also bei der Geschichte mit dem falschen Zug bin ich ja fast zusammengebrochen!!! Bleibt nur der Kommentar "wegbrüll!".
Und diese Parallelfahrt mit der Zweisystem-Straßenbahn stelle ich mir ebenso spannend wie spaßig vor. Als ich noch auf Ache war, befanden sich diese Triebwagen gerade in Erprobung, sie waren absolutes Neuland. Wir (zwei Lokführer damals) fuhren einen IC nach Stuttgart, als uns bei Bretten diese Straßenbahn begegnete - mein Kollege und ich waren sowas von perplex, daß wir beinahe ein Vr2 übersehen hätten...
So, jetzt muß ich an meiner nächsten Geschichte weiterstricken - wie ich einer Mitteilung entnahm, wird die Software dieses Forums umgestellt ... hoffentlich komme ich als Fossil mit der neuen Version zurecht; und falls nicht, soll die Story mit der Indianer-Lok aber möglichst noch rein.
zum Thema Straßenbahn habe ich auch noch diese Zugkomposition. War eine Zugleistung, die ich von Kornwestheim nach Karlsruhe Hafen bringen durfte: Bremsstellung G und HG60...
sagenhafter Zug - das war sicher ein Abenteuer mittlerer Größe, diese Stadtbahn mit Schutzwagen vorn und hinten ... und dann in G...! Mit 60 km/h - schön, wenn die Fahrleitungsmaste gaaanz laaaaangsam auf einen zukommen... Na, da kannst Du nachvollziehen, wie es damals, 1969/70 mit den 65-km/h-Güterzügen war.
Ach ja, hätte es zu meiner Zeit bereits Photo-Handys gegeben, könnte ich auch mit Bildern dienen.
nach dem Gastspiel auf der Nebenbahn ging’s wieder „in die weite Welt“. Meine erste Ellok-Tour nach den Dieselwochen war einer meiner Lieblingsdienste: D 841 nach Hameln, dort Pause über Mittag bis Nachmittag und den Gegenzug D 840 zurück nach Köln. Näheres erzähle ich im Anschluß, denn zunächst sollte ein unschönes Erlebnis erwähnt und ergänzend gesagt sein, daß wir, die Personale vom BW Köln-Deutzerfeld, diese Leistung vom Sommerplan 1977 bis zum Sommerplan 1983 fuhren. Sechs Jahre, in denen immer wieder disponibel Vertretungen für Planleute anstanden, was mich recht häufig nach Hameln führte. Anfügen möchte ich noch, daß der D 841 nach Braunschweig fuhr (und D 840 von dort kam), mit seinem ungewöhnlichen Laufweg nicht nur touristisch sowie für Eisenbahnfreunde interessant war, sondern zudem eine Querverbindung durch Regionen darstellte, die mit Fernverkehr nicht so gesegnet erschienen wie beispielsweise die Relation Dortmund – Hannover.
Hier nun das unschöne Erlebnis; jeden Lokführer kann’s treffen, daher ohne Einzelheiten in Kürze: Auf dieser Strecke habe ich am 17.12.1979 die zweite Person im Gleis überfahren, einen alten Herrn, der mit seinem Fahrrad bei Geseke (nahe Paderborn) um die geschlossenen Halbschranken gekurvt und mir frontal vor die Lok geraten war – bei 130 km/h… Wegen der dortigen langgezogenen Kurve, Bebauungen und Buschwerk sah ich ihn erst rund 30 oder 40 Meter vor dem Crash; Schnellbremsung, Pfeife und Sand kamen zu spät, mein klotzgebremster Zug mit fünf Wagen stand nach zirka 400 Metern. Die unbedarfte Landpolizei, der ich die Herausgabe des mich entlastenden Indusi-Streifens verweigerte (den hätten die ohnehin nicht entziffern, sondern nur verderben können), hielt es für richtig, eine Anzeige wegen fahrlässiger Tötung abzulassen, denn – Meinung des Möchtegern-Sheriffs – ich hätte doch wohl zu spät gebremst, weil soooo ein langer Bremsweg... (Die vermochten vielleicht den Bremweg eines Treckers zu beurteilen, aber nicht den eines Zuges!) Dank Indusistreifen, B-Gruppe und Anwalt wurde sie jedoch vom Gericht abgewiesen. Der Vorfall hat mich ganz schön gebeutelt, doch nach zwei Monaten war ich wieder fit – und der Disponent, es war noch unser alter Piratenhäuptling, tat das einzig richtige: Als ersten Dienst nach der Krankmeldung gab er mir die Tour nach Hameln: „… damit du kein Syndrom entwickelst!“ Dies alles, nämlich die interessante Strecke, die gute Zeitlage der Schicht, die Stunden in der schönen Stadt Hameln und das böse Vorkommnis schufen in der Summe meine Affinität zum Zugpärchen D 841/840. Viel gesehen, viel erlebt – sowas verbindet.
Nach Hameln und zurück So, nach diesem Einschub einige Fakten zu den Zügen. Die Strecke von Köln HBf nach Hameln war in etwa so lang wie die bis Mannheim, ein oder zwei Kilometer weniger, wenn ich mich recht entsinne, jedenfalls knapp über 250 Kilometer. D 841 begann in Köln HBf, wo er gegen 9:05 bereitgestellt wurde und 9:09 Uhr abfuhr. Er hatte üblicherweise elf der typischen Schnellzugwagen – natürlich mit Klotzbremsen, wie ich es liebte. Der Fahrweg führte (ich nenne die Haltebahnhöfe) von Köln über Solingen-Ohligs, Wuppertal-Elberfeld, Wuppertal-Oberbarmen, Hagen HBf, Schwerte, Unna bis Soest, Ankunft dort 10:51 Uhr. In Soest wurden sechs der Wagen abgehängt und einem anderen Zug beigestellt. Mit den restlichen fünf Waggons gings weiter nach Hameln, über die KBS 340, ab Soest 10:53 Uhr via Lippstadt, Paderborn bis Altenbeken, Ankunft 11:37 Uhr. Weiterfahrt auf der KBS 260, Abfahrt Altenbeken 11:41 Uhr über Bad Pyrmont nach Hameln, Ankunft 12:23 Uhr. In Hameln brachte man die Lok nach einer länglichen Rangierfahrt über die Drehscheibe ins alte BW, wo sogleich zwei Mann über sie „herfielen“, Sand ergänzen, Bremse prüfen, gegebenenfalls nachstellen. Service erster Güte. Freundliche Gesichter allerorten: Der Lokführer vom D 841 genoß Ansehen. Melden auf der Lokleitung – und dann die lange Pause bis zum Gegenzug, dem D 840: Nach Abstellen und Melden war es ungefähr 12:40 Uhr, Vorbereiten der Lok für die Rückleistung (V1) begann 17:06 Uhr, Rangierfahrt nach Ankunft an den Zug, an Hameln war 17:36, Abfahrt 17:46 Uhr. Eine Pause von sage und schreibe 4 Stunden und 26 Minuten! Davon wurde eine Stunde voll bezahlt, die restlichen 3’26 mit 50 Prozent, was auch auf die Anrechnung der Arbeitszeit galt. Es gab Kollegen, die wegen dieses Abzuges die Hameln-Tour nicht mochten, das aber kam dann mir, dem Dispo-Mann zugute, denn ich pfiff auf die Abzugszeiten und -beträge, sondern genoß jedesmal die Strecke, den Zug und natürlich die lange Pause in der schönen Stadt Hameln, von deren liebevoll restaurierten und instandgehaltenen Fachwerkhäusern der Weser-Renaissance ich noch heute schwärme. Bevor ich nun eine reale Zugfahrt darstelle, muß noch gesagt sein, daß diese Pause den „hohen Herren“ ein Dorn im Auge war und als 1983 irgendwelche organisatorische Änderungen es ermöglichten, verloren wir die Hameln-Tour, die, wie ich hörte, zwischen den BWen Hamm und Hannover aufgeteilt wurde und zwar derart, daß der den 841 in Hameln anbringende Lokführer bis zur Übernahme des 840 im Nahverkehr zwischen Hameln und Altenbeken Beschäftigung fand.
