ZitatGepostet von puls200 -> Einmal anschieben bitte! Dieser Lokführer hat sicherlich auch einiges zu berichten.. (Ich verlinke das nur, weil es zum Thread-Titel passt).. Grüße Daniel
Hallo Daniel,
und daß er gegen etliche (wichtige und sinnvolle) Vorschriften verstoßen hat, sei nur nebenbei bemerkt: Reisende im Gleisbereich "aus dem Zug jagen" ... das hätte selbst zu meiner Zeit Zoff gegeben! (Diszi und so.)
ZitatGepostet von ET 420 Tja... Die lieben Kollegen... Wie man allerdings an genau dieser Stelle liegen bleiben kann... Wo nur 8m Draht ohne Strom sind... Bleibt vielen ein Rätsel.
...was, nur acht Meter??? Na, das muß ja ein Superkünstler in Sachen Bremstechnik gewesen sein, vielleicht so einer, den wir "Schiffschaukelbremser" genannt hätten...
Warum übrigens diese Trennstellen? Die ÖBB fährt doch das gleiche System wie die DB! Hat das was mit Stromkostenberechnungen oder -verrechnungen zu tun? Einen anderen Sinn kann ich ad hoc nicht erkennen.
Der Hintergrund dieser Trennstellen ist die Phasenverschiebung. Die Netze von ÖBB und DB sind nicht synchronisiert. Ausserdem ist so natürlich kein Land benachteiligt wenns denn mal einen Stromausfall geben sollte, bis zur Grenze kommt man in der Regel immer Die Schutzstrecke Kufstein ist wie auch die Schutzstrecke Salzburg eine kurze, keine lange mehr. Nicht zu vergleichen mit der Schutzstrecke Mainz-Bischofsheim.
Ausserdem kommt man auch bei Halt erwarten bzw. "Vorsicht!" Stellung des Vorsignals hinter der jeweiligen Streckentrennung IMMER unter Draht vor dem nächsten Hauptsignal zum halten. So blöd sind die Österreicher ja schließlich auch nicht
Viele Grüße Karl
Wir sind Eisenbahner, eine große Familie! Es ist egal, welche Farbe die Fahrzeuge haben solang wir auch alle zusammenhalten!
die kurzen Schutzstrecken scheint man von der DR abgeschaut zu haben. Waren und sind in dem Streckennetz häufig zu finden, grade um Berlin herum extrem häufig. Hatte im Netz der DR mit der dezentralen Einspeisung zutun, die oft von Synchro-Synchron Umformern aus dem Landesenergienetz bewerkstelligt wurde. Die Reichsbahn hatte ja nur ein Bahnstromkraftwerk, Muldenstein, zur Verfügung gehabt. Die anderen Kraftwerke hatten m.w. ja keine Bahnstromgeneratorsätze besessen.
Aber es liest sich wiederum wie Mainz-Bischhofsheim! Schutzstrecke im Bremswegabstand Vorsignal - Hauptsignal!!! Dennoch eine Glanzleistung, genau in der 8m - Schutzstrecke zum stehen zukommen.
Die Kommentare von Usern zu dem Beitrag, wegen der "unkomplizierten" Lösung der Angelegenheit, kann ich absolut nicht verstehen. Die Gefahren, die da zugegen sind, das ist kein gesunder Menschenverstand mehr. Ich kann da als Eisenbahner nur den Kopf schütteln. Diesem Tf gehört für sein Handeln die Lizenz entzogen. Was hier auch noch auffällt, es ist die Bahn!!! Nur selten als Meridian bezeichnet. Alles Schlechte ist immer die BAHN!!!
Naja, diese Gesellschaft hat in meinen Augen sowieso einen extrem eingeschränkten Horizont entwickelt...
die kurzen Schutzstrecken scheint man von der DR abgeschaut zu haben. Waren und sind in dem Streckennetz häufig zu finden, grade um Berlin herum extrem häufig. Hatte im Netz der DR mit der dezentralen Einspeisung zutun, die oft von Synchro-Synchron Umformern aus dem Landesenergienetz bewerkstelligt wurde. Die Reichsbahn hatte ja nur ein Bahnstromkraftwerk, Muldenstein, zur Verfügung gehabt. Die anderen Kraftwerke hatten m.w. ja keine Bahnstromgeneratorsätze besessen.
Aber es liest sich wiederum wie Mainz-Bischhofsheim! Schutzstrecke im Bremswegabstand Vorsignal - Hauptsignal!!! Dennoch eine Glanzleistung, genau in der 8m - Schutzstrecke zum stehen zukommen.
Die Kommentare von Usern zu dem Beitrag, wegen der "unkomplizierten" Lösung der Angelegenheit, kann ich absolut nicht verstehen. Die Gefahren, die da zugegen sind, das ist kein gesunder Menschenverstand mehr. Ich kann da als Eisenbahner nur den Kopf schütteln. Diesem Tf gehört für sein Handeln die Lizenz entzogen. Was hier auch noch auffällt, es ist die Bahn!!! Nur selten als Meridian bezeichnet. Alles Schlechte ist immer die BAHN!!!
Naja, diese Gesellschaft hat in meinen Augen sowieso einen extrem eingeschränkten Horizont entwickelt...
Gruß Micha
Hallo Micha,
tja, das war ein genialer Bremsexperte... Und eigentlich unglaublich, die Fahrgäste "in den Schotter" zu jagen, um den Zug wegzuschieben! Ich glaubte zuerst, es handele sich um eine Satire. Doch meine Fußzeile (Bei Gott und der Bahn...) scheint ihre Aktualität nicht verloren zu haben.
Bezüglich der Schutzstrecken: Es sind ja etliche ehemalige DR-Kollegen in westliche Gefilde gekommen und haben dort ihre "Fingerabdrücke" hinterlassen, wie z.B. die Bezeichnung "PZB". Denkbar, daß die bei der DR wohl bewährte Technik mit den Schutzstrecken hier übernommen wurde.
"Extrem eingeschränkter Horizont..." Da sind wir wieder mal bei dem uralten Filmklassiker "Die Feuerzangenbowle", wo Professor Kray sagt: "Pfeiffer, Se werden emmer dömmer!"
Und ehe ich's wieder vergesse: Deine Definition "selbstverladendendes Gefahrgut" wird gewiß auch ein Klassiker! Hab' mich vor Lachen hingesetzt...
weil’s so schön ist, möchte ich noch eine „Miniserie“ mit Erlebnissen rund um den B-Gruppenleiter X. nachlegen. Auch hier werden Begebenheiten zur Sprache kommen, die eigentlich gar nicht zu glauben sind – dennoch geschahen sie genau so, und zwar recht lange vor den bereits geschilderten Ereignissen (Zugnamen, Radiergummi)…
Auf der Nebenbahn, Teil 1
In der Rolle des Opfers… Das Jahr 1982 brachte aus meiner damaligen Sicht einen herben beruflichen Rückschlag: In jener Zeit wechselten die Dienststellenleiter sehr häufig, weshalb ich mich hier nicht festlegen will, unter wessen „Regierung“ es geschah, daß unser renommiertes IC- und Schnellzug-BW plötzlich mit den Reisezügen auf der Nebenbahn Köln > Overath > Dieringhausen > Gummersbach > Brügge/Westf. konfrontiert wurde. Da griff eines ins andere; das alte BW Köln-Nippes hatte man recht plötzlich aufgelöst und die dort stationierten Loks (260/61, 211/12 und 215) wurden nach Deutzerfeld umbeheimatet. Weil die Besoldungsklasse der Dienststellenleitung mit der Personalzahl, den stationierten Fahrzeugen sowie den anfallenden Zugleistungen zusammenhing, griff der „Alte“ zu mit dem Argument: „Wenn die Loks bei mir stationiert sind, will ich auch die Züge fahren!“ Ja, ja – er mußte sie nicht fahren, sondern wir, die Lokführer.
