf den Strecken der KBE, der "Rheinuferbahn" und der "Vorgebirgsbahn", verkehren sollten, gab's im Verlauf der Rheinuferbahn ein dickes Problem: Nachdem die Fahrleitung bereits umgebaut war (von der Doppelfahrdraht-Gleichstromleitung [die KBE fuhr mit 1200 Volt] auf die 750-Volt-Stadtbahnfahrleitung [zwei parallelgeführte Tragseile, ein Fahrdraht, Kunststoffausleger an Betonmasten), mußten sämtliche Weichen umgebaut werden. Die KBE befuhr nämlich ihre ehemalige Rheinuferbahn noch mit dieselbespannten Güterzügen von Godorf bis Bonn-Güterbahnhof-Tannenbusch (gibt's auch nicht mehr). Der "Stadtbahnwagen B", eine geniale Triebwagenkonstruktion, die sowohl die Modalitäten der EBO als auch der BOStrab erfüllt, mußte gleichwohl wegen der geforderten Befahrbarkeit von Rillenstraßenbahngleisen mit etwas schmaleren Radprofilen versehen werden. Und die wurden von den Radlenkern der EBO-Weichen nicht völlig erfaßt, es wäre zum Auflaufen auf die Herzstücke und zu Entgleisungen gekommen. Daher wurde die Rheinuferbahn zwischen Godorf (Hafen) und Bonn-Buschdorf/Tannenbusch mit lenkerlosen Weichen und stellbaren Herzstücken ausgerüstet - ein Riesenaufwand, der nach wenigen Jahren überflüssig wurde, als die KBE den Güterverkehr einstellte.
Beste Grüße: Kurt
PS.: Tante Edit sagte, prüf' nochmal nach - und prompt habe ich noch zwei Macken gefunden und beseitigt...
bevor wieder richtig „große“ und „dramatische“ Berichterstattungen folgen, möchte ich es erstmal etwas kleiner angehen und ein wenig über die diversen Gespräche im Aufenthaltsraum erzählen. Der Lokführeraufenthaltsraum, den man notwendigerweise bei jedem Dienstbeginn- und -ende in Deutzerfeld aufsuchte, in dem die Bereitschaftszeiten und Pausen verbracht wurden, die Dienstpläne aushingen und die Sonderdienste auf Listen der Betrachtung harrten, war sowas wie eine Nachrichtenbörse, aber auch das Klatsch-und-Tratsch-Zentrum. Über Gott und die Welt wurde hier geredet, Gerüchte erblickten das Licht der Welt oder wurden aus ihr entfernt, Witze erzählte man sich, die neuesten persönlichen Abenteuererlebnisse fanden dankbare Zuhörer. Es ging überregional zu, denn Deutzerfeld wurde von Kollegen aus Frankfurt und Mainz ebenso angefahren wie von solchen aus Hannover, Jünkerath, Trier, Düren, Aachen, Dortmund, Hagen und Mönchengladbach.
Aufenthaltsraumgeschichten
Erzählungen und mehr Es gab immer was zu hören oder zu erzählen, meist war pausenbedingt Zeit dazu. Ich hatte stets Spaß an den verschiedenen Dialekten, freute mich beispielsweise über den Kollegen aus Aachen, der in seinem singenden Slang berichtete: „…koom isch in Jrüüten üvver d’r Knipp un‘ hot‘ misch der Bahnschteisch vür die Naas, wa…“ (Ich kam in Gruiten über den Scheitelpunkt und hatte den Bahnsteig vor der Nase.) Gruiten liegt zwischen Wuppertal-Vohwinkel und Haan, von Vohwinkel geht es bergauf, anschließend auf Gruiten zu bergab; wenn man in Richtung Köln vor dem Brech- oder Scheitelpunkt nicht anbremste, rauschte man wegen des Gefälles in Gruiten unweigerlich am Bahnsteig vorbei. Tückisch: Der Bahnsteig geriet erst ins Blickfeld, wenn’s zum Bremsen zu spät war; damit wären wir beim Thema „Streckenkunde“.