Es war stets schön zu fahren, mit dem 841 oder in Gegenrichtung dem 840 am Haken. Der erste Halt in Solingen-Ohligs (mit elf klotzgebremsten Wagen) bot angesichts des langen und übersichtlichen Bahnsteigs das Kennenlernen der Bremsreaktionen aus voller Geschwindigkeit (140 km/h), die „Spezialitäten“ beim Abfall der Hochabbremsung und die Wirkung der Minimalbremskraft bei ca. 4,85 bar. Wuppertal-Elberfeld, wo es stets auf Hp2 mit 60 km/h reinging, ermöglichte mit seinem in der Kurve liegenden Bahnsteig die Vertiefung der Erkenntnisse dergestalt, daß es ab Wuppertal-Oberbarmen keine Fragezeichen mehr gab. Bei meiner ersten Fahrt nach der „Dieselzeit“ hatte ich eine der recht selten gewordenen „Starloks“ vom Typ E 112. Das waren „getunte“ E 110er mit Bügelfalte, damals rot/creme lackiert und für TEE-Züge vorgesehen, deren Übersetzungen Ritzel/Großrad so geändert waren, daß sie 160 km/h erreichten. Weil die serienmäßigen Drehgestelle dies nicht zuließen, verfügten die 112er über sogenannte Wegmann-Drehgestelle, die speziell im Bereich der seitlichen Abstützungen abweichende Konstruktionsmerkmale aufwiesen und der Lok insgesamt zu erheblich komfortableren Laufeigenschaften verhalfen. Natürlich hatte sich an der Leistung der Lok (5000 PS = 3700 kW) nichts geändert und das spürte ich deutlich, als es hinter Oberbarmen in eine stärkere Steigung als bisher gehabt ging. Die E 112 mußte deutlich mehr „ackern“ als eine normale 110er. Über Schwelm und Gevelsberg führte die Strecke, und vor Gevelsberg lag der Kulminationspunkt, von dort verlief die Fahrt in einem recht kontinuierlichen Gefälle bis Hagen HBf. Weiter ging es, vorbei an Hohensyburg, bis zum Ostberger Tunnel meist mit Steigungen, dahinter Gefälle bis Unna, wo ich – der Zug lag bestens in der Hand – entgegen meiner Gepflogenheiten im Umgang mit der Klotzbremse ganz schön „reinstaubte“, so um die 90 km/h am Bahnsteiganfang waren es, ich seh‘ den Tacho noch vor mir. Paßte weich auf den Punkt – freu! Endlich wieder richtige Züge! Dann die Soester Börde: Die Strecke glich einem Dünenverlauf, beständig ein Stück bergauf und gleich wieder bergab; das Schaltwerk hatte zu tun, da ich meinen Ehrgeiz dreinlegte, trotz der Berg- und Talbahn eine gerade verlaufende Fahrschaulinie auf der Indusi 60 zu erzeugen. Das war eine meiner Macken oder auch Marotten, die ich zuweilen auslebte. Kurz vor Soest: „Piiiiiiip“ – Zugbahnfunk, der Fahrdienstleiter stellte die Frage, ob die Heizung des Zuges ausgeschaltet sei (1000-V-Zugsammelschiene). War sie, sowas zählte zur Streckenkunde. Wie schon erwähnt, wurden in Soest die letzten sechs Wagen abgehängt und einem anderen Zug beigestellt. Weiter mit fünf Wagen; ich mußte mich auf das veränderte Bremsverhalten einstellen. Die Bremsreaktionen würden rascher erfolgen, doch der Abfall der Hochabbremsung unter 55 km/h geriet „dramatischer“, weil sich die 86 Tonnen Lokgewicht mit bei sinkender Geschwindigkeit nachlassender E-Bremskraft an die Waggons „hängen“ würden, von diesen mitgebremst werden mußten. Erster Halt mit dem verkürzten Zug war Lippstadt, langer gerader Bahnsteig ohne Fieslichkeiten … doch, bremst gut und vorhersehbar. Lippstadt – hier befand sich ein BW der Westfälischen Landeseisenbahn (WLE), schwere Diesellokomotiven warteten auf Einsätze. Die anfänglichen Erkenntnisse hinsichtlich des geänderten Bremsverhaltens vertiefte ich beim Anfahren von Paderborn: Nach Abfallen der Hochabbremsung wurde der Zug weich und benötigte einigen Weg mehr bis zum Stillstand als zuvor – alles klar, null Problem. Ein Höhepunkt der Strecke war das landschaftlich wunderschön gelegene Altenbeken, wo ein imposanter gemauerter Viadukt ein tiefes Tal überbrückt. In Gegenrichtung hatte man bei Dunkelheit das Gefühl, im Flugzeug zu sitzen, wenn unten im schwarzen Nichts die Lichter von Paderborn zu sehen waren… Vier Minuten Aufenthalt. Dann Abfahrt – und es wurde spannend: Von Altenbeken aus führte die Strecke durch das schöne Weserbergland, doch zunächst galt es, eine Spezialität der Direktion Hannover zu passieren: den Tunnel von Langeland. Die Strecke beschrieb nach der Ausfahrt Altenbeken eine langgezogene Kurve und strebte dabei dem Tunnel zu. Hier wie auch im Tunnel selbst waren 60 km/h zugelassen, welche in dem Richtung Hameln im Gefälle liegenden, rund 1800 Meter langen Tunnel dreimal mit scharf eingestellten Indusi-Prüfabschnitten überwacht wurden: 5 km/h zuviel und es gab eine Zwangsbremsung! Mein Zug verließ den Tunnel und nun betrugen die Geschwindigkeiten zwischen 90 und 110 km/h; die Fahrzeit war großzügig gerechnet und so reichte es vollkommen aus, die gesamte Strecke bis Bad Pyrmont mit 90 km/h zu befahren. Da sie bis kurz vor Lügde in einem leichten, aber spürbaren Gefälle verlief, drehte ich den Fahrschalter nach „0“ und ließ den Zug einfach rollen, ab und zu mußte ich mit der E-Bremse eingreifen, um konstant die 90 km/h zu halten. Der Blick schweifte über berückende Landschaftsformen, derweil der Zug praktisch von alleine fuhr. Himmighausen, Bergheim (Westf.), Steinheim, Schieder – hier befand sich noch eine Bedienungskurbel für die Schranke draußen auf dem Bahnsteig und wenn „der Schnellzug“ durchfuhr, grüßte der Wärter militärisch-zackig, was wir Lokführer mit einer lässigen Handbewegung zu quittieren pflegten … irgendwie fühlte ich mich dort stets ein wenig in der Zeit zurückversetzt … der „Meister“ und sein Schnellzug … Gruß! Eine S-Kurve, Lügde, und wir erreichen Bad Pyrmont. Hier stiegen grundsätzlich zahlreiche ältere Leute aus und ein, die von der Kur kamen, respektive zu ihr hinfuhren. Übrigens konnte man in Pyrmont auch ganz nett an den langen Bahnsteig brettern. Das brachte zirka eine Minute Zeitgewinn, der den alten Herrschaften sehr hilfreich war, denn naturgemäß bewältigten sie das Aus- und Einsteigen nicht mehr so fix wie in jungen Jahren. Noch 19 Kilometer bis Hameln. Von Bad Pyrmont bis kurz vor Emmerthal betrug die Streckenhöchstgeschwindigkeit schwindelerregende 120 km/h. Die wurden auch gefahren, weil ab hier die Zeit knapper berechnet war. Zudem konnte man, wenn ein Kollege zur Streckenkunde dabei war, einen netten Scherz machen: In der Höhe des LF-Signals „9“, das für die Kurve vor Emmerthal galt, befand sich eine Pferdekoppel, auf der ein wunderschöner Schimmel jeden vorbeifahrenden Zug nickend begrüßte, angaloppiert kam, wenn er sich weiter weg befand. Offenbar war das Pferd Eisenbahnfan, neugierig jedoch auf jeden Fall. Und so erklärte ich allen Streckenkundlern: „Ab dem Pferd auf die 90 für Einfahrt Emmerthal runterbremsen!“ – „Und wenn das Pferd mal nicht da ist?“ – „Dann mußt du auf das LF achten oder bekommst eine Zwangsbremsung!“ – „Und darf auf dem Pferd nach Hameln reiten.“ Auf diese und ähnliche Weise gab’s immer was zum Schmunzeln. Ankunft in Hameln 12:23 Uhr – und Zeit, Zeit en masse. Was ich in dieser Zeit zuweilen alles gemacht habe, ist Thema späterer Geschichten. Heute schauen wir gleich mal, was sich auf der Rückfahrt ereignete, die ich ab dem Ostberger Tunnel mit einer Indianerlok bewältigte…
Das Zugpärchen 841/840 war stets pünktlich, eine Verspätung habe zumindest ich mit ihm nicht erlebt. Wohl die Folge recht großzügiger Fahrzeitberechnungen. So kam der D 840 auch an jenem Nachmittag planmäßig um 17:36 Uhr in Hameln an. Von meiner Warteposition im Vorfeld konnte ich das große Gleisbildstellwerk sehen (Hameln war Kreuzungs- bzw. Verbindungsbahnhof), dessen Fassade die großflächige Darstellung des Rattenfängers zeigte, eine Figur, die untrennbar mit der Stadtgeschichte verbunden ist. Beifahren, der Kuppler hängte an, derweil Führerraumwechsel. Für die Fahrt lag alles akribisch bereit – ich konnte mir ja Zeit lassen… Abfahrt planmäßig um 17:46, nun ging es mit den fünf Wagen über Bad Pyrmont hinauf nach Altenbeken und schließlich bis Soest, wo am Zugschluß sechs Wagen beigestellt wurden; nach der erforderlichen Bremsprobe fuhr der Zug um 19:14 Uhr weiter über Hagen nach Köln.