Als der Plan ruchbar wurde, griff bei den altersmäßig betroffenen Lokführern – und ich zählte dazu – einiger Unmut um sich. Wir waren von Anfang an (Sommerfahrplan 1979) beim neuen IC-Blockzugsystem dabeigewesen, hatten mit großem persönlichen Einsatz geholfen, den Laden am Laufen zu halten (es gab anfänglich bundesweit ganze drei Ersatzwaggons!) – und als „Dankeschön“ schob man uns auf die Nebenbahn ab. So sahen wir das, wenn auch vielleicht nicht ganz richtig, doch in jungen Jahren besteht nun mal ein gewisser Ehrgeiz und ich für meinen Teil kam mir irgendwie exkommuniziert vor, fühlte mich in der Rolle des Opfers…
Mitten in der Fahrplanperiode Winter 1981/82 wurden die Zugleistungen nach dem Mixquirl-Prinzip neu sortiert und gemeinsam mit zehn weiteren Kollegen durfte der liebe Kurt die Kenntnisse zur Diesellok V 215 reanimieren. Sicher, wir hatten dieses Fahrzeug während der Lokführerausbildung buchstäblich bis zur letzten Schraube studiert (siehe Bundesbahnschulen-Geschichten weiter oben), es war eine gute Lok mit erstklassigen Fahreigenschaften, sie vermittelte perfektes Bremsgefühl – zugegeben, all das war absolut in Ordnung, nur störten uns einige Fakten wie „von 10.000 PS runter auf 1900“, „statt ICs und Schnellzüge nur noch fiepelige Nahverkehrsspielzeuge fahren“, „immer dieselbe Strecke, langweilig“. Als schlimmster Posten stand allerdings die entsetzlich komplizierte und störanfällige Hagenuk-Dampfheizung auf unserer Haßliste; Winterbetrieb im Reisezugdienst mit Dampfheizung war – nicht nur aus meiner Sicht – der blanke Horror, denn irgendwas ging immer schief, besonders, wenn in eisigen Nächten „Warmhalten“ angesagt war. Wegen der technischen Kompliziertheit der Heizung mußte man zu ihrer Bedienung eine sogenannte Kesselwärterprüfung ablegen, die, wenn man nicht mit dem Apparat in Berührung kam, jedes halbe Jahr erneut fällig war. Daß ich dem Hersteller des Monsters eigentlich dankbar sein müßte, weil eben wegen dieser Heizung meine vorzeitige „Erlösung“ vom Nebenbahnbetrieb vonstatten ging, erzähle ich vorgangsweise später.
Man strickte mit heißer Nadel einen Dienstplan zusammen, dem auch ich einverleibt wurde, ich, der passionierte Sonderdienstler. Doch bevor der Plan ans Laufen kam, erhielten wir die erforderliche Einweisung auf V 215 und Dampfheizung, denn wir hatten beides mehr als ein Jahr lang nicht gefahren bzw. ein halbes nicht bedient. Wie gesagt, hatten wir die 215 studiert, doch das war etwa zehn Jahre her, kein Mensch hätte gedacht, jemals wieder mit Dieselbetrieb konfrontiert zu werden – in einem Ellok-BW! Und die Loks waren in diesen zehn Jahren innen wie außen optisch heruntergekommen, schwarze Schmiere allenthalben, traurig. Eine positive Ausnahme bildeten die Maschinen des BW Trier, die kamen top gepflegt daher, liefen aber nur auf der Eifelstrecke und nicht bei uns auf der „Gummibahn“, wie wir die Strecke über Gummersbach nach Brügge/Westf. despektierlich bezeichneten.
Einweisung V 215 An einem unvergeßlichen Tag im Januar 1982 trafen wir uns im Aufenthaltsraum, drei Lokführer, die sich degradiert fühlten. Herr X. würde gleich mit der Einweisung beginnen und wir nahmen uns vor, uns so renitent und blöd wie möglich anzustellen. Der X. sollte kein leichtes Spiel haben! Wechelten auch die Dienststellenleiter häufig, blieb als feste Größe im Chaos der chaotische B-Gruppenleiter X. bestehen. Er, als vormaliger Chef eines Nebenbahn-BWs und dortselbst prüfungsberechtigter Amtsrat für V 100 und 215, würde uns unter seine Fittiche nehmen und antreten, Punkt für Punkt die V 215 zu erklären, die 215, das unbekannt gewordene Wesen… Wir drei waren übel gelaunt, beschlossen jedoch festen Zusammenhalt: Dem Schrecken furchtlos ins Auge sehen!
