ja, ich habe Spaß an der Arbeit! Und weil mir wegen der umfangreichen Sortierarbeit der Geschichten monentan nicht der Sinn nach dem Verfassen der lange überfälligen 9. ICE-Story steht, stattdessen folgend die geplante Einleitung fürs E-Book. Meinungen und Kritik erwünscht!
Wie alles anfing Gelernt hatte ich Elektriker, in einem Handwerksbetrieb, wo ich sah, aus welchen Gründen man vom „goldenen Boden“ sprach, den diese Arbeitgebersparte besitzen sollte: Unser Chef – man schrieb das Jahr 1963 – fuhr einen „dicken“ Wagen mit der Typenbezeichnung „Opel Kapitän“, ich war in der Lage, mir mit elterlicher Unterstützung ein Fahrrad leisten zu können.
Horrende 65 D-Mark monatlich erhielt ich im ersten Lehrjahr, das steigerte sich auf 90 im zweiten, 105 im dritten und 120 DM im letzten Halbjahr. Goldener Boden. Für den Chef. Mir war klar: ich muß da weg! Als ich meine Gesellenprüfung in der Tasche hatte, befüllte der Boß selbige mit netto 350 Mark pro Monat; bei einer 45-Stunden-Woche, versteht sich. Ich muß da weg! Und als Modelleisenbahner wußte ich auch, wo ich hin wollte…
Bahnhof Bonn, heute Hauptbahnhof. Ich fragte mich durch die Büros, fand einen netten Beamten, der für mich mit der zuständigen Stelle in Köln telephonierte – und einen Termin erhielt ich ebenfalls: Dienstag in acht Tagen, etwa Mitte Dezember.
Ich mußte mir beim Handwerker-Chef freinehmen, erzählte ihm was von Familienangelegenheit. Bei der Wahrheit geblieben, hätte er mir die Vorsprache bei der Bahn bestimmt vermasselt. Sklavenhaltermentalität eines Typen, der sich nicht scheute, mich zeitweise als Fünfzehnjährigen zusammen mit einem Gesellen auf Montage ins Anatomische Institut der Uni Bonn zu schicken – Leichenkeller, Seziersäle … Gewerkschaft? Niemand sagte mir damals dummen Jungen aus guten eigennützigen Gründen, daß es diese Institution gibt und selbige dem skrupellosen Handwerksmeister Bekanntschaft mit Jugend- und Arbeitsgerichten verschafft hätte.
Es war nicht leicht, im sogenannten Ämtergebäude in der Kostgasse den angegebenen Raum zu finden, doch irgendwie schaffte ich es. Ein väterlicher Herr um die 50 bot mir Platz an, titulierte mich während des Gespräches mit „Jung“ (Junge – ich war gerade mal 18), hieß Kleefeld und erklärte mir genau, was ich machen müsse, um dermaleinst bei der Bundesbahn Lokführer zu werden: „Geh‘ zunächst ins BW Nippes, da lerns’te alles über Dieselloks, später zur Ellok-Werkstatt und dann ab in die Laufbahn!“ Er drückte mir einen Zettel in die Hand, den ich zur Vorstellung in Nippes mitnehmen sollte. Weil ich ja die bisherige Stelle vier Wochen zuvor kündigen mußte, stand der erste Arbeitstag des Februar 1967 als Einstellungstermin fest. So einfach war das, beworben und von dieser riesigen Behörde namens Deutsche Bundesbahn angenommen, die damals rund 580.000 Mitarbeiter hatte.
Natürlich war vor Arbeitsaufnahme die bahnärztliche Untersuchung vorgeschrieben – ich war jung und gesund, es gab keinerlei Probleme. Und eine sogenannte Vorprüfung mußte abgelegt werden: „Diktat“, „Aufsatz“, „Rechnen“; die Bahn wollte wohl keine Analphabeten einstellen. Die Aufgaben bewältigte ich mit den Noten „1“, „2“ und „4“; Mathe war noch nie meine Stärke, was psychologische Gründe haben mag, die an dieser Stelle zu weit führten. Jedenfalls stand meiner Anstellung bei der DB nichts im Wege.