Es war Anfang März, als ich diese Tour absolvierte; es wurde daher bereits recht früh dunkel und beim Passieren von Blockstelle „Heide“, gelegen zwischen Unna und Hagen hinter dem Ostberger Tunnel, wirkte es bereits nächtlich. Das Dreilicht-Spitzensignal besaß nicht die Aufgabe, als Scheinwerfer zu dienen, sondern stellte lediglich – wie der Name sagte – die Signalisierung der Lok dar, verschaffte daher nicht Sicht nach vorne, wie es bei den heutigen Loks der Fall ist. Soweit ich mich erinnere, betrug die Geschwindigkeit bei Block Heide 120 km/h … die E 112 lief bemerkenswert ruhig – plötzlich ein Knall, Splittergeräusche und wieder Ruhe (bis auf die übliche akustische Begleitung der Lüfter und des Fahrwerks). Was war das!? Frontscheiben? Nein, alles in Ordnung, die waren enorm stabil und es mußte, um sie zu beschädigen, wesentlich mehr kommen als solch ein Knall wie vorhin. Seitenfenster gleichfalls okay, keine erkennbaren Schäden. Aber der Knall und dieses Splittern? Ich zuckte im Reflex die Schultern: weiß der Geier, Hauptsache, es läuft alles. Kurz vor Hagen ertönte das Signal des Zugbahnfunks. Ich nahm den Hörer, meldete mich mit Name und Zugnummer und erhielt folgende Mitteilung: „Kollege, dein oberes Spitzenlicht ist defekt.“ „Danke, ich sehe in Hagen mal nach. Während der Fahrt kann ich das ja nicht.“ Hörer einhängen, weiter. Oberes Spitzenlicht … bestimmt ist ein Stein oder ähnliches dort reingeflogen, deshalb der Knall und die Splittergeräusche. So findet jede Frage ihre Antwort … ich mußte grinsen: philosophische Betrachtungen auf der Lok… Ankunft Hagen HBf, pünktlich um 19:53, planmäßige Abfahrt 19:55 – und die wurde diesmal um zwei Minuten überschritten: Ich schaltete das Führerraumlicht ein und bekam einen gehörigen Schreck: Von der Montageklappe des oberen Spitzenlichts lief ein breiter Streifen Blut herunter, der fast bis zum Führerpult reichte, doch dank der Gerinnung auf gut dreiviertel Weges stehengeblieben war. Ich legte die Zusatzbremse stärker an, kletterte von der Lok und dann sah ich die Bescherung, die Ursache von Knall und Splittergeräuschen: Aus der zerbrochenen Glasblende ragten V-förmig zwei lange Schwanzfedern einer Taube, die genau in das Spitzenlicht hineingeraten und von den Glasresten und scharfen Metallkanten als Folge der Aufprallwucht filetiert worden war. Innen führte das zum Runtersickern des Blutes, außen ragten die beiden Schwanzfedern hervor, ganz so, wie Indianerhäuptlinge die Adlerfedern im Haar trugen. Der Zugführer kam dazu, schaute sich die Sache an und mußte lachen, sowas hatte er auch noch nicht gesehen. Der herbeigeeilte Aufsichtsbeamte wollte wissen, ob ich das an Ort und Stelle reparieren könne. Dies lehnte ich ab: Es war nicht mein Ding, in das blutige Gemengsel im Spitzenlicht zu greifen. Ergo: Vormeldung, daß D 840 mit defektem oberen Spitzenlicht unterwegs ist. Mit zwei Minuten Verspätung verließ ich Hagen, zwei Minuten, die mit spitzer Fahrweise bereits in Wuppertal-Elberfeld wieder „ausgebügelt“ waren.
Köln HBf erreichte ich pünktlich um 20:48 Uhr. Der Ablöser amüsierte sich, als ich ihm den Vorfall erzählte, betrachtete nochmal die zwei Federn oben an der Stirn der 112er und stimmte meiner Definition zu: Indianerlok. Schick, mal was anderes. Ankunftszeit plus 13 Minuten Abschluß gemäß A3 – Feierabend um 21:01 Uhr. Ein langer, schöner und zudem auch noch ereignisreicher Dienst war zu Ende.
das momentane schöne Wetter lockt nach draußen; meinen Rundgang durch den Stadtteil habe ich absolviert und damit die Sache hier nicht starr und schematisch wird, möchte ich an dieser Stelle mal wieder etwas Leichtverdauliches einstreuen.
Das Übergabebuch Zu meiner Zeit lag auf jeder Lok das sogenannte „Übergabebuch“, ein stabiler Hefter, enthaltend zahlreiche kartonartige, mit Rubriken versehene Hartpapierblätter („kornfarben“); bei der Bahn mußte bekanntlich alles robust und dauerstabil sein – daran dachte man beim genauen Betrachten des Übergabebuches unweigerlich. In dieses Verzeichnis waren Name, Dienstplantag oder Sonderdienst (letzterer mit dem Kürzel Sdl), die gefahrenen Kilometer, die Addition der Gesamtkilometer seit letzter Nachschau und – in einer breiten Spalte – eventuelle Besonderheiten und/oder Mängel einzutragen, wobei man bedarfsweise auch mehrere Zeilen benutzen durfte. Das Ganze mußte mit der Unterschrift versehen werden. Klingt bürokratisch, hat sich in summa jedoch bestens bewährt. So konnte man bei Lokübernahme, etwa im BW mit dem Vorbereitungsdienst V1, sich sofort kundig machen, ob, und wenn ja, welche „Wehwehchen“ die Lok aufwies. Denn periphere, nicht betriebsrelevante Kleinigkeiten, wie z.B. eine defekte Lampe im Maschinenraum, schob die Werkstatt gerne an das Heimat-BW weiter, sei es aus Zeitmangel oder aus Daffke.