„Guten Morgen, meine Herren!“, grüßte X. uns zackig und strahlend wie ein Weihnachtsbaum: er konnte zeigen, was er alles wußte. Wir erwiderten den Gruß lahm und lustlos, was seine strahlende Laune dämpfte. Wir gingen vom im ersten Stock gelegenen Aufenthaltsraum runter, wo vor der Lokleitung auf dem dortigen Abstellgleis eine V 215 der Betrachtung harrte. „So, dann gehen wir erstmal um die Lok, außenliegende Bauteile, Drehgestelle und so weiter…“, begann X. Nun eröffnete ich das Störfeuer: „Lok? Ich sehe keine Lok.“ X., ärgerlich: „Sie stehen doch genau davor!“ „Ist keine Lok“, gab ich zurück, „eine Lok hat immer zwei Stromabnehmer, außer in der Schweiz, da gibt’s zumindest bei der BLS…“ „Donnerwetter nochmal!“, fuhr mir X. in die Parade. „Machen Sie doch keine faulen Witze!“ „Faul? Stinkt hier was?“ Kollege G. schnüffelte und bemühte sich, so dumm wie möglich zu gucken. „Alles stinkt hier“, assistierte Kollege M. „Also bitte…“ X. wirkte unglücklich, machte mit uns im Schlepptau den Rundgang um die Lok, bei dem wir seinen wiederholten Aufforderungen zum Trotz keine Fragen stellten. Endlich – es war kalt – kletterten wir auf bzw. in die Lok. Der obligatorische Gang durchs Fahrzeug: Art, Lage und Funktion der Bauteile. „Das, meine Herren, ist der Dieselmotor“, erklärte X. überflüssigerweise, denn einen Motor konnte man schlecht übersehen oder mit einer Anlaßlichtmaschine verwechseln. Zeit für blöde Bemerkungen: „Der Dieselmotor? Boh ey, dieser häßliche Eisenklumpen?“ Kollege M. schaute aus der Wäsche wie Donald Duck nach einem Nasenstüber. „Guck‘ mal, die Pinkelkiste gibt’s immer noch“, sagte G. und grinste sardonisch. „Überflüssigerweise“, assistierte ich, „die ganze Karre sollte man bep…“ Vorbei am Getriebe und der darüber liegenden Lüfteranlage – die Hydrostatik bekam X. nicht mehr zusammen, deshalb erläuterte M. die Funktion, was den B-Leiter so richtig fuchste – gelangten wir zur Heizungsanlage und dem nahebei montierten, rundum zugänglichen, wärmeisolierten 3000-Liter-Speisewasserbehälter. Hinter dem verschwand G. und kurz darauf hörten wir rhythmische Schläge mit flacher Hand an die Isolation, dazu eine Textpassage aus „Preßlufthammer-Bernhard“ von der Gruppe „Torfrock“, die G. modifizierte: „Rabababong, rabababong, ab ist der Waggon!“ (Original: Radadazong … weg ist der Balkon.) „Herr G.!“, rief der Gruppenleiter verärgert. Dieser kam mit treudoofer Miene hinter dem Behälter vor und beschwerte sich: „Also Herr X., so geht’s nicht! Ich bin Künstler und leite eine Rock-Band, gerade habe ich eine Version des berühmten Torfrock-Songs geübt…“ (Heute nennt man das „covern“.) X., verwirrt: „Ja, ja, das ist sehr interessant, aber jetzt müssen wir uns wieder der V 215 widmen…“ Umständlich und verpuselt erklärte X. die umständliche und verpuselte Dampfheizanlage – ich gebe unumwunden zu, daß dieses Ding für mich das berühmte rote Tuch war. Zugegebenermaßen stellte es eine große technische Leistung dar, auf engstem Raum (etwa Doppelspindgröße) einen Dampferzeuger zu realisieren, dessen Leistung ausreichte, mehr als zehn Reisezugwagen mit Heizenergie zu versorgen; wenn ich mich recht entsinne, rechnet man elektrisch mit 70 kW pro Waggon – höchst beachtlich, was die Hagenuk-Heizung zustande brachte. Die in zahllosen Windungen im Kessel schamottiert verlegte Rohrschlange wurde von einem vertikal wirkenden Brenner erhitzt, der die Flamme von oben nach unten rund anderthalb Meter weit in den Brennraum blies. Wegen der kompakten Bauweise bei hoher Leistung waren sämtliche Teile stark belastet, entsprechend pflegebedürftig und empfindlich. Hoch- und Runterfahren des Kessels war ein Drahtseilakt und erforderte zahllose Bedienungshandlungen. Das Speisewasser, mitgeführt im erwähnten 3000-Liter-Behälter, mußte je nach Befüllungsort (lokale Wasserzusammensetzung) „dosiert“, d.h., eine bestimmte Menge und Mischung ablageverhindernder Chemikalien beigefügt werden, die an jeder Wasserfüllstelle mit entsprechenden Tabellen und Behältnissen zum Dosieren vorrätig waren. Vergaß man dies, oder machte was falsch, setzte sich die sensible Rohrschlange rasch zu und die Heizung war erstmal defekt und mußte im BW behandelt („durchgesäuert“) werden. Um kostspielige Schäden möglichst zu vermeiden, besaß die Hagenuk-Heizung zahlreiche Überwachungseinrichtungen, von denen die optoelektrische Flammenüberwachung jedem Hausbesitzer mit Ölheizung vertraut sein dürfte. Doch es waren ihrer noch viel, viel mehr – und wie so oft, gaben die Überwachungsorgane öfter den Geist auf als die zu überwachenden Baugruppen. Ich will’s nicht unnötig ausdehnen, doch muß noch erwähnt sein: Eine V 215 enthielt soviel Technik unterschiedlichster Provenienz, daß einem schwindlig werden konnte. Die Vernetzung des Ganzen erstaunte. So diente z.B. die Wasserfüllung des Speisewasserbehälters nicht nur der Dampferzeugung zur Zugheizung, sondern auch (im Winter) der Warmhaltung des Motorkühlwassers. Während der Fahrt wurde via Heizschlange (im wärmeisolierten Speisewasserbehälter) und etlichen Wärmetauschern sowie ggf. Direktheizung das Speisewasser erwärmt und diente bei längeren Pausen – abermals mittels Wärmetauschern – der Warmhaltung des Kühlwassers. Schmierölumwälzpumpe, Kesselkreispumpe … ich habe vieles vergessen. Der Fahrdiesel der V 215 durfte bei Kühlwassertemperaturen < 40° C nicht gestartet werden. Wurde diese Temperatur unterschritten, heulte außen an der Lok die Frostschutzhupe los und alarmierte das (hoffentlich in Hörweite befindliche) Personal. Dann hieß es, HiDi starten, den Hagenuk-Kessel in Gang bringen und zuvor diese Hupe mit dem zuständigen Taster ruhigstellen. Damit soll es genug der Grundlagen sein – ich wollte lediglich stichwortartig aufzeigen, mit welch einer Menge arbeitsintensiver Technik der V-215-Lokführer sich gerade im Winter und im Reisezug konfrontiert sah. Dieselsprit tanken, Motoröl nachsehen/nachfüllen, Kraftübertragungsöl (das mit dem Marzipangeruch) nachsehen/nachfüllen, Getriebeöl nachsehen/nachfüllen, Heizöl tanken, Wasser nehmen und dosieren … ein Rattenschwanz an Arbeit, der einen die Ellok so richtig lieben lehrte…
Gnadenloses Urteil Im Laufe des Einweisungstages riefen wir uns all diese Dinge wieder ins Bewußtsein, denn ab morgen hieß es Streckenkunde fahren und anschließend selbständig mit der vielfältigen Technik unterwegs sein – Reisezüge, im Winter, mit dieser Dampfheizung… So unbedarft wir uns auch anstellten, lautete das gnadenlose Urteil schlußendlich: Diesellok fahren. Und ein anderer „Betriebsheiliger“ war zu berücksichtigen: Der Schutzpatron der Diesellokführer, der heilige Sankt Voith. Aber das nur nebenbei, weil ich ihn im Laufe meines gottlob kurzen Gastspiels auf der „Gummibahn“ mehrmals anrufen mußte…
so, jetzt wollen wir mal schauen, welche Begebenheiten auf der „Gummibahn“ mir noch einfallen, kommen wir also zu
Nebenbahngeschichten, Teil 2
Streckenkunde, Besonderheiten und erste Alleinfahrt Es war damals tatsächlich einiges los auf der 90 Kilometer langen Strecke von Köln nach Brügge in Westfalen. Bis Brügge fuhren nicht alle Züge durch; den betrieblichen Dreh- und Angelpunkt bildete der Abschnitt von Köln über Dieringhausen – wo das ehemalige BW der Nebenbahn lag – bis Gummersbach. Es scheint zwischen einigen Unterwegsbahnhöfen industrielle oder sonstige Schwerpunkte gegeben zu haben, denn werktags außer Samstag fuhr der erste Zug von Engelskirchen (ab 4:58 Uhr) nach Gummersbach (an 5:31 Uhr) – 33 Minuten Fahrzeit für 18 Kilometer. Der erste komplett durchgehende Zug startete werktags um 7:09 Uhr in Köln HBf und erreichte Brügge um 9:04 Uhr, also nach einer Stunde und fünfundfünzig Minuten Fahrzeit für 90 Kilometer, das ergab, überschlägig gerechnet, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 50 km/h, was aber angesichts der 16 Unterwegshalte gar nicht so unflott war. Wäre die Strecke elektrifiziert gewesen, hätte man vom „Ruhige-Kugel-Schieben“ sprechen können, doch die komplizierte Diesellok mit ihrer störfreudigen Heizungsanlage machte aus dem im Grunde ruhigen Job echten Streß.