Überflüssig, detailliert zu erzählen, daß ich nach der Kündigung im goldenen Handwerk vier Wochen bis zum letzten dortigen Arbeitstag erlebte, die als Hölle auf Erden treffend bezeichnet wären. Schlitze kloppen, Schutt wegkarren, Installations-Stahlrohre sägen, Gewinde schneiden, Drähte einziehen – allesamt körperlich schwere Arbeiten, die mir schmalem Kerlchen nicht leichtfielen. Doch ich biß die Zähne zusammen: Mich macht ihr nicht fertig! Und am Ende des letzten Arbeitstages (Ende Januar 1967, Eiseskälte im zugigen Neubau) verabschiedete ich mich mit den Worten: „Dann noch viel Spaß, ihr armen Hunde!“ Ich habe keinen von denen wiedergesehen – und nichts versäumt…
wenn man sich die alten Geschichten über "damals" anhört, also aus der von Dir geschilderten Zeit, dann war das doch das Paradies auf Erden ??
Ich kenne ja so einige Senioren, und wenn die erzählen, heißt es immer wieder: "wir konnten uns die Arbeitsstellen aussuchen, und wenn uns etwas nicht passte, sind wir einfach gegangen und hatten nach spätestens drei Tagen einen neuen Arbeitsplatz. War eben Vollbeschäftigung."
Ganz so scheint es damals ja doch nicht gewesen zu sein, sonst hätte der genannte Chef wohl schon längst keine Mitarbeiter mehr gehabt :-)
Genau so oft hörte ich aber auch, dass die Beamten damals "arme Schweine" waren und belächelt wurden, weil sie so wenig verdienten. Als 1964, damals war ich sieben Jahre alt, die Reihenhaussiedlung gebaut wurde, in die wir dann auch eingezogen sind, haben die Bauarbeiter nicht schlecht gelebt. Jeden Morgen frische Brötchen vom Bäcker, dicken Schinken und anderen guten Aufschnitt, und natürlich Bier in Mengen.. Ein eigenes Auto hatte auch fast jeder. Na ja, das sind so meine Kindheitserinnerungen.
auf diesem Wege möchte ich mich kurz melden: Seit überlanger Zeit habe ich nun keine neue Geschichte eingestellt. Der Grund ist einfach der, daß ich in den letzten Tagen und Wochen praktisch ausgelastet war. Zuerst mußte ich mein neues Buch komplett Korrektur lesen, weil die Umsetzung von DIN-A4 in das endgültige (PDF-) Druckformat Unmengen von Trennfehlern erzeugt hatte; es macht mich krank, Trennungen wie Manusk-ript oder tu-nlich-st zu sehen...
Nachdem ich damit durch war (832 Seiten plus Anhang), galt es, mir weitere Gedanken um das E-Book meiner Lokführergeschichten zu machen. Hier sieht es gut aus: Mittlerweile sind 138 Geschichten chronologisch sortiert und mit Überleitungen versehen; beispielsweise von den frühen Jahren auf den Betrieb in den Siebzigern.
Derzeit stehe ich vor der Entscheidung, ob ich weitere separate ICE-Geschichten schreiben soll, von denen ich nicht weiß, ob sie auf Interesse stoßen. Am besten mache ich sowas wie einen abschließenden "Rundschlag", in dem diverse kleine Vorkommnisse enthalten sind. Das wär's denn. Gefolgt selbstverständlich von der Erzählung, wie meine letzte Fahrt vonstatten ging ... und eine absolute Schlußgeschichte ist auch schon notiert.
Ihr seht also, es geht weiter - nur gab es halt die o.g. Verzögerungen. Ich will zusehen, recht bald die erwähnte ICE-Schlußstory hier zur Diskussion zu stellen.
Beste Grüße: Kurt
PS.: Und den Titel fürs Buch habe ich auch; ist aber noch "geheime Kommandosache".
Zitat von Oldie_Kurt im Beitrag #1204 Derzeit stehe ich vor der Entscheidung, ob ich weitere separate ICE-Geschichten schreiben soll, von denen ich nicht weiß, ob sie auf Interesse stoßen. Am besten mache ich sowas wie einen abschließenden "Rundschlag", in dem diverse kleine Vorkommnisse enthalten sind.
Also bitte Kurt! Bis jetzt ist noch JEDE deiner Geschichten auf Interesse gestoßen. Da mach ich mir absolut keine Sorgen - wieso sollte das auch bei den ICE-Geschichten anders sein?
Zitat von Oldie_Kurt im Beitrag #1204 Derzeit stehe ich vor der Entscheidung, ob ich weitere separate ICE-Geschichten schreiben soll, von denen ich nicht weiß, ob sie auf Interesse stoßen. Am besten mache ich sowas wie einen abschließenden "Rundschlag", in dem diverse kleine Vorkommnisse enthalten sind.