Es war immer was los im Aufenthaltsraum. Wenn z.B. Kollege J. eintrat, hob er die rechte Faust und rief: „Freundschaft!“ Geschah das um den Ersten des Monats herum, folgte die Ansage: „Ich muß nachsehen, ob die Apanage schon gekommen ist.“ Daraufhin ging er in den Flur vor dem Aufenthaltsraum, um in seinem Dienstpostfach nachzusehen, ob der Gehaltsstreifen dort lag.
Kollege F. begrüßte die Anwesenden meist mit „Liebe Mitleidende“ und ich sagte beim Eintreten gerne, man möge bitte sitzenbleiben, auf Ehrbezeigungen verzichten und nur aufmerksame Haltung annehmen.
Was wurde nicht alles erzählt! Richtig in Schwung gekommen, geriet es oft kabarettreif. Irgendwann fiel mir ein: „Eigentlich wollte ich ja U-Boot-Kommandant werden. Aber ich schlafe immer bei offenem Fenster.“ Lacherfolg.
Unbeliebt war stets die „Fristlok“. Darunter verstand man eine Dienstschicht, während der im regionalen Bereich Dieselloks „aufzusammeln“ waren, die zur Durchführung fälliger Fristarbeiten („Inspektionen“) ins BW geholt werden mußten. Mitunter kamen die Fristlok-Kollegen mit vier, fünf oder mehr Dieselloks an. Und das war richtige Arbeit: Selbst An- und Abhängen, die Getriebe auf Mittelstellung schalten und verriegeln (wozu bei der V 60 eine schwere Bodenplatte ausgehoben werden mußte – und war man lange nicht mehr auf dem Hobel draufgewesen, erwischte man garantiert die falsche). Ölig war die Tätigkeit obendrein. Wie gesagt: niemand freute sich, wenn er „Fristlok“ hatte. Irgendwann saßen zwei der jüngeren, mit diesen Diensten konfrontierten Lokführer im Aufenthaltsraum und mokierten sich gerade über die damit verbundene Arbeit, als ich dazukam. Ich hörte ihnen eine Weile zu und spendete anschließend Trost: „Sicher, ist eine blöde Arbeit. Aber – wißt Ihr, ich war ja früher Flugkapitän bei der Lufthansa. Da hatten wir im disponiblen Dienst immer ‚Fristflugzeug‘. Du warst kaum im Aufenthaltsraum und hattest die Thermosflasche ausgepackt, da kam’s schon über Lautsprecher: ‚Kurt, bitte komm‘ zur Flugleitung!‘ Ich hin. Auftrag: ‚Schnapp‘ dir die Boeing 747-021 auf Taxiway fünf, damit fliegst du LF nach Los Angeles, drei Maschinen holen!‘“ (LZ bedeutet Lokzug, Leerfahrt von Lokomotiven, LF hier also Leerflug, grins.) Die beiden Kollegen waren erstmal baff, dann mußten sie lachen und schauten irgendwie verklärt zur Decke, weil sie sich vorstellten, wie es wohl aussähe, wenn vier Jumbo-Jets, verbunden über eisenbahnübliche Steuerkabel, am Himmel auftauchten…
Ein Computer-Freak kam auf die Idee mit der „Aktion Teilnahmekarte“. Auf seinem PC hatte er einen DIN-A5-Vordruck verfertigt, in beträchtlicher Stückzahl ausgedruckt und im Aufenthaltsraum ausgelegt, auf dem Name, Datum, Zugnummer, Dienstplan- oder Sonderdienstnummer, Datum und spezifische Daten einzutragen waren. Es ging um die Feststellung, wer am weitesten von Deutzerfeld entfernten Ort im Rahmen einer Zugleistung … nun ja … gepinkelt hatte. Die ausgefüllten Vordrucke steckten in einer von der Lokleitung großzügig gespendeten Kartothek und konnten von jedermann eingesehen werden. Da war beispielsweise zu lesen: „Meier, 21.05.1989, Plan 6, Einfahrsignal Koblenz, 94 km“. Rekordhalter war lange Zeit „Sh-Signal 86, Bielefeld HBf, 210 km“. Dann hatte ich im Sonderdienst einen Güterzug nach Mannheim: „SBK 22 bei Ladenburg, 233 km“. Das wurde übertroffen von „Einfahrsignal Lehrte, 342 km“. Und so weiter. Der allseits geschätzte B-Gruppenleiter kommentierte die Aktion: „Ihr seid sowas von bekloppt…!“