Die Streckenkundefahrten gestalteten sich kommod; obwohl für unsere Begriffe eine Nebenbahn, verfügte die Strecke über das übliche Signalsystem, also nicht diese Umstände mit Trapeztafeln und überhaupt VZB-Betrieb. Es gab sogar einen recht langen Tunnel – ich weiß nicht mehr genau, an welcher Stelle –, der mit einigen Begebenheiten in Zusammenhang gebracht wurde. Drei Dieringhausener Kollegen erzählten mir im Kern übereinstimmend die Story mit den beiden V 100 vor einem Güterzug, Plan- und Vorspannlok. Auf den Loks waren zwei Kollegen, die sich nicht leiden konnten. Der Führer der Vorspannlok jedenfalls beobachtete, daß sein persönlicher Feind auf der nachfolgenden Lok kurz vor dem Tunnel aus irgendwelchen Gründen seitlich im Fenster hing und Drohgebärden machte von wegen „fahr schneller, du Penner!“ Mitten im nachtschwarzen Tunnel nahm der Vorspannlokführer den auf dem Fahrzeug befindlichen groben Reiserbesen und ließ ihn während der Fahrt an der Tunnelwand entlangschrubben – das geschah übrigens kurz nach Ende des Dampfbetriebes…! Sein mißliebiger Kollege auf der Planlok muß danach ausgesehen haben wie ein besonders intensiv pigmentierter Afrikaner…
Vorkommnisse und deren lokale Zuordnung erleichterten mir immer die Streckenkunde; die „Gummibahn“ war markant in ihrer Streckenführung und den Bahnhöfen sowie Haltepunkten. Die moderate Höchstgeschwindigkeit ließ bremstechnische Schwierigkeiten kaum zu – und wurde es mal eng, zeigte sich die enorme Bremsleistung der V 215 stets hilfreich. Im Grunde ein sympathisches, romantisches Bähnchen … wenn halt diese Dampfheizung und die grundsätzliche arbeitsintensive Kompliziertheit der Lok nicht gewesen wäre. Wären wir mit E 110 oder 111 gefahren, hätte ich mich wahrscheinlich mit meinem „Schicksal“, dort unterwegs sein zu müssen, anfreunden können. Romantisch auch die zahlreichen Pfeiftafeln, welche Gelegenheit boten, die beeindruckend mächtige Zweiklanghupe der Lok betätigen zu können: Obwohl der hohe Ton für die DB und der tiefe für ausländische Bahnen vorgesehen war, gewann der Spieltrieb die Oberhand und es wurde demonstrativ mit Zweiklang gepfiffen – „gehornt“, wie wir scherzten.
Kaum machte irgendwas Spaß, gab’s gleich wieder einen Dämpfer. Während einer Streckenkundefahrt zeigte der bereits im neuen Plan fahrende Kollege im Bahnhof Overath auf eine barackenartige Baulichkeit und verriet mir, daß es sich um das Übernachtungsgebäude handele. Ich bekam einen dicken Hals: Übernachtung – mal gerade 28 Kilometer von der Heimatdienststelle entfernt…! Ja, sagte er, abends der vorletzte und morgens der erste Zug nach und von Overath. Und mit dem Frühzug müsse noch umgesetzt werden, weil der aus Gleisbelegungsgründen nicht am Bahnsteig abgestellt werden könne und daher morgens zunächst dorthin rangiert würde. Meine Begeisterung wuchs mit jeder Minute…
Dann zeigte ich Mut und Einsatzwillen und fuhr zum krönenden Abschluß der Streckenkunde – die über mehr als drei Tage auszudehnen mir die Chuzpe fehlte – nochmal komplett durch von Köln HBf bis Brügge in Westfalen. Ich fuhr auf eigenen Wunsch selbst, der Kollege machte den streckenkundigen Lotsen, doch ich stellte fest, daß ich mich auf meine Erinnerungsbilder und „Streckenfilme im Kopf“ bereits verlassen konnte. Es lief auch alles gut bis zum Zielbahnhof … doch es war Winter und die Heizung forderte Einsatz: Wir mußten in Brügge Wasser nehmen. Wieder zwei Gründe zum Ärgern: 1) stand in der Betriebsanleitung was von einem Verbrauch von 70 Litern Wasser je Stunde und Waggon. Der Zug besaß vier Wagen (Silberlinge und vierachsige Umbauwagen, die grünen), er hätte nach Adam Riese während den zwei Stunden Fahrzeit 2 x 4 x 70 Liter = 560 Liter verdampfen müssen – der 3000-Liter-Behälter, bei Abfahrt Köln-Betriebsbahnhof voll bis zum Stehkragen, war aber mehr als zur Hälfte „runtergefahren“, das Zügerl hatte etwa 1500 Liter „geschlürft“ … der berühmte Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Der Punkt 2) des Ärgerpotentials folgte auf dem Fuß: Speisewasser wurde normalerweise mit einem feuerwehrartigen Schlauch mit Bajonettverschluß über den Anschluß am Lokrahmen genommen, wobei dank der hohen Förderleistung der Behälter rasch gefüllt wurde. In Brügge jedoch fehlte diese Einrichtung. Statt dessen wurde es mal wieder romantisch: Vor dem Umsetzen ans andere Zugende mit der Lok neben das Stellwerk fahren. In ungefähr Erdbodenhöhe gab es ein Fenster, durch das man auf einen innen im Raum stehenden Tisch und von diesem über einen „zwischengeschalteten“ Stuhl auf den Fußboden klettern konnte. Dort lag ein gewöhnlicher Gartenschlauch, dessen Vorderende man in weiteren akrobatischen Aktionen über Tisch und Fenster nach draußen ziehen mußte – weit genug, Meter um Meter geben. Dann rauf auf die Lok, eine der Lüftungsjalousien von Hand aufgedrückt und verriegelt, runter von der Lok, den Schlauch durch die Jalousienlamellen gefriemelt, bis er halbwegs hielt, rauf auf die Lok, Schlauch weiter durchgezogen bis zum Speisewasserbehälter, dessen oberen Verschluß geöffnet (für Leute unter 1,80 Meter eine Tortur), Schlauchende in den Behälter gehängt, Jalousie entriegelt, damit sie den Schlauch festhielt, runter von der Lok, durchs Fenster und über den Tisch in den Stellwerkskeller, Wasserhahn aufdrehen – und hoffen, daß der „vor sich hin pinkelnde“ Schlauch wenigstens genügend Wasser nachfüllte, um damit ans Ziel zu kommen. Dabei war die Füllzeit begrenzt, ich erinnere mich an etwa 20 Minuten, dann mußte man wieder an den Zug fahren, Bremsprobe und so weiter. Selbst wenn’s 30 Minuten gewesen sein sollten, war das alles viel zu knapp – von den schlicht unzumutbaren artistischen Einlagen mal abgesehen. Aussage unseres Herrn X dazu.: „Das war schon immer so und da kann man nichts ändern!“ – Mein Kommentar lautete á la Loriot: „Ach was?!“