Also bitte Kurt! Bis jetzt ist noch JEDE deiner Geschichten auf Interesse gestoßen. Da mach ich mir absolut keine Sorgen - wieso sollte das auch bei den ICE-Geschichten anders sein?
dann bleibt mir ja wohl keine andere Wahl: Es müssen noch einige ICE-Geschichten her. Folgende sind noch "auf Lager": Über eine Steigung mit nur einem Triebdrehgestell, Hitzeproblem in Schrank 14, Mittelwagen aussetzen und im Nieselregen bei Laubfall mit ICE1 unterwegs.
Im Grunde lief das elektronische Wundertier erstaunlich zuverlässig - zumindest bin ich immer am Ziel angekommen...
Beste Grüße: Kurt
PS.: Ich will noch rasch den Übergang (im Buch) auf den ICE fabrizieren, dann schreibe ich die o.g. Storys auf.
Warm geworden… Es war der erste Sommer, den ich – übrigens wie vom B-Leiter versprochen – disponibel überwiegend auf dem ICE verbrachte. Die Leistungen waren zwar praktisch alle in Dienstpläne eingebunden, doch wir hatten in Deutzerfeld zu wenig Leute, die den „weißen Hai“ fahren konnten und so gab’s für mich stets genug zu tun, so viel, daß irgendwann der Disponent mir sagte, er wolle mich klonen lassen. Ich fuhr den ICE wirklich sehr gerne, wenngleich ich zuweilen mit einer guten Portion Wehmut an die vergangenen Zeiten zurückdenken mußte: Die siebziger Jahre mit ihren abenteuerlichen Sonderdiensten, das Jahrzehnt, in dem ich die „Hohe Schule der Bremstechnik“ von meinem alten Meister Theo Welter gelernt und verinnerlicht, zahllose schwere Schnellzüge – auch internationale Mischungen mit ihrem oft so heiklen Bremsverhalten – gefahren hatte … Dann noch einmal die hohen Anforderungen, die jener allerletzte von mir gefahrene Reisebürosonderzug nach Würzburg, gezogen von meiner (immer noch) Lieblingslok E 120, an mich gestellt hatte … aus, vorbei, the times goes by…
Doch zurück zu jenem Sommer 1997. Seit der Prüfung in Fulda waren einige Monate vergangen, meine Routine auf dem ICE, dieser manchmal eigensinnigen geballten Ladung Elektronik, nahm zu; und wie ich es traditionell handhabte, beschäftigte ich mich intensiv mit seiner Technik, nervte Werkmeister am BASA-Telephon, krabbelte mit ihnen durch die Schaltschränke – etwas übetrieben formuliert. Ja, ich näherte mich dem 50. Lebensjahr, dennoch war meine Begeisterungsfähigkeit nach wie vor ausgeprägt – meine Kritik aus meiner Sicht Negativem gegenüber dagegen erheblich heftiger geworden. Nun ja, als „Lokomotiv-Betriebsinspektor“ konnte ich es mir leisten, im Bedarfsfalle aufmüpfig zu werden: Wer wollte mir denn was "antun"? Niemand, solange die Umgangsformen gewahrt blieben. Verbalinjurien vermeidend, war es möglich, jeden „langzumachen“ – gutes Gefühl.
Es mußte mal wieder heftig disponiert werden, weil einige Züge wegen notwendiger Fristarbeiten getauscht werden mußten. Das hieß für mich: Fahrgast von Deutzerfeld zum Betriebsbahnhof rüber, dort einen ICE2 mit TK voraus im Plan der wegen Wartung auszuscherenden Einheit nach Hamm fahren, dortselbst vorziehen bis Bahnsteigende und den Zug zum Kuppeln der hinten beifahrenden zweiten Einheit vorbereiten, Übergabe an den Ablöser. Bueno, schöne Tour. Draußen waren es schätzungsweise 35° im Schatten, doch der ICE verfügte über die leistungsfähigste Frischluftklimaanlage, die mir je vorgekommen ist: Ich habe mal erlebt, daß ich an einem frühen Sommermorgen eine über Nacht abgestellte Einheit übernahm, bei welcher der abstellende Kollege vergessen hatte, die Klimaanlage abzuschalten; von ihm unbemerkt, stand sie auf Maximalleistung … als ich in den Führerraum kam, traute ich meinen Augen nicht: Die Frontscheiben waren dick vereist…! Doch das nur nebenbei.