Sportsendungen und Rausschmisse Selbstredend gab es im Aufenthaltsraum auch ein Fernsehgerät, in den späteren Jahren sogar eines mit Farbe. Dieses Fernsehgerät, besser gesagt: die per demokratischem Mehrheitsbeschluß getätigte Programmauswahl, bildete die Quelle ständiger Frozzeleien, an denen ich die Schuld trug. Ich interessiere mich für viele Dinge, aber nicht für Sport, schon gar nicht dafür, stundenlange Sportsendungen im Fernsehen zu verfolgen. Volles Verständnis bringe ich dennoch Fußballfans entgegen – ein solches Spiel kann selbst für Laien durchaus spannend sein, störte mich aber, wenn es statt eines guten Films ablief. Außerdem war ich „stinkig“, wenn etwa im ersten Programm z.B. ein Piraten- oder Science-Fiction-Film á la „Enterprise“ lief (die ich liebe), mehrheitlich jedoch beschlossen wurde, das Skispringen im ZDF anzuschauen … rund zwei Stunden, während derer ständig irgendwelche Typen einen künstlichen Abhang runterfuhren und mit guter Magenkondition kurze schwungbedingte Flüge durchführten. Toll. Wer’s mag… Ich gewöhnte mir an, bei Sportsendungen rumzumosern, unqualifizierte Bemerkungen zu machen und dümmstmögliche Fragen zu stellen. Das erzeugte schlußendlich Reaktionen der genervten Kollegen.
Es war die große Zeit von Steffi Graf und Boris Becker. Lief im Fernsehen ein Tennisspiel, mutierten sämtliche Kollegen zu Tennisfans und -experten. Okay, die Steffi war ja durchaus eine Augenweide, doch der Umstand, stundenlang mir von den Regeln her unbegreiflichen Sportaktivitäten zuschauen zu müssen, ließ selbst Steffi langweilig werden. Gebannt starrte alles auf den Bildschirm, als ich ganz dröge sagte: „Also ich finde, diese weiße Tenniskleidung ist absolut unpassend.“ „Wie, wie meinst du das?“ „Na ja“, antwortete ich scheinbar nachdenklich, „ich hörte mal was von einem ‚Matschball‘ und das ist bei den weißen Klamotten doch eine Sauerei, oder…?“ „Kurt…!!!“ „Gib Ruhe…!!!“ Gab ich auch und verzog mich – wenn ich Bereitschaft hatte – auf die Lokleitung oder, wenn’s sich um eine Pause handelte, auf meine Lok respektive frühzeitig Richtung Bahnhof.
Ich kam zum Dienst, wieder lief im Fernsehen eine Sportsendung. Ich stellte meine damals lokführertypische Schultertasche im dafür vorgesehenen Regal unterhalb der graphischen Dienstpläne ab und schaute auf den Bildschirm. Kameraschwenk, Totale. Dem off-Kommentar des Moderators war zu entnehmen, daß es sich um irgendeine Schwimm-Meisterschaft handelte. In Japan. Faszinierende bergige, schneebedeckte Winterlandschaft, darin eingebettet ein großes Schwimmbad im Freien, das Wasser gut geheizt, es dampfte. Geistesblitz, den ich für folgende Frage nutzte: „Hmmm – ist das die neue Sportart ‚Kochendwasserschwimmen?‘“ „Mensch, Kerl, halt‘ dich raus!“ „Ich frag‘ ja nur, weil mein Volksschullehrer immer sagte, ‚der Junge fragt zu wenig‘. Also…“ „Kurt, haste nix zu tun?“ „Doch, gleich, vorher aber noch: Wißt Ihr, bei diesem Kochendwasserschwimmen dürfen Herren aber höchstens drei Minuten…“ „Rrrrrrrrrraus!!!“ „Und nach zehn Minuten platzt das Würstchen… Ich mach‘ ja Military-Schwimmen: Die Kalaschnikow auf dem Rücken, rein ins Wasser, 100 Meter Kraul, raus aus dem Wasser, Schuß auf die Zielscheibe, rein ins Wasser und so weiter, das Ganze zehnmal…“ „Biste immer noch nich‘ weg…!!!“ „Kibotu hab‘ ich früher auch trainiert…“ Ungläubige, abschätzende Blicke: „Asiatische Kampfsportart?“ Ich lachte: „Nee, Kinderbodenturnen… Später ging ich oft zum Hallenhalma…“ „Raaaaaaauuuuuuuuuuuusssssssssss!!!“ Na ja, keiner verstand mich. Ich trottete zur Lokleitung und meldete mich zum Dienst…