Der erste Dienst im neuen Dienstplan – ab sofort sollte ich für „ewig und drei Tage“ diese maximal 90 Kilometer hin- und herfahren. Sehr motivierend… Zumindest hatte ich Glück und begann mit jener Schicht, die den freudestrahlenden Lokführer über die gesamte Strecke bis nach Brügge führte: V3 in Köln HBf (Dienstbeginn 6:52 Uhr, ablösen um 7:05 Uhr am Zuge, (Abfahrt 7:09 Uhr), N 6405 bis Brügge, Ankunft dortselbst um 9:05 Uhr, Lok abhängen – Achtung: heiße Dampfkupplung! – drumherum fahren, Lok anhängen , doch zuvor Zwischenhalt am Stellwerk, akrobatische Einlage zwecks Speisewasserergänzung. N 6418 ab Brügge 9:44 Uhr (hier wird jetzt auch die Zeit deutlich, die fürs Wassernehmen zur Verfügung stand), Köln HBf an 11:42 Uhr, A3. Kurze Pause mit Zeit zum Mittagessen (bis zur Kantine waren’s nur ein paar Schritte), das mir aber nicht so richtig schmecken wollte, weil mehrere Stunden auf und in der V 215 zum „Dieselmüffelgeruch“ der Kleidung führte. Zweiter Teil der Schicht: Ablösen 6413 um 12:17 Uhr, fahren bis Dieringhausen (an 13:31 Uhr), Übergabe an Ablöser. Übernahme 6426 mit V3 um 14:27 am Bahnsteig (klar, die längere Pause dort, wo es keine Kantine gab…), fahren bis Köln HBf, Ankunft 15:39, A3, Feierabend um 15:52 Uhr. Dieses war, wie ich später feststellte, die schönste Dienstschicht, weil sie relativ glatt und ohne Hexereien verlief. Bei fast allen anderen gab’s Vor- und Abschlußdienste mit Tanken et cetera, wie ich es weiter oben beschrieben habe. Und ich hatte insofern Glück, als bei meiner ersten Alleinfahrt mir außer in Brügge stets komplett vorbereitete Loks (Speisewasser, Sprit) übergeben wurden, ich daher mit den leidigen Ergänzungen der Betriebsstoffe nichts zu tun gehabt hatte. Doch es sollte dicker kommen, logisch: Irgendwer mußte ja irgendwo irgendwann das alles regeln – folgerichtig traf es auch mich immer wieder.
Es verging einige Zeit, in der ich sowohl das Glück hatte, die Übernachtung in Overath machen zu dürfen, als auch der Tag kam, an dem ich für „Gefrierfleisch“ im Zuge sorgte – unbeabsichtigt, ungewollt; der heilige Sankt Voith glaubte, sich mit mir Späßchen erlauben zu müssen, denn der kalte Winter 1981/82 bot ihm gar manche Gelegenheit. Dies und anderes mehr demnächst in diesem Theater…
zugegeben: Wenn ich mir vorstelle, wie der Mann auf der zweiten Lok nach der Besenaktion ausgesehen hat, packt auch mich das Lachen... Aber nein, nie... (feix, grins)
So, jetzt muß ich mir mal überlegen, wie ich das nächste Nebenbahndrama rüberbringe. Die lange, vergangene Zeit (immerhin ziemlich genau 32 Jahre!), verwischt zuweilen das eine oder andere Detail. Dennoch sehe ich das meiste wie einen Farbfilm vor mir und genaue Daten (Zugnummern, Fahrzeiten) kann ich dem vorliegenden Kursbuch Winter 1981/82, KBS 415, entnehmen. An zwei Dienste erinnere ich mich noch exakt, weshalb ich die erzählen werde.
Leider bin ich nicht mehr in der Lage, sämtliche Zusammenhänge von Warmhaltebetrieb und schaltungstechnischen Einzelheiten der V 215 darzustellen - dafür war das alles viel zu komplex und ist zu lange her. Und leider habe ich mich vor etlichen Jahren von den Betriebsanleitungen und Beschreibungen der Lok getrennt: "Brauch' ich doch nie mehr...!" Hätte ich gewußt, daß ich eines Tages hier im Forum...
freut mich ehrlich, daß die Story dich zum Lachen brachte! Es wird viel zu wenig gelacht - und dabei ist Lachen die fürchterlichste Waffe, die der Mensch besitzt. (Sagte, wenn ich mich nicht irre, Mark Twain. Recht hatte er!)
kaum zu glauben, aber wahr: Einen Sicherheitsingenieur bekamen wir erst um 1990 herum! Bis dahin waren die örtlichen Dienststellenleiter verantwortlich. In Brügge zog sich der Bahnhofschef mit dem Argument "Für Lokomotiven bin ich nicht zuständig" aus der Affäre.
Bevor wir uns müde argumentierten, sind wir halt in den Keller runtergeklettert. Aber wir "zwangsverdieselten" Deutzerfelder haben die Sache auf unsere Art geregelt - warte mal die restlichen Geschichten ab...
ZitatGepostet von Oldie_Kurt Aber wir "zwangsverdieselten" Deutzerfelder haben die Sache auf unsere Art geregelt - warte mal die restlichen Geschichten ab...
Na bumm - da seh ich ja schon was auf uns zukommen. Bin schon sehr gespannt.
kaum zu glauben, aber wahr: Einen Sicherheitsingenieur bekamen wir erst um 1990 herum! Bis dahin waren die örtlichen Dienststellenleiter verantwortlich. In Brügge zog sich der Bahnhofschef mit dem Argument "Für Lokomotiven bin ich nicht zuständig" aus der Affäre.
Bevor wir uns müde argumentierten, sind wir halt in den Keller runtergeklettert. Aber wir "zwangsverdieselten" Deutzerfelder haben die Sache auf unsere Art geregelt - warte mal die restlichen Geschichten ab...
Beste Grüße: Kurt
Hallo Kurt,
dass ist doch die Gelegenheit, mal etwas zu spekulieren.
Was hätte der geneigte Leser gemacht, um so eine Situation zu verbessern ? Also nicht durch ein Kellerloch klettern müssen und dann über Tisch und Stuhl, um einen Anschluß hin zu bekommen ? Der Chef (Bahnhofsvorstand) erklärt sich ja für nicht zuständig.
Also, erstmal hat der Chef auch Vorgesetzte. Aber das wäre zu einfach.
Dann gibt es noch die Möglichkeit, jemanden theatermäßig auszustaffieren. Mit Verbänden, angeschminkten Blutergüssen und Ähnlichem. Und diesen armen, kranken Mann dem Chef als Verletzten zu präsentieren, der grade mit der wackligen Konstruktion zusammengebrochen ist.