Die Tour nach Hamm ließ sich gut an; der Zug war fast voll besetzt, der Zugchef gut drauf, wie einige Scherze übers Bordtelephon bewiesen, und das elektronische Wunderwerk lief ohne jede Beanstandung, obwohl im Sommer zuweilen im Bereich der Leistungselektronik Probleme auftraten. Nicht bei diesem Zug: Mehrmals überprüfte ich via DAVID die wichtigsten Grunddaten: Alles im grünen Bereich.
Erster Halt Düsseldorf HBf, weiter nach Duisburg, dann Halt in Essen HBf. Dort fiel mir auf, daß die Lüfter mit erheblich erhöhter Drehzahl liefen – nun ja, brühheißer Sommertag. Abfahrt. Ich befand mich in der ansteigenden Rechtskurve hinter Essen HBf, als die Sprachausgabe sich meldete: „Störung – Störung – Störung“. Statusabfrage am DAVID, Ergebnis der erschreckende Text: „Schrank 14 Stwg Temperatur +73 Grad C.“ Oh Gott – auch der Steuerwagen verfügte wegen der notwendigen Überwachungseinrichtungen über diesen „heiligen“ Elektronikschrank, zu dem man wissen mußte: Seine höchstzulässige Arbeitstemperatur betrug +76° C – der meinige auf dem Steuerwagen lag mithin drei Grad unter dem Maximum; war dieses erreicht, steuerte Schrank 14 im Verbund mit seinen „Kumpels“ auf dem/den TK den Zug nach Null, das hieß stehenbleiben und warten, bis die Temperaturen sich normalisiert hatten!
Rasch bediente ich zweimal hintereinander am ZBF-Gerät den Zugführerruf – und mein guter Kollege verstand, daß es sich um eine Art Notruf handelte: Binnen weniger Sekunden meldete er sich. Ich schilderte das Desaster und bat ihn, auf dem Steuerwagen, der zwischen Führerraum und Fahrgastraum eine Art kleines Leerabteil besaß, die Klimaanlage im Führerstand auf Höchstleistung zu schalten, die Tür zum Leerabteil mit irgendwas festzukeilen, daß sie offen blieb, dann mit dem Innenvierkant die Tür des Schranks 14 zu öffnen und gleichfalls festzustellen oder auszuhängen – die von der Klimaanlage kommende Kaltluft würde hoffentlich… „Alles klar, mache ich. Komm aber in Bochum nach hinten und schau‘ dir das selbst mal an. Drei Grad vorm Abkratzen … ich beeile mich!“ Und ich informierte die Betriebsleitung.
Einfahrt Bochum HBf – moderat, keine Hochleistungen abfordern, die DAVID möglicherweise ans Kalkulieren gebracht hätten… Ich legte nach Halt am Bahnsteig die Federspeicherbremsen an, kletterte vom TK runter, verschloß die Seitentüre und eilte raschen Schrittes nach hinten. Der Zugchef hatte beste Arbeit geleistet: Im kleinen Leerabteil wars echt kühl geworden, die Lüfter von Schrank 14 konnten also richtige Kühlluft und keine Backofentemperaturen durch die Elektronikeinschübe blasen. Abfrage an DAVID: Temperatur Schrank 14 betrug noch 66 Grad, Tendenz fallend. Uff, mal wieder Glück gehabt!
Als ich in Dortmund HBf abgefahren war, zeigte eine erneute Abfage an, daß Schrank 14 im Steuerwagen bei 57 Grad, der im TK bei 65 Grad lag, stabil – ganz hübsch warm, doch kein Grund zur Besorgnis. Somit konnte ich nach dem problemlos verlaufenen Kuppeln der beiden Einheiten meinen ICE dem Berliner Kollegen ohne weiteres übergeben; auf die thermischen Probleme wies ich ihn hin und er meinte dazu: „Det liecht am Wetter, wa! Det Ding is‘ jebaut für um die fuffzehn Jrad, bedeckter Himmel und trockene Jleise. Reg‘ dir bloß nich‘ uff, wenn det Teil mal spinnt…!“
Ich merkte mir seine Worte…
Beste Grüße: Kurt
PS.: Der Titel "Finale" bezieht sich bereits auf das E-Book.
es geht weiter mit den ICE-Geschichten. Damit nähert sich der Thread auch langsam seinem Ende. Doch am Schluß steht ja das E-Book in sortierter Form, in dem sich auch einige Texte finden, die hier nicht passend schienen.