Es bedarf keiner besonderen Phantasie, sich vorzustellen, welche Sammlungen von Stilblüten in diesen Übergabebüchern manchmal zusammenkamen. Ich meine das jetzt keineswegs boshaft oder überheblich, nein, es ist zu berücksichtigen, daß derlei Einträge häufig unter Zeitdruck entstanden, womöglich am Ende eines stressigen Nachtdienstes, wo nicht jedem Kollegen das Bewahren literarisch vorbildlicher Formulierungen in den Sinn geriet. Auch kannte ich Lokführer, die in jeder Hinsicht erstklassig waren, aus dem eff-eff sämtliche Fahrdienstvorschriften und technischen Zusammenhänge der Loks beherrschten, doch sollten sie das aufschreiben, wurde es eng, wie es bei mir eng wird, wenn ich z.B. den Gesamtpreis von drei Brötchen á 29 Ct ausrechnen soll. Der eine so, der andere so, jeder nach seiner ureigenen Façon. Unter dieser Prämisse bitte ich auch folgenden Hinweis im Übergabebuch zu sehen, der da lautete:
„Führerraum 2 Licht geht nicht einschalten.“
Fies, wie ich bisweilen sein kann, vermochte ich mich eines daruntergeschriebenen Kommentars nicht zu enthalten:
„Von wo kommst Du gewesen?“
Oder die Aktion „Wer schreibt den blödesten Eintrag?“, geschehen irgendwann Ende der achtziger Jahre auf der S-Bahn-Linie 11. Im Übergabebuch stand zu lesen:
„Zeitmesser im Führerraum des Steuerwagens defekt.“
Darunter, vereinfacht auf die Abkürzung des Fahrzeugs:
„Zeitmesser im BxF defekt.“
Die nachfolgenden Einträge standen säuberlich einer unter dem anderen:
„Uhr im Führerraum des BxF defekt.“ „Uhr defekt.“ „Uhr kaputt.“ „Uhr kapott.“ (kölsche Variante)
Mit diesem Stand übernahm ich die S-Bahn in Köln HBf. Nun habt Ihr zwischenzeitlich gewiß bemerkt, daß ich ein Sprachfreak bin und auf alles damit Zusammenhängende anspringe. Folglich überlegte ich während der Fahrt Richtung Düsseldorf-Gerresheim, wie sich die Qualität der oben dargestellten Einträge noch steigern ließe. Dann hatte ich die Erleuchtung und während des zweiminütigen Betriebshaltes in Köln-Worringen schrieb ich die letzte Mängelbenachrichtigung:
„Tick-Tack putt.“
Wie es der Zufall wollte, bekam ich ungefähr drei Wochen später dieselbe S-Bahn-Einheit – im Übergabebuch fand ich die obigen Vermerke mit dickem roten Filzstift durchgestrichen und darunter stand: „Ihr Idioten!“, gestempelt: „Werkmeister Düsseldorf“, Unterschrift: unleserlich.
Zusätzlich zum Übergabebuch gab es auf der S-Bahn die sogenannten „Beklebezettel“, einmal als Vordruck für defekte Türen, zum anderen als frei beschriftbare Allgemeinhinweise auf Unregelmäßigkeiten.
Der Steuerwagen besaß am rückseitigen Ende zwei WC-Anlagen, schön mit großen Spiegeln ausgestattet, richtig chic. Leider jedoch waren immer wieder auf Vandalismus zurückzuführende, mehr oder weniger starke Beschädigungen zu verzeichnen. Eine solche „Naßzelle“ versah man dann mit dem Beklebezettel für allgemeine Störungen, Text: „WC außer Betrieb“, oder so ähnlich.
Eines Tages fand ich beim Gang durch die S-Bahn (im Wendebahnhof Neuss) das linksseitige WC total zerstört vor; irgendein Irrer hatte scheinbar mit Axt oder Vorschlaghammer gewütet. Mein Vorgänger auf dem Zug hatte die Türe ordnungsgemäß bezettelt: „WC nicht benutzbar“ und sie verschlossen (der abgeschlossene Zustand nötigte mich, nachzusehen, es hätte ja auch … Junkie & Co, alles schon passiert). Unterwegs, ich hatte bis Bergisch-Gladbach und wieder zurück nach Köln-Worringen (mit dortiger 20-Minuten-Wende) zu fahren, sann ich über eine verbesserte Bezettelung der WC-Türe nach, welche mir auch einfiel und die ich in Worringen (dort war Zeit dazu) in die Tat umsetzte. Damit die Fahrgäste sehen sollten, welche klugen und polyglotten Lokführer hier im Einsatz standen, beklebte ich die Tür mit einem dreisprachigen Zettel:
„Toilette nicht benutzbar“ „WC out of order“ „¡baño no funciona más!“
Na ja, es konnte möglich sein, daß ein Brite oder Spanier … außerdem war in Köln-Deutz gerade die Möbelmesse im Gange, internationales Publikum … da war das doch… Jedenfalls machte ich im Übergabebuch den vom Kollegen vergessenen entsprechenden Eintrag von wegen Beschädigung und Tür bezettelt. Auch diese S-Bahn-Einheit übernahm ich einige Wochen später wieder. Unter meinem Vermerk im Übergabebuch stand, gestempelt und unterschrieben vom Düsseldorfer Werkmeister:
„Du Klugscheißer!“
Da hatte ich es: Man bemüht sich um internationale Verständigungsqualität und dann sowas…! Der Meister mochte mich wohl nicht?
Mitunter bekam man auch schlicht und ergreifend „einen dicken Hals“, weil – aus welchen Gründen auch immer – im Übergabebuch aufgeführte Mängel nicht beseitigt wurden, oder aber, das grassierte Anfang der achtziger Jahre, der optische Gesamtzustand der Loks schlimm war. Mit der Betriebssicherheit Zusammenhängendes war in bester Ordnung, doch mich (und viele andere Kollegen) störte es gewaltig, wenn beispielsweise eine technisch einwandfreie E 103 verdreckt und verschrammt, mit Roststellen und frontseitigen Beulen, hervorgerufen durch große Vögel und/oder Wild, daherkam, ihr Maschinenraum einem Kohlenkeller glich, man am Fahrschalterhandrad gleichermaßen klebenblieb wie an den übrigen Einrichtungen des Führerraums. Ich empfand derlei Dinge als Sakrileg, denn die Lok hatte viel Geld gekostet, mußte ständig mit Überlast laufen und dann diese Vernachlässigung! Auch Maschinen haben eine Seele, heißt es. Wie dem auch sei – nicht nur die 103er sahen oft aus, als kämen sie justament von der Leprainsel, auch die anderen Baureihen litten unter Verluderung des Äußeren (und Inneren: Maschinenräume, Führerstände). Irgendwann übernahm ich in Köln HBf eine Hamburger E 110, in deren Führerräumen der vormals weiße Lack großflächig abgeblättert war und das zu rosten beginnende nackte Blech freilag. Was sollten Außenstehende denken, die einen Blick auf diesen Unstand erhaschten, etwa bei offener Seitentür? Oder eventuell mitfahrende Presseleute? Man mußte doch mit allem rechnen. Ich war richtig wütend, und weil es noch vier oder fünf Minuten bis zur Abfahrt waren, schrieb ich ins Übergabebuch:
„Führerräume und Maschinenraum müssen frisch geteert werden; an einigen Stellen scheint das Weiße durch!“
Oder die Deutzerfelder E 110, deren seitliche Lüfterblenden und Bereiche um die Durchführungs- und Stützisolatoren undicht waren wie Siebe, daß in den Seitengängen das Regenwasser etwa einen Zentimeter hoch stand. In deren Übergabebuch, in welchem bereits zahlreiche Kollegen diese Undichtigkeiten vergeblich gemeldet hatten, trug ich ein:
„Wassermangel im Schwimmbecken!“
Das half, schlug Wellen. B-Gruppenleiter X. (er schon wieder), wollte mich belehren, daß solche Bemerkungen fehl am Platze seien. Weil aber die Werkstatt umgehend reagiert, die Lok aus dem Verkehr gezogen und sorgfältig instandgesetzt hatte (dank meiner Connections wußte ich dies), gelang es mir abermals, ihn nunmehr mit Hinweis auf dieses Faktum schachmatt zu setzen. Er hat sich nicht gefreut und seine Liebe zu mir wuchs weiter…