Wir können uns aber auch an die gute alte "Feuerzangenbowle" mit Heinz Rümann erinnern. Die Alkoholprobe ("aber nur ein winziges Schlöckchen!"). Die Schüler mimen die Betrunkenen, die reichlich gaga sind.
Da müsste also jemand her, der die Rolle des Verletzten spielt und einen auf etwas irre macht. Der könnte behaupten, vom Stuhl gefallen zu sein und sich den Kopf gerummst zu haben. Folge: etwas verrückt. Das gäbe für jeden Vorgesetzten einen Mordsschrecken.
Weitere Ideen ?
An Kurt: bitte etwas mit der Lösung des Rätsels warten, vielleicht gibt es noch andere kreative Vorschläge.
in der Tat haben wir an die Inszenierung eines (simulierten) Unfalls gedacht! Doch das hätte, falls der Bahnarzt eingeschaltet worden wäre, üble Folgen zeitigen können. Der unsere hätte vermutlich mitgespielt, da jedoch Brügge zur Direktion Essen gehörte, wäre unser "Verunfallter" zu dem dort zuständigen Doc geschickt worden - und wir wußten nicht, wes Geistes Kind der war.
Unsere "Methode" lief risikolos ab; es dauerte zwar länger, funktionierte am Ende aber.
Kühltransport im Nahverkehr… Der Winter 1981/82 war so richtig sibirisch, wochenlang satte Minustemperaturen, sporadisch immer wieder Schneefall. Und ich armer Hund hing auf der „Gummibahn“ fest, schaute den „großen“ Zügen hinterher, den Schnellzügen und ICs, wenn ich im Kölner Hauptbahnhof stand und auf meinen Nebenbahnzug wartete, den ich übernehmen mußte. Angesichts der Außentemperaturen dachte ich wehmütig an die simple Aktivierung der Zugheizung (gleichzeitig Zugsammelschiene) auf der Ellok: Bei der E 110 die Spannung wählen (1000 Volt) und Taste „ein“ bedienen; bei neueren Baureihen nur noch „Heizung ein“ – der zuständige Schütz zog an und das war’s. Auf der V 215 dagegen war die Inbetriebnahme der Dampfheizungsanlage ein dramatisches Schauspiel in etlichen Akten, und lief sie endlich, bedeutete das noch lange nicht, daß sie dies auch weiterhin tun würde. Ich weiß nicht mehr, wieviele Hähne, Taster, Ventile und Hebelchen bedient, geöffnet und /oder geschlossen werden mußten, bis das Monster endlich arbeitete, wie oft man dabei, dem fetischbeschwörenden Naturvölkermedizinmann ähnlich, um das verdammte Ding herumlaufen mußte. Näherte man sich dem Endbahnhof, hieß es, ein oder zwei Stationen zuvor in den Maschinenraum sprinten und das große Hauptventil der Leitung zum Zuge schließen, damit die Heizkupplung abkühlen und sich der Druck abbauen konnte. Oftmals sprach beim Zudrehen das Sicherheitsventil an und knallend jagte einem der Dampf um die Ohren. Damals erkannte und begriff ich, warum man von „Dienst“ sprach… War der Hagenuk-Heizkessel ordnungsgemäß zugange, leuchtete bestätigungshalber in den Führerräumen der Tableau-Leuchtmelder „Heizung Betrieb“. Daß dieser Leuchtmelder allerdings keine absolute Sicherheit bot, mußte ich in der Praxis lernen … besser gesagt: Viele Fahrgäste waren die betroffenen Leidtragenden, denn im Führerraum, dessen Beheizung über das Kühlwasser des Fahrdiesels erfolgte, war’s gemütlich warm. Es dauerte lange, bis ich erfuhr, was sich im Zug abspielte. Doch ich möchte nicht vorgreifen.
Ich erwähnte bereits das Problem mit dem Speisewasserverbrauch der Dampfheizung, der – meiner praktischen Erfahrung gemäß – in keiner Weise den Daten in den Betriebshandbüchern entsprach. Zum besseren Verständnis der folgenden Geschichte hier nochmal der angebene offizielle Wert: Wasserverbrauch je Stunde und Waggon 70 Liter. Damit aber kam kein Zug aus, alle, ausnahmslos alle zogen erheblich bis „kriminell“ mehr Wasser; war dann zudem noch die eine oder andere Pintsch-Kupplung (so hieß die Heizkupplung) undicht, daß der Dampf fauchend und zischend an der Verbindungsstelle oder den Gelenken austrat, konnte man getrost mit erheblichem zusätzlichen Verbrauch rechnen. Oft fragte ich mich, wie zum Henker das in den späten fünfziger Jahren mit der V 200 und den langen Schnellzügen gewesen sein mochte? Hatte die mehr Wasser an Bord? War die Wartung besser, demzufolge der Wasserverbrauch niedriger? Fragen, die ich wohl nicht mehr werde klären können, denn die alten Praktiker jener Jahre weilen gewiß nicht mehr unter uns.
Ich hatte – große Freude! – mal wieder die schon geschilderte, glatt verlaufende Schicht, bei der nur in Brügge sicherheitshalber am Stellwerk Wasser genommen wurde, ein wenig nachfüllen auf Verdacht, sozusagen. Die knappe Zeit und die örtlichen Umstände erwähnte ich bereits. Der Zug führte an diesem Tag einen Wagen mehr mit, warum, weiß ich nicht. Jedenfalls hatte ich fünf Waggons am Haken, die von Köln bis Brügge theoretisch insgesamt 700 Liter Heizwasser verbrauchen würden; hin und zurück folglich 1400 Liter. Angesichts der 3000 Liter Vorrat im Speisewasserbehälter hätte ich die Tour relaxt fahren können, doch ich mußte ja lernen, daß eben Theorie und Praxis nicht korrelierten; der tatsächliche Verbrauch lag wesentlich höher, und so bestand Grund zur Sorge – doch bin ich der Narr, der in Brügge diese Aktion mit dem Wasserfüllen machen soll…? Schluß damit: Wir Betroffene waren peu á peu zu dem Vorsatz gelangt, uns nicht weiter vereiern zu lassen und auf härteren Kurs umzusteuern.