Ich erwähnte bereits mehrfach, daß der ICE2 in unserem Einsatzgebiet planmäßig in Hamm zur Doppeleinheit gekuppelt, respektive dort in zwei Einheiten getrennt wurde, die über unterschiedliche Laufwege Köln und Bonn erreichten beziehungsweise Richtung Berlin verließen. Meist verliefen die Kuppel- und Trennaktionen reibungslos, doch – wie gleichermaßen bereits mehrfach erwähnt – weiß niemand, ab wievielen Transistoren Elektroniken zu denken beginnen. Daß sie das tun, bewies der ICE2 gerne, wenn er denn beim Kuppeln oder Trennen mit mehr oder weniger fiesen Tricks aufwartete.
Halbe Kraft Mal wieder in Hamm, Gleisspitze Richtung Dortmund. Ich wartete auf meinen ICE, dessen vorderen Teil ich nach Düsseldorf HBf bringen und im dortigen Abstellbahnhof – etwa zwei, drei Kilometer weiter – für die Nacht zwecks Innenreinigung parken sollte. Es war so, daß damals ab einer bestimmten späten Uhrzeit der Zugteil über Dortmund nur noch bis Düsseldorf und nicht mehr bis Köln fuhr. Fahrgastzählungen hatten dazu geführt. Für uns Lokführer bedeutete das eine bequeme Dienstverlängerung, denn nach dem Abstellen des ICE mußten wir zu Fuß (etwa 20 – 25 Minuten weit und durch hübsche, verwinkelte Gäßchen) zur nächstgelegenen S-Bahn-Station (Düsseldorf Eller-Süd) gehen und als Fahrgast nach Köln HBf fahren – zum Leidwesen der gewinnorientierten Verwaltung ein beträchtlicher zusätzlicher Zeitaufwand, den sie bezahlen mußte.
Ich stehe also in Hamm – und da kommt mein ICE2-Doppelzug. Der anbringende Berliner Kollege führte die Trennung durch, während ich den Führerstand erkletterte. „Wat is‘ denn dette nu wieda?“, mokierte er sich. „Was denn?“ fragte ich, meine Jacke aufhängend und die Umhängetasche abstellend. „Kiek dir det an: Det Biest jruppiert von alleene Drehjestell eens aus. Ich ha’ck det schon zweemal eingelegt, fliecht immer raus…“ „Laß mich mal, vielleicht hat der TK ja Angst vor mir“, grinste ich. Federspeicherbremsen anlegen, Richtungsschalter auf Rückwärts, Vorwärts, Mitte, Hauptschalter aus, Stromabnehmer nieder, Schnellbremse, ein oder zwei Minuten warten, Stromabnehmer hoch, HS ein, Führerbremsventil in Fahrtstellung … siehe da: beide Triebdrehgestelle des TK zeigten Betriebsbereitschaft! Ich legte die AFB auf 40 km/h, beließ den Zugkraftsteller auf Null, die automatische Festhaltebremse legte an, ich tastete die Federspeicherbremsen auf „Lösen“ … und: „Störung – Störung – Störung“: Drehgestell eins hatte sich wieder ausgruppiert. Fazit: Über DAVID neue Bremsberechnung, Weiterfahrt mit zwei Fahrmotoren. Ach ja, die Betriebsleitung verständigte ich ebenso wie den Zugchef: Es geht alles etwas gemächlicher voran, halbe Leistung eben.
Weil die Fahrzeiten nicht allzu ehrgeizig berechnet waren, gelang es mir, mit nur etwa zehn Minuten Verspätung in Düsseldorf HBf einzutreffen – ich nehme an, die Spätzüge wiesen längere Fahrzeiten auf, damit nicht des Abends verärgerte verspätete Fahrgäste am Renommee der Bahn zerren sollten? Wie dem auch sei… Es dauerte die übliche Zeit, bis der Zug abgefertigt war – Endbahnhöfe erwiesen sich oft als problematisch, weil zuweilen der eine oder andere Reisende einfach nicht glauben wollte, daß er aussteigen mußte. So verstrichen halt etliche Minuten, die ich zum Wegräumen der Buchfahrpläne nutzte.
Dann: Ausfahrsignal zeigte Hp2, schließlich kam Zp9 dazu, Türen schließen, abwarten, bis die gelben Leuchtmelder nicht mehr blinkten, und mit kleiner Leistung raus aus dem Bahnhof – mit einem Triebdrehgestell, wie erinnerlich, zwei Fahrmotoren für den ganzen Zug. Aber ich war von Hamm bis hierhin gekommen, also sollten die paar Meter bis in den Abstellbahnhof ja wohl keine Affäre darstellen. Dachte ich.