Frühabendliche Pause zwischen zwei Zugleistungen; Nahverkehr Köln – Koblenz und zurück hatte ich gerade gefahren, anschließend ging’s nochmal nach Mönchengladbach und zurück. Vielleicht konnte ich im Aufenthaltsraum den in Koblenz gekauften „Spiegel“ anlesen? Von wegen – schon im Flur hörte ich die lautstarke Sportübertragung und das engagierte „Mitmachen“ der Kollegen. Sch…, wie sollte ich mich da auf hoch qualifizierten Journalismus konzentrieren? Mir blieb gar nichts anderes übrig, als die Mannen ein bißchen zu ärgern. Frohgemut betrat ich den Aufenthaltsraum: „‘N’abend zusammen!“ „Hey, Kurt, wie läuft’s?“ „Bestens!“ erwiderte ich und schaute aufmerksam auf den Fernseher, stellte fest, daß da zwei Mannschaften ein Handballspiel austrugen, sagte aber nichts. „Keine fiesen Bemerkungen heute?“ Der Kollege war mißtrauisch. „Fiese Bemerkungen? Ich? Nie!“ Ich blieb zunächst ganz Würde und starrte weiter auf den Fernseher, eine Minute, zwei, drei, die Kollegen erreichten langsam die Kochstufe. Endlich die passende Szene: Ein Spieler hatte den Ball in beiden Händen und holte zum Wurf aus – ich rief laut und entrüstet: „Hand!, Hand! Ich hab’s genau gesehen! Rote Karte!“ Heftige Reaktion: „Du Doofmann, das ist doch ein Handballspiel!“ „Ja? Ach so, was es alles gibt…“ Kollege M. warf eine Papierkugel nach mir: „Raus, du Sportbanause!“ Ich nahm meine Umhängetasche und ging zum Hallenvorfeld, die Lok aufzurüsten. Lange vorzeitig. Hauptsache, ich hatte die Jungs mal wieder aufgemischt.
Erneut eine Tennisübertragung: Steffi Graf gegen Martina Navratilova. Das konnte ich natürlich nicht unkommentiert hinnehmen: „Ich dachte, die Graf spielt nicht mehr?“ „Wie, nicht mehr spielen?“ „Was soll die denn sonst machen?“ „Wo hast du den Quatsch denn gehört?“ Ich klärte auf: „Irgendwo gelesen: Steffi Graf schwenkt um auf die neue Sportart ‚Pferdetennis‘, das ist wie normales Tennis, nur spielt man halt zu Pferd. Ist sicher ziemlich schwierig, weil…“ „Kurt, rrrrrrrrrraaaaaaaauuuuuuuuuuuusssssssssssss!“
Endlich mal ein Spielfilm im Aufenthaltsraumfernseher. Natürlich was Sportliches, ein Bergsteigerfilm. Die Akteure hingen gerade im Wortsinne in den Seilen, als ich dazukam, meine Tasche parkte und mich nach allgemeinem Gruß an den Tisch setzte. Hochdramatisches Filmgeschehen, der Fels war „überhängig“, wie die Schweizer sagen. Die Seilszene dauerte und dauerte. Plötzlich fiel mir eine Kabarettsendung ein, welche ich kurz zuvor im Autoradio gehört hatte und daraus strickte ich nun die passende Story: „Bergsteigen ist super!“ „Stimmt, diese Verbindung aus Sport, herrlicher Natur und Nervenkitzel.“ „Ja – doch mir wäre das echt zu gefährlich, da hätte ich Muffe. Aus so ‘ner Höhe abstürzen … außerdem bin ich nicht schwindelfrei.“ „Also versuchen würde ich’s schon – unter fachkundiger Leitung.“ Jetzt wurde es Zeit für die Kabarettszene: „Dann laß uns doch gemeinsam trainieren!“ „Du und Bergsteigen…???“ „Hab‘ ich nicht gesagt! Ich mache seit vielen Jahren Kitchen-Climbing, dabei…“ „Häh!?“ „Ja, Kitchen-Climbing. Am besten an einem 1957er Möbel-Franz, Einstieg durch die Besteckschublade, weiter nach oben über das Gewürzabteil und Vorsicht vor der Geschirrlawine, die kann nämlich…“ Es kam, wie es kommen mußte: Wieder flog ich achtkantig raus.