Unterwegs gab es eine Signalstörung: Die Einfahrt Marienheide „klemmte“, das Signal kam nicht auf Hp1, bzw. auf Hp2. Der offensichtlich etwa entschlußgebremste Fahrdienstleiter hätte mir einen schriftlichen Befehl übermitteln können (Zugbahnfunk war vorhanden), doch es tat sich nichts. Die Minuten tickerten dahin. Mit einem Schnellzug oder IC unterwegs, wäre ich schon längst per Funk rabitzig geworden, doch da mir der Betrieb auf der Nebenbahn schnurzpiepegal war, rührte ich mich nicht: Schlaft doch weiter! Endlich, nach geschlagenen zehn Minuten, leuchtete Zs1 auf: Ersatzsignal, Fahrt mit höchstens 40 km/h – und, wie uns unser ehrlich verehrter Betriebsdienstlehrer D. stets einschärfte, wenn’s auch nicht in der Vorschrift stünde, auf Sicht, nämlich so fahren, daß man vor einem Hindernis jederzeit zum Stehen kommen konnte. „Das Ersatzsignal läßt sich einschalten wie das Licht im Zimmer“, so Amtslehrer D., „die einzige Sicherung besteht darin, daß der Fahrdienstleiter eine mit dem Ersatzsignal gekoppelte Zählwerksnummer ins Dienstbuch eintragen muß (aktuelle Bedienungsziffer). Und das, meine Herren, ist für uns nicht genug, wir entscheiden uns immer zur sicheren Seite! Wer Zweifel hat, bleibt stehen, denn ein stehender Zug ist im Ernstfall sicherer als ein fahrender. Höchstens 40 km/h und auf Sicht, meine Herren, schneller erst dann, wenn Sie was Grünes zweifelsfrei vor der Nase haben!“ Dieses Statement gab er 1970 ab – Ihr seht, ich habe es noch wörtlich im Kopf. Natürlich hielt ich mich auch in Marienheide an seine Lehre und schlich mit ungefähr 25 km/h in den kleinen Bahnhof, zog bis zum Bahnsteigende vor und hielt an; die Ausfahrt zeigte Hp0. Ab Marienheide ging’s mal wieder eingleisig weiter. Ich stand auf, öffnete das bahnsteigseitige Fenster und hörte die Durchsage: „Zugpersonal 6405, Sie haben Kreuzung mit Sonderzug xyz, voraussichtliche Abfahrt 8:52 Uhr. Einfahrt Halt wegen Signalstörung.“ Nett, ungefähr eine Viertelstunde Verspätung – die Wasseraktion in Brügge konnte ich vergessen, sogar offiziell. Ich stellte den Fahrdiesel ab und ließ Heizung und Luftpresser die paar Minuten auf Batterie laufen: mit 110 Volt und 200 Ampérestunden besaß die genügend Kapazität, und es tut einem Bleiakku gut, wenn Ladung und Entladung wechselweise stattfinden.
Von Marienheide bis Brügge war’s nicht weit, deshalb hätte ich auch mit spitzer Fahrweise die Verspätung wohl kaum verkürzen können – die ging mir zudem völlig am Heck vorbei: ich beförderte keinen IC…
Der letzte Halt vor Brügge war Kierspe – rasch in den Maschinenraum und das Ventil der Zugheizung zugedreht, damit ich in Brügge beim Abhängen die Dampfkupplung gefahrlos trennen konnte. Das dauerte ein bißchen, doch der Zugführer wußte Bescheid und nervte nicht mit Achtungspfiffen: er kannte als alter „Gummibahner“ die Zusammenhänge. Abfahrauftrag, weiter – noch elf Minuten bis zum Zielbahnhof.
Ankunft in Brügge rund zwanzig Minuten verspätet – das Wasserfassen mit dem Spielzeugschlauch konnte ich getrost vergessen, und wir hatten uns im Kollegenkreis bereits abgesprochen, das künftig generell zu vergessen, weil wir halt alles selber machen mußten: Abhängen und nach dem Drumherumfahren wieder anhängen, dann die Bremsprobe, und schon war’s auch bald Abfahrzeit. Ewig dieses hektische Gewurschtel – nee, Leute, wir streiken!
An jenem Tage fuhr ich von Führerraum 1 aus zurück in Richtung Köln, die Heizung lag am anderen Ende der Lok, weshalb wegen der Wege durchs Fahrzeug, des Öffnens und Schließens von drei oder vier Türen, spürbar mehr Zeit verging, als wenn man direkt von Führerraum 2 aus an dem technischen Wunderwerk schalten und walten konnte. Hauptdampfhahn auf – der Wasserumgehungsregler pendelte von der Bypass-Stellung nach Betrieb, das Zündgeräusch: „wuff“, anschließend das Röhren der Flamme. Läuft, mal wieder Glück gehabt! Zurück durch die Lok zum vorderen Führerraum.
Unterwegs, irgendwo vor Gummersbach. Zugtelephon gab’s nicht. Die Lok lief bauarttypisch ruhig und souverän, von der „geliebten“ Heizung hörte ich auf Fü 1 nichts – schön, mach‘ mal, du Wundertüte… Ab und zu auf den Leuchtmelder „Heizung Betrieb“ geschaut, der strahlte brav vor sich hin. In meinem „Cockpit“ war’s ungeachtet der arktischen Außentemperatur schön warm – das mußte man der V 215 lassen: auch die Heizung der Führerräume war sehr gut! Halt in Gummersbach. Der Zugführer kam aufgeregt an meine Lok gelaufen und rief: „Mensch, Kerl – mach‘ mal die Heizung an!“ „Wieso? Die läuft doch! Ich habe die Anzeige ‚Heizung Betrieb‘!“ „Nix läuft! Im Zug ist es eiskalt, die Fenster sind schon mit Eisblumen bedeckt…!“ Ich beruhigte ihn: „Ich seh‘ mal nach.“ Durchgehende Bremse angelegt, Wanderung durch die Lok zur Heizungsanlage … sofort fiel mir der Wasserumgehungsregler ins Auge, dessen Waageeinrichtung in Stellung Leerlauf stand … es dämmerte mir … an den Speisewasserbehälter – der war leer, im Wasserstandsanzeiger nichts mehr zu sehen. Wieder einmal hatte der Zug x-mal mehr Wasser verbraucht, als angegeben. Tja, da war nichts zu machen: Wo sollte ich in Gummersbach Wasser herbekommen? Von der Feuerwehr? Sowas wie einen C-Rohr-Anschluß besaß die Lok… Ich tigerte wieder nach vorne und sagte dem Zugführer, was Sache war. „Verdammte Sch…!“, fluchte er, dann kam ihm eine Erleuchtung: „Ich rufe in Dieringhausen an, im alten BW ist noch Lok- und Personaleinsatz, die müssen uns, wenn wir da zum Stehen gekommen sind, eine Heizlok an den Zug setzen!“ „Gute Idee“, stimmte ich zu, „und bis dahin sollen die Reisenden sich vorstellen, sie wären mit Amundsen unterwegs zum Südpol!“ „Lästermaul!“, konstatierte der Zugführer, eilte zum nächsten Fernsprecher, informierte Dieringhausen, gab Achtungspfiff, betätigte mit seinem Vierkant die pneumatische Zentralschließung der Türen im Zuge, pfiff nochmal, spurtete vor, kletterte zu mir auf den Führerstand und sagte: „Dann los!“ Kurz darauf: „Hach ja, schön warm hier! Im Zug ist es kalt wie nur was!“ Ich nickte und erläuterte ihm die technischen Zusammenhänge, die Wasserverbrauchsprobleme in Theorie und Praxis.