Vom Düsseldorfer Hauptbahnhof führten drei Gleise in den geographisch etwas tiefer liegenden Abstellbahnhof, das eine nannte man, wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, „Tunnelgleis“. Selbiges führte nach einen achterbahnmäßigen Gefälle unter den anderen hindurch, womit die Erbauer eine behinderungsfreie Kreuzung konstruiert hatten. Auf das Gefälle folgte nach Unterquerung der kreuzenden Gleise eine ebenso kurze, aber heftige Steigung, in ungefähr deren Mitte das Einfahr-Formsignal des Abstellbahnhofes stand. Die Jungs vom Stellwerk leiteten meinen ICE durch das Tunnelgleis – ich dachte mir nichts weiter dabei, weil alle drei Gleise zum Ziel führten. Das Einfahrsignal zeigte Hp0; langsam fuhr ich drauf zu, doch es blieb beim Halt. Also brachte ich meinen ICE kurz vor dem Signal zum Stehen. Ich hatte das rechte Seitenfenster geöffnet und hörte, wie das elektromotorisch angetriebene Signal auf Fahrt kam: Kurzer Blick: Ja, Hp2, Einfahrt mit 40 km/h.
Und jetzt begann das Drama: Ich löste die Bremse und gab, da in einer starken Steigung stehend, gleich 4 t je Fahrmotor (war ja ein ICE2 ohne diese Umtaktprobleme). Nichts geschah, außer, daß die Drehzahlen der Lüfter anstiegen. Was? Wie? Zugkraftsteller auf Anschlag, auf gut 5 t je Fahrmotor … Heiliger Siemens – die Steigung, die zwei Motoren waren überfordert … oder…? Unmerklich, quälend langsam, setzte der ICE sich in Bewegung, kam aber nicht auf Tempo, schlich mit schätzungsweise 2 km/h die Steigung rauf. Geschätzt, denn der Tachometer zeigte in diesem Bereich nocht nicht an. Mit dieser Schneckengeschwindigkeit ging’s weiter, mehr war einfach nicht drin. Großes Gezeter über Funk, was ich aber zu meinen Gunsten entscheiden konnte, denn ich hatte den Ausfall des Drehgestell 1 der Betriebsleitung gemeldet. Der Fahrdienstleiter sagte, es sei nicht bekannt, daß ein ICE-Halbzug mit nur einem Antriebsdrehgestell nicht durch das Tunnelgleis fahren dürfe. Was ich sarkastisch kommentierte: Fahren ja, aber nicht mit Halt am Einfahrsignal, jetzt hätten wir den Salat. Wie schnell ich denn sei? Nun, rund zwei Stundenkilometer – und es bestünde eine Gefahr, wegen der er, der FDL, mal beten solle: Falls DAVID diese andauernde Schleichfahrt als Störung in der Bremse-gelöst-Schleife interpretiere, setze er eine Zwangsbremsung und dann sei die Rangierlok mit der Notkupplung gefordert!
Nun, DAVID blieb ruhig, machte nichts und nach mehreren Minuten war ich an dem Signal vorbei, hinter dem das Gefälle in den Rangierbahnhof begann. Wie befreit lief mein ICE2 den Berg runter; ich hielt am üblichen Ort an, meldete über Funk der Lokleitung nochmal das Problem mit Drehgestell 1 und machte, daß ich nach Hause kam. Für heute war mein Bedarf an Eisenbahn gedeckt…
Halbe Leistung is immer sone Sache wovor mir grad mim Güterzug graut nachdem ich mit einer 486 (Baureihe 186, Nummernschema der BLS) dank temporärem Fahrmotorausfall den Zug zwar bei 150kN Leistung genau halten, aber nicht mehr anfahren konnte... da hingen nur grob 1250t am Haken. Die Hilfslok kam... der Kollege meinte noch groß "rüste ab, ich pack das schon!"... aber dass aus 1250t plus der Lok dann 1335t wurden hatte er nicht bedacht und kam selber kaum vom Fleck. In der Ebene gehts ja - die SFS Stuttgart - Mannheim (Lollenbelgtunnel) wollte ich dann mit dieser Lok aber doch nicht befahren... Lustigerweise kamen die Motoren ja irgendwann wieder, das ASG flog nie. Manchmal weiß man echt nicht was die Technik da tut.