Ich hatte 10:00-Uhr-Bereitschaft, es war ruhig, der Betrieb lief reibungslos, weshalb die „10:00-Uhr“ nirgends hineilen mußte; ich war in guter Ruhe in der Kantine gewesen, mittlerweile ging es auf 14:30 Uhr zu. Auf der Lokleitung hatten sie bereits über das fiebernd erwartete Fußballspiel irgendeiner Meisterschaft gesprochen, das ab etwa 15:00 Uhr live übertragen werden sollte; es fand im fernen Ausland statt, deshalb die Sendezeit. Schon der Gedanke an das Spiel nervte mich: Da würden sie wieder sitzen, mit den Armen fuchteln und lautstarke Kommentare abgeben. Adé, Ruhezeit… Kurz vor fünfzehn Uhr kam der Kollege der 8:00-Uhr-Bereitschaft von einem Hilfslokeinsatz zurück und fragte mich atemlos: „Hat das Spiel schon angefangen?“ „Welches Spiel? Schach, Dame, Halma…?“ „Du Knallkopp, das Fußballspiel!“ „Woher soll ich das wissen, der Fernseher ist ja aus.“ „Oh Mann…!“ Hektisch schaltete er das Gerät ein – das Spiel wurde bereits angekündigt. Plötzlich waren etwa fünf oder sechs Kollegen da, waren vom Klönen auf der Lokleitung und am Cola-Automaten aufgetaucht: Fußball gucken!!! Ich saß an einem zum Fernsehen ungünstigen Platz, egal, ich wollte ja abermals nur ein wenig mosern und hetzen. Mir geisterte eine Loriot-Szene durch den Kopf, die ich sofort umsetzte: „Kommt jetzt der Einlauf – vor allen Leuten?“ „Ooooch, halt die Klappe!“ Tat ich und wartete „auf meinen Auftritt“… In den achtziger Jahren hatte sich im Fußball eine Manie entwickelt, deren Peinlichkeit sogar ein bekanntes Satiremagazin zu textlich entsprechend getürkten Photos animierte: War ein Tor gefallen, umarmten, knutschten, herzten und küßten sich die Spieler der erfolgreichen Mannschaft, wälzten sich in innigen Umarmungen auf der Erde und so weiter. Auf solch eine Szene wartete ich, derweil ich – scheinbar aufmerksam und vertieft – eine Zeitschrift las. „Toooooooooor, Toooooooooor!!!“ brüllte und grölte es. Ich schaute auf den Fernseher, die oben erwähnte Szenerie mußte folgen – und tatsächlich, das große Umarmen begann. Meine Chance, Ärger zu sähen. Mit affektiert-gezierter Ausdrucksweise rief ich: „Hach, ist das ein toller Sport! Wie die Jungs sich knutschen – wunderbar…!“ Das vielstimmige „Kurt, raus!“ folgte auf dem Fuße. Na ja, mein Nachrichtenmagazin konnte ich auch unten im fernsehfreien Aufenthaltsraum der Betriebsarbeiter lesen.
Soweit einige Erinnerungen an diverse Szenen im Aufenthaltsraum.
ich weiß nicht, ob ich dir aus dem Weg gegangen wäre, wenn wir damals miteinander zu tun gehabt hätten (und uns nicht eine Mauer getrennt hätte), aber bei deinen Antisportfernsehparolen hätte ich mitgemacht. Ich schaue lieber Dokumentationen...
ja Kurt, ich hab heute früh, bevor ich zur Arbeit bin, mir auch Deine letzten Sportmeldungen reingezogen und muß sagen ich hab sogar noch auf dem Weg zur Arbeit schmunzeln müssen. Einfach immer wieder schön sowas.