Nach der Wende kam die E 143; in unserem Gebiet wurde sie im S-Bahnverkehr eingesetzt, eine Betriebsart, für die sie nicht konstruiert war und solange ich das Biest fahren mußte, ärgerte ich mich über die schwer bis unmöglich kalkulierbaren Einriffe des Zentralrechners in die Bremsvorgänge, den wir „Verdienter Rechner des Volkes“ nannten. Ich habe hier im Forum einen Berufskollegen, der expressis verbis die 143 gerne fährt – denkbar, daß er sie im „nomalen“ Regioverkehr bewegt und möglicherweise konnte man in den vergangenen Jahren dem Rechner bessere Manieren anerziehen. Damals, 1991, war die Kombination E 143 plus S-Bahn Rhein-Ruhr (diese Waggons mit den auffallend kleinen Bremsscheiben) der blanke Horror: Da fährst du fröhlich auf den Bahnsteig zu, 1 bar Drucksenkung, zu wenig, nachziehen auf 1,5 bar, die drei Wagen bremsen wie 6000 Tonnen Brombeergelee, um die 40 km/h, ja, paßt, Druckerhöhung auf 4,5 bar … und jetzt findet der Rechner es gut, volle Möhre die Vorsteuerluft reinzuhauen, Bremzylinderdruck um die 4 bar! Nun bremst die Lok mehr als die Wagen, du kannst lösen bis du schwarz wirst, der Bremszylinderdruck steht wie Beton und mit einem satten „Hau-ruck“ kommt der Zug am falschen Ort zum Stehen. Wehe, der Bahnsteig liegt in der Kurve und du hast durch des Rechners Eigensinn Monitor oder Spiegel verpaßt! Dann heißt es, mit dem Handmikrophon aussteigen und hoffen, daß sein Kabel lang genug ist. Was habe ich alles an Tricks versucht, bis hin zu rentnerhaften Schleichbremsungen mit 30 km/h am Bahnsteiganfang – jedesmal reagierte das Miststück anders, selbst bei nahezu identischen Bremshandlungen. Und als Jünger der Präzisionsbremsungen ärgerte mich das bis zur Weißglut, Folge: Ich habe dieses Wellblech gehaßt wie die Pest! Wie gesagt: Vielleicht existieren jene Macken heute nicht mehr, aber zu meiner Zeit war das Henningsdorfer Produkt für mich und viele andere Kollegen das berühmte rote Tuch! Vor diesem Hintergrund durfte es niemanden verwundern, wenn in den Übergabebüchern der 143er ab und an satirische Glanzstückchen standen und ich gestehe, das meinige beigetragen zu haben mit diesen Einträgen:
„Hilfsrelais ‚Fahrzeugsprengung‘ nicht plombiert.“ „Baugruppe OHA 41 prüfen; Aufbau der erforderlichen Zugkräfte wird zuverlässig unterbunden.“ „Nach Planleistung am soundsovielten Lok vorbereiten für LZ-Fahrt Norddeich-Mole und dort mit V 290 abstoßen.“
Die ohnmächtigen Handlungen eines Opfers; anders kann man sowas wohl kaum nennen. Nun ja, lange vorbei – aber nicht vergessen!
auch wenn ich für die 143 keine Befähigung habe, bin auch ich ein begeisterter Zeitgenosse dieser Baureihe. Das sie nicht für den S-Bahn Verkehr konzipiert war, kann so nicht ganz korrekt sein. In mehreren Ballungsräumen der DDR waren sie ja auch gerade in diesem Einsatzgebiet zuhause. So auch in Rostock, meiner Heimat. Dort sind sie mit regulär 2, zum Schichtwechsel nach Seehafen Nord sogar mit 3 vierteiligen DBv-Einheiten im S-Bahnnetz unterwegs gewesen. Allerdings sind die Loks mit dem Darko-Führerbremsventil ausgeliefert worden. Wie ich hier, im Südwesten, erfuhr, kamen viele Tf mit dem böhmischen Angsthebel nicht klar. Also Umrüstung auf Knorr Fbrv. Und wenn dann das eine und das andere nicht mehr paßt, sind Probleme vorprogrammiert. So würde ich das ganze jetzt vermuten. Ich habe nun im Rahmen von Streckenkundefahrten auch schon mehrmals auf der 143 mitfahren können, und alle diese Tf sind mit der Lok nach eigenen Aussagen sehr zufrieden. Also muß da mit dem Rechner auch was geschehen sein...
Aber Kurt, Du hast ja immer wieder die "Feierstunden" vor der Haustür. Beim Bender in Opladen werden die "Wellblechbuden" doch sehr gerne zerlegt. Ich finde, daß da ein paar andere Rumpeln, die ihr Leben längst gelebt haben, zum Zerlegen hingehören. Aber bei Schenker gehen diese einlösigen, teilweise um die 50-jährigen Schraubeneimer ja gerade wieder in Betrieb. Also da paßt vom logischen her irgendwas nicht so richtig zusammen...
Mich persönlich graut es schon vor dem Schaukelpferd... der 151...
ich verstehe das nicht so richtig, dass Du mit Deinem Interesse und Feingefühl für die Druckluftbremsen mit dem Dako-Fbv nicht zurecht gekommen sein sollst. Klar, das erfordert eine etwas andere Bedienung, war aber bei unseren Lokführen recht beliebt und größere Probleme sind mir nicht bekannt. Unsere Instruktoren waren nach der Abgabe von 243 an die S-Bahn Nürnberg ein paar Mal zu zusätzlichen Einweisungen dort. Einige der Beamten wollten nicht kapieren, ein paar konnten wohl auch nicht, aber die Mehrzahl hatte keine Probleme mit der 243.
Thomas
Das Schöne an einheitlichen Standards ist es, dass es so viele verschiedene davon gibt. Toleranz ist die Erkenntnis, dass es sinnlos ist, sich aufzuregen.
eine Behauptung, die ich schon vor 50 Jahren hörte, war "eine Lok sollte nie auf einer Weiche halten". Begründung: zu große Belastung der Weiche, Bruchgefahr.
ich verstehe das nicht so richtig, dass Du mit Deinem Interesse und Feingefühl für die Druckluftbremsen mit dem Dako-Fbv nicht zurecht gekommen sein sollst. Klar, das erfordert eine etwas andere Bedienung, war aber bei unseren Lokführen recht beliebt und größere Probleme sind mir nicht bekannt. Unsere Instruktoren waren nach der Abgabe von 243 an die S-Bahn Nürnberg ein paar Mal zu zusätzlichen Einweisungen dort. Einige der Beamten wollten nicht kapieren, ein paar konnten wohl auch nicht, aber die Mehrzahl hatte keine Probleme mit der 243.
Thomas
Hallo Thomas,
die bei uns zum Einsatz gelangten 143er hatten allesamt das Führerbremsventil Knorr D-2, ein ebenso bewährtes wie gut bedienbares Teil - allerdings: Bei der hohen Bedienungsdichte auf der S-Bahn geriet es nach der etwa fünfzigsten Bremsung doch zum arbeitserschwerenden "Trümmer". Hinzu kam, daß es auf einer Stahlkonstruktion montiert war, die beim Lauf des Luftpressers heftig vibrierte. Wenn du dann bremsen mußtest, fühlte es sich wie ein Preßlufthammer an - etwas übertrieben formuliert.
Das Hauptproblem war die Kombination einer für schwerere Züge konzipierten Lok mit diesen Rhein-Ruhr-Waggons, die einerseits das Bremsgefühl von "6000 Tonnen Gelee" vermittelten, andererseits infolge der automatischen Lastabbremsung ("Fleischgewichterfassung", wie wir sagten) bei größerer Fahrgastfluktuation arg indifferent wurden: jeder Bahnsteig war eine Überraschung. Und das in Kombination mit dem Rechner, der eigensinnig irgendwelche Bremskurven realisiert sehen wollte, die einfach nicht drin waren. Interessanterweise stieg die Bremsproblematik mit sinkender Wagenanzahl: die 5-Wagen-Einheiten lagen besser in der Hand als die Dreiereinheiten. Insgesamt kostete die 143 jede Menge Nerven - damals (1991) jedenfalls. Den heutigen Status kann ich natürlich nicht beurteilen!