Schöne Geschichte von Dir wie immer, schade dass es bald rum ist.
Gruß Karl
Wir sind Eisenbahner, eine große Familie! Es ist egal, welche Farbe die Fahrzeuge haben solang wir auch alle zusammenhalten!
Zitat von Oldie_Kurt im Beitrag #1202geplantes E-Book, Einleitung
Wie alles anfing Gelernt hatte ich Elektriker, in einem Handwerksbetrieb, wo ich sah, aus welchen Gründen man vom „goldenen Boden“ sprach,
Mensch Kurt, wie sich Geschichten gleichen.
Bei mir fing es auch in einer Elektrikerbude an. Rund 20 Beschäftigte und engagiert in neuen Techniken. Damals kamen Sat-Antennen auf. Eigentlich gar nicht so schlechte Voraussetzungen. Doch besser wurde es erst für mich, als ich den Führerschein hatte. Ein Altgeselle hatte wegen Alkohol die Pappe weg und fortan musste ich den R4-Zimmermannshobel fahren. Für die Möglichkeit mit der Kiste auch abends nach Hause zu fahren, musste ich allerdings vom spärlichen Lehrgeld auch noch blechen. Da der Altgeselle nun mich als Chauffeur hatte, trieb er es zudem mit dem Alkohol um so schlimmer. Als es mir zu bunt wurde, habe ich ihn beim Chef verkauft. Der kam mal überraschend auf die Baustelle und wusste durch mich das Versteck wo er den Altgesellen dann auch prompt sternhagelvoll antraf, während ich für uns beide die Arbeit erledigte. Nach seiner Entlassung fuhr ich nun aber ganz allein zu den Kunden und Baustellen. Nach Rückfrage bei der Sekretärin, wie man meine Leistungen abrechnet beim Kunden, wo ich doch noch in der Ausbildung wäre und allein beim Kunden auftauche, erfuhr ich, dass ich mich nicht scheuen sollte, nach Lehrzeitverkürzung zu fragen. Also habe ich die Prüfung nach großem Zähneknirschen des Chefs ein halbes Jahr früher machen dürfen. Eine Hand wäscht bekanntlich die andere. Ein anderer Monteur in der Firma war von der Bahn, Fahrleitungsmeisterei, gekommen. Wegen Alkohol dort entlassen. Er riet mir zur Bahn zu gehen. Also habe ich vier Wochen nach der Prüfung gekündigt. Der Chef hatte einen großen Hals - er hätte mich doch nie vorzeitig zur Prüfung angemeldet, wenn er das geahnt hätte. Vier Wochen Spießrutenlaufen und die schlimmsten Aufträge - dann ging es zur Signalmeisterei. Ich bin Gott heute noch dankbar, dass ich vor Jahrzehnten den "Absprung" geschafft habe. Nach paar Jahren Signalmeisterei schlug ich dann die Lokführerlaufbahn ein.
Als Beamter zur Anstellung waren das aber auch zwei magere Verdienstjahre. Im BW hat man mir bspw. Klorollen heimlich in die Tasche gesteckt. Nachdem ich die entdeckt hatte, meinten die Kollegen, dass ich mein Geld nun wenigstens dafür sparen könnte. Das Gehalt hat also nach Meinung der Kollegen nicht mal für's Klopapier gereicht...
Zitat von Tf aD im Beitrag #1216 Als Beamter zur Anstellung waren das aber auch zwei magere Verdienstjahre. Im BW hat man mir bspw. Klorollen heimlich in die Tasche gesteckt. Nachdem ich die entdeckt hatte, meinten die Kollegen, dass ich mein Geld nun wenigstens dafür sparen könnte. Das Gehalt hat also nach Meinung der Kollegen nicht mal für's Klopapier gereicht...
Auch eine nette Geschichte. Der Klopapierspaß hätte ja fast vom Kurt sein können...
Magst du uns nicht auch ein paar Lokführergeschichten erzählen? Du hast doch sicher auch so manches Erzählenswerte erlebt?
wie ich eingedenk des alten AEG-Obermonteurs immer sage: Ab wievielen Transistoren eine Elektronik zu denken beginnt, wird ewig ein Rätsel bleiben - Karl, das hast du ja aktuell erlebt.