Jetzt aber mal was anderes, sacht e ma, is denn der Kurt hier so ziemlich nur Alleinunterhalter? Gabs denn solche Schlawiener nur bei der DB? Ich kann mir nicht so richtig vorstellen, daß bei der DR es nur stockesteif zuging. Also bei uns in der Kraft (Kraftverkehr= heutzutage Spedition) gings da schon manchmal zu und bei der Armee auch. Gruß Carsten
HO 2 Leiter, DR Ep.IV, IB - COM, melden und schalten mit Uhlenbrock, bleibe bei TC9 Gold, Piko A,
"Achtung, stillgestanden. Mann, ihre Mütze sitzt ja auf dem Kopf wie bei einem Eisverkäufer. Wie heißen Sie ?"
"Langese"
Batsch, hatte der Kerl eine Ohrfeige gefangen.
Doppeltes Pech für den Uffz: der Mann hieß wirklich so, und es gab ein dickes Diszi.
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"Das soll sauber sein ? Gewährreinigen, aber sofort. In 10 Minuten ist der Lauf sauber, verstanden ?"
"Jawohl" - 10 Minuten später: "na also, geht doch". Dabei hatte ich nichts gemacht, überhaupt nichts. So war der Bund halt, Anno 1979.
Gruß
Andreas
[ Editiert von AndreasLübeck am 17.12.13 8:08 ]
Hallo Andreas,
sicher, schöne Storys, aber - hier geht's um die Eisenbahn!
Geschichten von der DR (Reichsbahn DDR) wären äußerst interessant, weil man im Grunde doch nichts oder allenfalls sehr wenig voneinander wußte. Den ersten DR-Mann, einen Ingenieur, lernte ich in unserem Ausbilder für die E 143 kennen. Feiner Kerl, sehr humorvoll. Ab und zu deutete er einige spaßige Vorkommnisse bei der DR an, wie jenes mit der Diesellok 119 (ich hoffe, ich irre mich jetzt nicht). Die gemeinte Lok hatte in den Frontseiten Zugangsklappen, durch die man die Anlaßlichtmaschinen erreichen konnte. Jedenfalls spielten zwei Lokführer am belebten Bahnsteig ein böses Spiel: Der eine, im Führerraum versteckte, bediente den Startschalter, der andere stand vor einer der geöffneten Bugtüren und drehte eine gewinkelte Eisenstange so, als ob er den Motor ankurbele. Laut dem DR-Kollegen bekamen die beiden ein ziemliches Diszi - verwaltungsseitig stand man solchen Gags wohl eher reserviert gegenüber?
ich weiß nicht, ob ich dir aus dem Weg gegangen wäre, wenn wir damals miteinander zu tun gehabt hätten (und uns nicht eine Mauer getrennt hätte), aber bei deinen Antisportfernsehparolen hätte ich mitgemacht. Ich schaue lieber Dokumentationen...
Ansonsten wieder mal
Gruß Micha
Hallo Micha,
na, das wäre was gewesen: Zwei Kerle, die motzen und hetzen. Arme sportbegeisterte Kollegen...
als ich bei der Bahnreinigung anfing (als Nebenberuf) hatten wir eine Grundeinweisung in Hamburg. Die verschiedenen Reinigungsarten.
Der Vorarbeiter schaffte es sehr schnell, ein dickes Fragezeichen auf unsere Gesichter zu zaubern.
Er fing an: "Zur Reinigung des Leibstuhles". Lauter werdendes allgemeines Volksgemurmel, Gesichter zogen sich in die Länge. Der Vorarbeiter ließ sich überhaupt nicht beirren und spulte einen Vortrag mittlerer Länge ab, wie denn nun das Teil zu reinigen sei.
Den meinsten ging irgendwann auf, dass die Toilettenschüssel samt Sitz und Deckel gemeint war, aber ein ausländischer Mitbürger fragte dann doch sicherheitshalber nach.
Was für ein Glück, dass wie diesen Vorarbeiter nicht vor Ort dabei hatten...
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13.12.2013 14:01
Antworten
Grüße aus Süddeutschland 
. Man kann es beim besten Willen nicht anders beschreiben.