Die absolute Steigerung war die auf der 143 basierende 112. Als Zuglok an der Spitze (wir fuhren Interregios damit) lief sie meist brav und reagierte vorhersehbar. Aber als dann jemand auf die tolle Idee kam, den nächtlich/frühmorgendlichen "Airport-Expreß" von Düsseldorf nach Frankfurt mit zehn bis zwölf IC- oder Interregiowagen auszustatten und in "Triebkopftraktion" zu fahren, war wieder der Hund los. Vorne und hinten eine 112er, dazwischen á la ICE die Waggons, über das UIC-Kabel per zeitmultiplexer Wendezugsteuerung (ZWS) gefahren. Ich habe eine Fahrt nach Frankfurt damit absolviert (Dienstbeginn war gegen 3:10 Uhr) und mich danach geweigert, diesen Kram nochmal anzufassen. Vorne stand Zugkraft an, dann fand es die hintere Lok gut, ein wenig E-Bremse zu geben, wieder hochzuschalten und dann die Trennschütze abfallen zu lassen, Fahrschalter "0" und wieder rauf - und sie schob wie bekloppt ... und so weiter und so weiter. Ich bin auf den 224 Kilometern ca. drei Kilo leichter geworden, nicht zuletzt, weil das Meldeleuchtentheater in der "Dachvoute" (falsches Wort) das seinige zur Verunsicherung beitrug.
Vielleicht lag ja auch alles am heiligen Siemens, der die Henningsdorfer Loks gegen mich aufhetzte. Mit der vom gleichen Ort stammenden E 101 hatte ich fast noch mehr Freude als mit der 143 ... zumindest bis zur Software-Variante 35...
eine Behauptung, die ich schon vor 50 Jahren hörte, war "eine Lok sollte nie auf einer Weiche halten". Begründung: zu große Belastung der Weiche, Bruchgefahr.
Stimmt das ?
Gruss
Andreas
[ Editiert von AndreasLübeck am 10.03.14 12:34 ]
Hallo Andreas,
ein stehendes Fahrzeug übt wesentlich weniger Belastung auf den Gleiskörper aus als ein fahrendes (dynamische Vorgänge). Es handelt sich folglich um einen Witz.
grundsätzlich gilt zu Deinem Posting das gleiche, was ich an Thomas geschrieben habe.
Heute, aus der Entfernung von 17 bis 23 Jahren (rund gerechnet - und Rechnen ist meine schwächste Seite), als ich noch S-Bahn mit 143 fuhr, erinnere ich mich praktisch ausschließlich an Negatives, obwohl ja Erinnerungen gerne "verklärt" werden. Ich bin von 1991 (oder war's doch schon 1990? Realisierungslücke, sorry) bis 1997 immer wieder mal auf der 143 gewesen; die letzten beiden Jahre habe ich in besserer Erinnerung als die Anfangszeiten, vermutlich wurde an dem vermaledeiten Rechner gearbeitet.
E 151: Ja, deren "Tücke" sind die Horizontalschwingungen, die speziell das Beifahren an den Zug (oder an den Prellbock) erlebnisreich gestalten. Je härter man einbremst, desto heftiger logischerweise diese Reaktion. Das ist aber beherrschbar und eine reine Übungsfrage. Denkbar, daß bei nicht perfekter Wartung diese Horizontalschwingungen ("Schwappen", sagten die Eifeltorer Kollegen) verstärkt auftreten. Von meiner "Piratentour" nach Karlsruhe - meine einzige Fahrt mit der 151 - habe ich die Lok in bester Erinnerung. Allerdings war die Baureihe damals noch neu...
Im Fernsehen zeigten vor vielen Jahren in der Sendung "Wetten, daß..." zwei Lokführer eine Wette: Einer hielt ein rohes Ei an den Prellbock und der andere fuhr mit einer E 151 so gefühlvoll bei, daß das Ei ganz blieb! Das konnte ich natürlich nicht kommentarlos hinnehmen: Auf die bewundernden Worte der Kollegen sagte ich ganz hochnäsig-rotzig (gespielte Attitüde, es war ja ein Witz!): "Schlappe Leistung - sowas mache ich mit einem schweren Schnellzug oder IC am Haken!" Danach flog ich mal wieder aus dem Aufenthaltsraum raus...
Das deckt sich mit meiner Angabe zu den Umbauten der 143 und 155 von Dako auf Knorr Fbrv, die ich ja von anderen Kollegen erfahren habe. Aber nichts für ungut. Die 243 ist jedoch eine Ableitung von der 212, heute 112 bzw 114. Und weil Du den SPW (101) ins Spiel bringst, deren Ableitung, namentlich 145, ist auch nicht besser. Ich habe schon lange keine mehr fahren müssen. Denn anscheinend, so meinte letzte Woche erst ein Kollege in Würzburg, der mit einer 145 dort ankam, hat man auch bei ihr zwischenzeitlich die Software geändert, damit sie endlich brauchbar wird. Da Du es ja ins Feld geführt hast, ich glaube nicht, das es schlichtweg was mit dem Standort Hennigsdorf zutun hat. Sondern eher mit den Leuten, die der Meinung sind, bestehendes gutes noch besser machen zu müssen. Ob es was bringt oder auch nicht. Als Beispiel seien hier die Nachrüstung der schnellen Lady's mit Schlingerdämpfer genannt, was letztlich diverse Anrisse nach sich zog. Irrwitzigerweise haben bis heute Halberstädter Schnellzugwagen, damit meine ich auch die IC-Steuerwagen, mit GP 200 Drehgestellen keine Schlingerdämpfer erhalten und fahren dennoch 200 km/h.
Kurt, verstehe mich bitte nicht falsch. Deine Abneigung der Lady gegenüber respektiere ich und kann Deinen Frust durchaus nachvollziehen. Die Ursachen dafür finden sich jedoch unweigerlich in ganz anderen Ebenen, die das Bewährte erst vermalledeit haben.
absolut richtig, was Du schreibst! Ich vermute, daß die Probleme mit der 143er im S-Bahn-Betrieb auf genau solche "wilden" Eingriffe zurückzuführen waren. Schließlich mußte eine eher für Schnell- und Güterzüge konzipierte Lok (so die Aussage des mir vorliegenden Original-Reichsbahn-Unterrichtsfilms) auf den S-Bahn-Einsatz mit der zeitmultiplexen Wendezugsteuerung umgebaut werden. Diese Steuerung mit den Schaltungen der DR zu vernetzen, war sicher nicht ganz einfach...!
zum Zwecke der Auflockerung und weil gerade das Thema „Loks aus Henningsdorf“ angeschnitten wurde, nachfolgend einige Erlebnisse aus dem Jahre 1997, in dem ich die Ausbildung für ICE und E 101 erhielt. Da die 101er funktional weitgehend dem ICE ähnelte, beschränkte sich die „Ausbildung“ für diese Lok auf ganze drei Tage: 1 Tag Theorie, 1 Tag am Fahrzeug (bißchen Störungssuche, aber gaaaanz vorsichtig, weil auch der Ausbilder noch mit Wissenslücken kämpfte) und am dritten Tag wurde gefahren, Intercity von Köln HBf nach Mannheim HBf und zurück. Danach gab’s den Führerschein – nach dem ICE der zweite meiner Laufbahn; früher standen die Befähigungsnachweise nur in der Personalakte.
Die E 101 war meines Wissens die erste Lok, die vom Reißbrett auf die Strecke kam – ohne Erprobung, das geschah im laufenden Betrieb. Der Hersteller, Adtranz (ich schreibe das einfach mal so, wie man’s spricht und vermeide die damals übliche graphische Aufmotzung des Wortes), wollte alles und erreichte erstmal nichts. Schon die Einzelachssteuerung der Fahrmotoren und deren Synchronisierung warf Probleme auf, mit denen wohl keiner der Ingenieure gerechnet hatte. (E 120 und ICE verfügten über drehgestellweise, also zweimotorige Steuerung.) Tatsache ist: Die E 101 bot das mit Abstand beste, komfortabelste Fahrverhalten aller mir bekannten elektrischen Lokomotiven; sie glitt sozusagen wie ein Rolls Royce über die Schienen; selbst bekannte „Rüttel- und Holperstellen“ glich sie sanft aus, vermittelte beinahe das Gefühl zu schweben. Damit waren die Pluspunkte – zumindest in der Anfangszeit – aber bereits erschöpft, denn aufgrund des unerprobten Einsatzes glänzte die 101 mit nie zuvor erlebter Störungshäufigkeit. Im Einführungsjahr 1997, in dem jede die Fabriktore verlassende 101er gleich auf den Bahnbetrieb losgelassen wurde, stieg die Verspätungshäufigkeit im IC-Verkehr sprunghaft an; Verspätungen von 40 und teils viel mehr Minuten – bis hin zu Ausfällen – waren stets ursächlich erkennbar: Hinter einer alten, abgewirtschafteten, jedoch immer noch leistungsfähigen E 103 rollte die defekte E 101, Stromabnehmer unten, rien ne va plus.