Na ja, alles geht mal vorüber, auch der Geschichten-Vorrat meiner Laufbahn. Zwei oder drei hat's noch, dann wird der Thread halt so langsam im Orcus versinken. So ist das Leben, oder "Tel Aviv", wie die Franzosen sagen...
in der Tat gleichen sich unsere Werdegänge in gewisser Weise. Bei Dir waren es die SAT-Anlagen, wo Du den versoffenen Gesellen arbeitsmäßig durchziehen mußtest, bei mir war's der Status "Bauleitender Oberstift". Ab dem 3. Lehrjahr durfte ich selbständig und unter Mithilfe von ein, zwei jüngeren Lehrlingen Einfamilienhäuser installieren. Einmal kam raus, daß der Chef mich als Gesellen in Rechnung gestellt hatte. Das gab Zoff, war aber schnell vergessen. "Und für den Materialtransport auf deinem Fahrrad zahle ich dir eine Mark pro Tag", so der "Alte" - auf das Geld warte ich noch heute.
Sicher, in jungen Jahren wurde man bei der Bahn nicht reich. Gleichwohl verdiente ich dort viel mehr als im "goldenen" Handwerk: Der Handwerksmeister zahlte 350 DM/netto im Monat, im BW Nippes erhielt ich sogleich viel mehr: rund 580 DM/netto - war 'ne schöne Steigerung. Mit zunehmendem Dienstalter erhöhte sich das in Deutzerfeld auf ca. 850 DM/netto - und als ich dann im BW Gremberg Beimann mit Lohngruppe II war, belief sich mein Einkommen auf ca. 1300 DM/netto plus bis zu 200 DM Nebengeld (außer bei Urlaub und Krankheit). Das war anno 1971/72 ganz schöne Kohle ... aber: Mit dem Tag meiner Verbeamtung "Reservelokführer z.A." nach A5 sank das Einkommen auf 1100 DM/netto plus Nebengeld (wie gehabt um die 200 DM). Das war der Ärgerpunkt: Nach Abschluß der Ausbildung weniger Geld.
Jahre später fingen die neuen Lokführer mit A7 an - ich habe diverse Eingaben verfaßt, wie es denn nun wäre, uns, den zuvor Genasführten, eine gewisse Nachzahlung zu gewähren. Ich bekam nie eine Antwort.
Trotzdem habe ich meinen Beruf geliebt und würde es jederzeit wieder so machen wie früher! Eventuell würde ich ins Ausland gehen, wo Lokführer in der Regel erheblich mehr verdienten (bzw. immer noch verdienen) als hierzulande...
noch etwas Spaßiges: Gestern, am 20.11., war der "Welt-Toilettentag" - kein Witz, Tatsache! Ob bei der Bahn aus diesem Anlaß der alten Fallrohr-Toiletten gedacht wurde? Kennt Ihr's noch? WC mit "Auffangklappe", beim Spülen kippte diese Platte vertikal ab und wurde von etwas Wasser überflossen. Der Inhalt patschte ins Gleis und wurde bei höheren Geschwindigkeiten in Myriaden Tröpfchen oder was auch immer zerlegt.
Wen wunderte es, daß die oft neben Gleisanlagen wachsenden Brombeerbüsche üppig gediehen und deren dicke Früchte von etlichen Feinschmeckern gesammelt und verzehrt oder zu Marmelade verarbeitet wurden? Mahlzeit!
Ich verstand nie die blauäugige Dummheit, unmittelbar neben einer Bahnstrecke ein Restaurant oder Café mit Gartenterrasse (an die Bahn grenzend) zu betreiben ... wenn bei einem vorbeifahrenden Zug jemand die Toilettenspülung betätigte, gab's braun gesprenkelte Sahnetorte - wie in jenem Café in Bacharach, linke Rheinstrecke, direkt an/unter Schienenniveau...
Mit den geschlossenen Systemen wurde es unterwegs hygienischer; allerdings mußte in zahlreichen Endbahnhöfen die entsprechende Infrastruktur zum Absaugen der Fäkalientanks gebaut werden. Ich erinnere mich, wie in Köln-Betriebsbahnhof ICs und ICEs auf exakte Signale des zuständigen Mitarbeiters hingestellt werden mußten: passend zu den Entsorgungsschläuchen. Übrigens enthielten diese Anlagen eine Maschine, deren Bezeichnung mich immer wieder zum Lachen reizt: die "Dickstoffpumpe" ... herrliches Wort...
So, das war jetzt mal 'ne Bahngeschichte der anderen Art!
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09.11.2014 18:15
Antworten
Grüße aus Süddeutschland 