Der Hersteller kämpfte mit der Steuerungs-Software, die er anfangs nicht in den Griff bekam. Und weil man auf den beiden Bildschirmen sehr schön sämtliche Statussituationen abfragen konnte, fand man früher oder später auch die Störungsstatistik: da war Scrollen angesagt, es hörte und hörte nicht auf. Ich habe das mit der Zeit bleibenlassen, weil es nicht zum guten Gefühl beitrug, die endlose Störliste zu betrachten… Wie gesagt, waren die ersten Einsatzmonate der 101 blanker Horror; erst ab Software Nr. 35 bis 36 begann die Lok sich langsam zum betriebstauglichen, äußerst zugkräftigen und allgemein leistungsfähigen Boliden zu entwickeln – doch bis dahin lagen nicht nur bei mir die Nerven blank. Übrigens: Als ich anno 2000 meinen Dienst quittierte, liefen die 101er mit Software Nr. 65… Seit Software 35 bis 36 waren die gröbsten „Brocken“ beseitigt, was blieb, waren zuweilen auftretende Scherze wie „einfach so“ anlaßfrei aus heiterem Himmel zupackende Zwangsbremsungen oder sonstige Nettigkeiten.
Intermezzo: Einige Erlebnisse mit der neuen E 101
Lernfahrt und Ausbildungsabschluß Drei altgediente Lokführer standen im April 1997 gemeinsam mit ihrem Ausbilder an Gleis 6 des Kölner Hauptbahnhofes: Im Rahmen der „Ausbildung“ für E 101 stand der einzige Fahrtag auf dem Programm, nach Mannheim sollte die Reise gehen. Wir drei „Azubis“ hatten kurz zuvor in Fulda die stressige ICE-Ausbildung gemacht und waren angesichts des relaxten Fahrtages bei schönem Frühlingswetter bester Laune. Der Zug habe 20 Minuten Verspätung, so die Ansage. Wir ahnten, was auf uns zukam… „Dat vadammte Dingens tut nur mit zwei Motoren laufen, woll!?“, verkündete uns der anbringende Dortmunder Kollege. „Okay, das regeln wir schon“, begütigte unser Ausbilder, der wegen seiner Ruhe und Fachkenntnisse allseits geschätzte Kollege G. Abrüsten, aufrüsten, Neuinitialisierung der Elektronik. Das half meistens, zumindest beim ICE, aber der stammte ja auch von Siemens, AEG und BBC, die 101er hier jedoch von Adtranz – dazwischen lagen Welten auch der technischen Betrachtungsweisen und Ausführungen in praxi. Fazit: Die an sich bewährte Vorgehensweise brachte nichts, die Lok lief nach wie vor nur mit zwei Motoren. Und am Haken zwölf IC-Wagen! Und kurz hinter der Ausfahrt HBf ging’s bergauf in die Kurve des „Koblenzer Damms“… Abfahrt. Mühsam und schwerfällig schleppte sich die 101 voran – unglaublich, aber wahr: Sie schaffte es, den schweren Zug mit nur zwei Motoren voranzubringen; den Damm nahmen wir mit zackigen 20 km/h, dann ging’s in’s Gefälle und wir brachten den IC tatsächlich bis Köln-Süd auf rund 60 km/h. Bis kurz vor Bonn packten wir sogar die 130 km/h – erstaunlich, das mit halber Leistung! Ich will es kurz machen: Wir brachten den Zug mit „Hängen und Würgen“ nach Mannheim, wo wir ungefähr 40 Minuten zu spät ankamen. Ach ja: Die E 101 der Rückleistung nach Köln lief immerhin mit drei Motoren…!
Besuch an Bord Einige Monate später kam ich mit der E 101 von Münster über die eingleisige Rennbahn via Lünen nach Dortmund. Alles funktionierte, Software 35 werkelte momentan anstandslos, die Lok lief perfekt. Einzig die „Badezimmerakustik“ der Führerräume nervte auf Dauer; entlang der Rheinstrecke z.B. konnten sie ihren maximalen Dröhnfaktor bei 130 km/h voll entwickeln. Aber zurück nach Dortmund, wo ich planmäßig ankam, einige Minuten Standzeit verbrachte und weiter nach Köln HBf zu fahren hatte, über Bochum, Essen, Duisburg und Düsseldorf. Es klopfte an der rechten Seitentüre. Ich schaute raus, draußen stand ein Herr mit Krawatte und „Rotstrichkarte“ (Mitfahrberechtigung auf allen Tfz), die er mir entgegenhielt: „Guten Tag, Herr Lokführer! Ich bin von der Firma Adtranz und fahre mit bis Köln!“ Ich erwiderte höflich den Gruß, öffnete die Tür und lud den Herrn ein, auf dem Beimannsitz platzzunehmen, was er auch tat. Unterwegs, das heißt, kurz hinter den Ausfahrweichen Dortmunds, wollte er beginnen, mich zuzutexten, was die 101 doch für eine tolle Lok sei. Na ja, jetzt, wo sie meistens funktionierte, stimmte das zwar, doch hatte mich das Ding zu viele Nerven gekostet… In eine Atempause des Herrn setzte ich folgende Feststellung: „Ich habe einige Forschungen durchgeführt und herausbekommen, was der Name ‚Adtranz‘ auf Deutsch bedeutet!“ Erstaunter, wortloser Blick. Ich klärte ihn auf: „Adtranz ist eine lateinische Vokabel und bedeutet übersetzt ‚Störung‘. Und diesen Namen trägt die Firma zu recht. Erfahrungserkenntnis. Punkt.“ In Bochum, dem nächsten Haltebahnhof, stieg „Herr Adtranz“ aus; er hatte kein Wort mehr gesagt. Ja, ja, ich kann auch fies…
Zu Ehren des Bundeskanzlers In jener Zeit, die hier in Rede steht, regierte weiland Helmut Kohl, der füllige Mann aus Oggersheim, gelegen nahe Ludwigshafen. Ich hatte in Mannheim einen IC abgelöst, den ich nach Köln fahren sollte – mit E 101 davor. Es war in der Vor-Software-35-Ära, soll heißen: die Lok trickste mit allem, was die Elektronik hergab. Richtung Mannheim war’s mit der 101 problemlos verlaufen, weshalb zu erwarten stand, daß der heilige Siemens in Absprache mit der Elektronik der 101 ein Späßchen in der Hinterhand ausspielbereit hielt. Ablösung am angekommenen Intercity-Zug. Verdächtig: Der anbringende Kollege sagte, die Lok laufe einwandfrei, was stimmte: Souverän mit der ihr eigenen Bärenkraft zog sie kurz darauf den 13 Wagen umfassenden IC die in der Kurve liegende Steigung zur Rheinbrücke hinauf; sie wirkte völlig mühelos dabei. ‚Na, wird wohl langsam‘, dachte ich, während ich mit 70 km/h durch Ludwigshafen fuhr, hinter der Stadt im leichten Gefälle auf die zulässigen 130 km/h beschleunigte und kurz vor Oggersheim war, der Heimat unseres damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Plötzlich ein ziemlicher Ruck, Ausfall der Zugkraft, Hauptschalterauslösung, und die mit leichtem Berliner Akzent agierende Sprachausgabe sagte „Störung, Störung, Störung!“ Bildschirmabfrage. Dort stand unglaublicherweise wirklich zu lesen: „Fahrtrichtung unplausibel“. ‚Na, das mache ich dir plausibel‘, dachte ich wütend und hielt den IC in Oggersheim am Bahnsteig an, weil der Versuch, den Hauptschalter wieder einzuschalten, fehlgeschlagen war. Nach dem Anhalten Stromabnehmer nieder, Sifa aus, Batterie aus: Lok abrüsten und warten: Re-Initialisierung. Ich rauchte eine streßbedingte Zigarette, als über Zugtelephon der Zugführer wissen wollte, was los sei. Ich erwiderte scherzhaft, wir dürften doch den Wohnort unseres verehrten Bundeskanzlers nicht einfach so durchfahren, sondern müßten ihm zu Ehren anhalten. Bevor er die Herren mit den kleidsamen Zwangsjacken verständigte, klärte ich ihn sachlich auf. Auch über die fünf Minuten Ausschaltzustand, eine Maßnahme, die sich bei diversen ICE-Störungen bewährt hatte: Komplett abrüsten, fünf Minuten alles in Null, aufrüsten – meist funktionierte es dann wieder. Blick auf die Uhr: Zeit abgelaufen, aufrüsten. Hauptschalter ein – klappt! Eine Baugruppe nach der anderen wurde aktiviert, Luftpresser lief, die aktuelle Störungsanzeige war vom Bildschirm verschwunden. Der Zugführer, der zwischenzeitlich zur Lok gekommen war, fragte, wie es ausschaue. Gut, gab ich zurück, ich glaube, wir können loslegen. Abfahrauftrag, vorsichtig angetaktet, ja, das typische Surrgeräusch der freien Taktung, Lok zog an, die Taktfrequenz schaltete um, aus dem Surren wurde das unverkennbare Sirren … alles in Ordnung, die 101 fuhr, als sei nie was gewesen. Das blieb auch so bis Köln, ohne Beanstandungen absolvierte sie die Strecke. Meinem Ablöser sagte ich nichts von dem Oggersheimer Vorfall, um ihn vor Sorgen zu bewahren. Auf mein kurzes „alles in Ordnung“, meinte er allerdings: „Dann stimmt was nicht!“ Das wirft doch ein deutliches Licht auf die damalige Situation...
Zu hoher Oberstrom Es begab sich zur Zeit der schätzungsweise zwanzigsten Software-Variante. Ich war mal wieder mit E 101 und einem IC hintendran unterwegs nach Mannheim. Wiederum schönes Wetter, die Lok machte keine Zicken, meine Laune besserte sich, die Vorbehalte begannen peu á peu zu verblassen. ‚Sieht gut aus', dachte ich und genoß das wirklich vorzügliche Laufverhalten. An Stellen, wo mit 130 km/h gefahren wurde, schaukelte sich nach kurzer Zeit dieses schon erwähnte „Badezimmerakustikdröhngeräusch“ auf; das nervte und ich nahm mir vor, während des Haltes in Mainz HBf das ins Übergabebuch einzutragen. Verdammt noch mal, da hatten die Adtranz-Jungs die bewährte Konkurrenz ausgebootet, vermutlich mit Sparaktionen, zu denen auch die Schalldämmung der Führerräume zählte. Meine Laune rastete wieder auf dem Nullpunkt ein. Kurz vor den drei Tunnels der linken Rheinstrecke ließ ich den Zug zunächst leistungslos laufen, bremste dann leicht an, weil im Bereich der Tunnel Fahrleitungsarbeiten stattfanden, die ein „Hauptschalter aus“ und 60 km/h Höchstgeschwindigkeit erforderten. Na – wo war denn das Signal? Ah, jetzt: LF-Signal „6“, Indusi-Wachsam bedient, wieder leicht eingebremst, auslösen, Strich 65 km/h, die 5 km/h Rest machen Strecke und Rollwiderstand, Hauptschalter aus und „kullern“ lassen, Fahrleitungssignal „HS aus“ passiert, lieber ein bißchen früher ausschalten als einen Meter zu spät! Dann die Sprachausgabe: „Störung, Störung, Störung!“ Bildschirmabfrage – und was fand ich dort? „Oberstromwert zu groß“. Ah ja, völlig klar, bei HS aus und im Leerlauf…! Die Ausschaltstrecke war zu Ende, vorsichtshalber tippte ich „Stromabnehmer nieder“, wieder hoch, Taster „Hauptschalter“ nach „ein“ gedrückt – das dumpfe Schaltgeräusch und alles lief, als wäre nie was gewesen. (Und wenn ich mich richtig erinnere, gab es noch die Bedienungshandlung „Hauptschaltertaster in aus nach aus“ drücken, als Rückstellmaßnahme für die Elektronik. Kann aber sein, daß ich hier was verwechsele, weshalb ich das nicht als Behauptung einbringen kann und will. Lange her…)
So waren sie, die Anfangszeiten auf der E 101. Es dauerte ungefähr ein Jahr oder anderthalb (ganz genau weiß ich es nicht mehr), der Hersteller hatte sich bis zur Software Nr. 65 hochgearbeitet – und die E 101 machte praktisch keine Schwierigkeiten mehr. Anderthalb Jahre … früher wurden von einer neuen Loktype vier Vorausmodelle gebaut und zwei Jahre im Betrieb erprobt, unvermeidliche Kinderkrankheiten ausgemerzt. Diese Erprobung haben im Falle E 101 wir Lokführer gemacht, im planmäßigen Betrieb. Wundert sich noch jemand, daß meine Liebe zu Henningsdorfer Loks nicht völlig rein und glühend ist…?
Richtig Hauptschalter aus muss man Quittieren bevor man ihn wieder einschalten kann. Gibt genug Kollegen die fluchen wenn der Hauptschalter geflogen ist und nicht wieder einzuschalten ist weil man vergessen hat den Kipptaster Hauptschalter erst in AUS zu tasten um ihn anschließend wieder EIN zu tasten. Ich hatte demletzt auch so eine Auslösung... verursacht durch Unterspannung in der Fahrleitung. Da kommen einem zig Güterzüge auf der linken Rheinstrecke Richtung Mainz entgegen aber für den armen nach Köln fahrenden Zug bleibt kein Saft mehr übrig Es schwankte auch schön runter bis 12kV als ich wieder Strom hatte - ein Phänomen das mir so noch nicht unterkam. Aber was Störungen angeht sagen einem die Loks heutzutage sowieso alles, sogar die Überwachungsgeschwindigkeiten der PZB werden bei Bombardier Loks im Display (DMI) angezeigt. Hach wie schön ist es da auf der 139... die noch mit einem spricht - man muss ihr nur zuhören dann weiß man was ihr fehlt.
Viele Grüße Karl
Wir sind Eisenbahner, eine große Familie! Es ist egal, welche Farbe die Fahrzeuge haben solang wir auch alle zusammenhalten!
danke für die Erklärung! Hatte ich es also doch richtig behalten (HS aus in aus nach aus).
Waaaas? 12 kV auf der Rheinstrecke? Die Spannung stand früher betonstabil auf 16, mindestens aber 15 kV. Und da fuhren jede Menge Züge und ohne Stromrückspeisung. Ob der Mehdorn auch ein paar Unterwerke verkauft hat und die Rheinstrecke jetzt vom Ortsnetz St. Goar gespeist wird? (Witz!)
Auf 12 kV kamen wir zu meiner Zeit nur auf der Strecke zwischen Wesel und Emmerich runter. Die letzte Einspeisung war in Wesel, bis Emmerich ging's dann nach der Formel des Spannungsverlustes Uv:
2 x L x I ----------- K(appa) x A
Mit der E 103 in Emmerich aufschalten - jede zusätzliche Fahrstufe ließ die Spannung abfallen ... waren auch sportliche Übungen, haarscharf unter der Abschaltgrenze des Unterspannungsrelais (10,9 kV) zu bleiben.
Sach' mal, Du warst also wieder auf der Rheinstrecke unterwegs - alter Kilometerfresser! Frage: Du schreibst von der E 139. Zu meiner Zeit war das die Typennummer der E 140 mit E-Bremse. Ist sie das immer noch?
Jawohl, die 139 sind die 140er mit E-Bremse - oder langsame 110er
Wir haben auch aus 110ern umgebaute 139er, erkennbar am R-Behälter sowie dem Schlepphahn im Maschinenraum. Leider ist die Bremsstellung R blockiert. Vielleicht kennst Du ja noch die 110 213, das ist heute die 139 213. Aber immerhin sind diese Loks mehrlösig!
H0-Modellbahnforum.de - das Forum mit der Forumbahn!
»
Allgemeine Foren
»
Vorbild Allgemeines
»
Lokführererlebnisse
Thema drucken
07.03.2014 16:38
Antworten