In Dieringhausen warteten wir recht lange auf die „Heizhilfe“, weil zwar Lokführer und Lok greifbar, letztere jedoch nicht sofort startklar gewesen war. Die Lok, eine V 100, stand zwar im Warmhaltemodus, jedoch lag ihre Temperatur an der unteren Grenze und es verging einige Zeit, bis nach Inbetriebnahme der Hagenuk-Heizung die erforderliche Starttemperatur erreicht war – und wie immer hatte Murphy seine Hände im Spiel, denn am zuständigen Thermofühler für die Anlaßfreigabe lag ein Kontaktfehler vor und bis der Kollege störungssuchenderweise im Handlungsablauf zum Überbrücken des Fühlers kam, dauerte es: man muß eine Störung halt erstmal finden und auf der „verbauten“ V 100 sind zuweilen „Schlangentänze“ notwendig, will man an ein defektes Teil herankommen! (Weshalb ich annehme, er wird den plombierten Schalter „Überbrücken Kaltstart“ verwendet haben. Bei unserem kurzen Gespräch über Zugfunk-C-Kanal vergaß ich, danach zu fragen, wir hatten schließlich Probleme genug…) Ich sah ihn an den Schluß des Zuges beifahren, kuppeln, Bremsprobe. Und ich sah die weißen Dampffetzen zwischen den Waggons und deren nicht gerade perfekt dichten Pintsch-Kupplungen. Der Kollege auf der „Heizlok“ mußte das Getriebe nun in Mittelstellung schalten, damit im Schleppbetrieb die Wandler des hydraulischen Getriebes stillstanden – würden sie durch Fremdeinwirkung in Rotation versetzt, hätte dies nach etlichen Kilometern die Zerstörung des Getriebes bedeutet (Luftziehen, starke Erhitzung). Fertigmeldung vom Kollegen der geschleppten Lok, Abfahrauftrag – diesmal etwa 30 Minuten Verspätung, die ich bis Köln auch nicht reduzieren konnte, weil ziemlicher Fahrgastandrang herrschte und in Overath eine Schrankenstörung für weitere fünf Minuten „Plus“ sorgte.
Nach Feierabend war ich längere Zeit mit dem Schreiben der Meldekarte beschäftigt und zu Hause studierte ich nochmal die technische Beschreibung der Hagenuk-Heizung und fand folgenden Hinweis: „Schaltet die Anlage wegen fehlender Wasserversorgung nach ‚Feuer aus‘, wird dies nicht als Defekt gewertet und somit keine Störungsmeldung ausgegeben, da die Funktion ‚Feuer aus‘ ordungsgemäß durchgeführt wurde.“ Glück muß der Mensch haben…!
Beim nächsten Dienstbeginn – ich war wohlweislich etwas zu früh erschienen – mußte ich mal wieder zum B-Leiter X. Er wollte über die Umstände des „Tiefkühlzuges“ alles ganz genau wissen. Weil ich mich entsprechend vorbereitet hatte, konnte ich die technischen und betrieblichen Zusammenhänge (inklusive Klettertour im Stellwerk Brügge) genau und in allen Einzelheiten darstellen. Obwohl er mich gerne in die Rolle des Schuldigen gedrängt hätte, mußte er schließlich einsehen und zugeben, daß ich keinen Fehler begangen, sondern eine Verkettung unglücklicher Umstände sich derart negativ ausgewirkt habe. Unsere kollegiale Absprache hinsichtlich des stillen Verweigerns weiterer „alpiner“ Kletteraktionen erwähnte ich (logisch!) mit keinem Sterbenswörtchen. Und dann kam’s: Er, X., sei persönlich gar nicht glücklich, daß wir Ellokführer uns mit der uns fremden Materie „Diesellok“ befassen müßten, dabei seien Unregelmäßigkeiten sozusagen vorprogrammiert, Unregelmäßigkeiten, die bis dato bereits überproportional häufig aufgetreten wären. Licht am Ende des Tunnels…?
wie im vorherigen Beitrag erwähnt, machte sich unter uns „degradierten“ Lokführern zunehmender Unmut breit. Es war nicht nur das angekratzte Ego, vielmehr standen zudem durchaus wirtschaftliche und betriebspolitische Überlegungen dahinter: unsere Ausbildungen auf den diversen Elloktypen hatten Geld gekostet, viel Geld. Die Fahrberechtigungen würden nach einem Jahr verfallen, zeit- und abermals kostenaufwendige Einweisungen erforderlicherweise nach sich ziehen. Hinzu kam: Das stillgelegte BW Dieringhausen wurde als Personal-Außenstelle des BW Deutzerfeld weitergeführt. Man war darangegangen, dort beheimatete Kollegen nach einem „Dienstaltersschlüssel“ auf Ellok auszubilden und anschließend nach Deutzerfeld zu versetzen; die ersten zehn Mann mußten nun täglich weite Wege zum und vom Dienst in Kauf nehmen, waren entsprechend sauer deswegen. Und wir Deutzerfelder waren sauer, weil wir Diesel fahren mußten, was die Dieringhausener liebend gerne taten, um in Wohnortnähe arbeiten zu können. Etliche Aufenthaltsraumgespräche bewiesen nicht nur mir die Unsinnigkeit der momentanen Regelung, der zufolge wir Ellokführer mit Antipathie auf der V 215 rumgurkten, während die Dieringhausener Dieselfachleute mit ebenso „dickem Hals“ die unvertraute Ellok fahren mußten und dafür noch weite Anreisen in Kauf nahmen. Über die Gewerkschaft erfolgten entsprechende Eingaben an die Direktion – doch nichts geschah.
So beschlossen wir die härtere Gangart, soll heißen: Störung? Ich nix Ahnung. Unter den Dieringhausener Kollegen befanden sich gerade mal drei, die in Deutzerfeld bleiben wollten, alle anderen drängte es zurück zur alten Heimatdienststelle, welche ja als Personaleinsatzort und Lokabstellung aktiv bleiben sollte. Wenn wir Deutzerfelder gegen die Dieselfahrerei opponierten, geschah dies auch im Interesse der Kollegen aus Dieringhausen…
Eislaufbahn, errichtet von Kurt Immer noch eisiger Winter; der im vorherigen Beitrag geschilderte Vorfall mit der Heizlok war seit gerade mal zwei Tage in die Annalen eingegangen. Ich hatte Spätdienst, das heißt, Feierabend sollte gegen 22:00 Uhr sein. Den ganzen Tag über war ich seit ungefähr Mittagszeit teilstreckenweise über die „Gummibahn“ getuckert und hatte zudem das außerordentliche Vergnügen, mehrere Züge im Kölner Hauptbahnhof abzulösen, nach Köln-Betriebsbahnhof (Entfernung 1 km) zu bringen, wo sie abgehängt wurden und ich mit der Lok ins BW fuhr: Tanken, Wasser nehmen – der ganze schonmal beschriebene Rattenschwanz betriebserforderlicher Tätigkeiten an der Diesellok. Endlich: Der letzte Zug, den ich im HBf ablösen mußte; der Kollege hatte Feierabend im Hauptbahnhof und ich machte den traurigen Rest: Rüber zum Betriebsbahnhof, Abschlußdienst, Fahrgast zum HBf, Feierabend – nach Diesellok riechend, wie in letzter Zeit üblich.
Ungefähr fünf Minuten vor Plan stand ich mit der V 215 an der Tankstelle, schloß die Schläuche für Diesel und Heizöl an, stöpselte die Stecker der Grenzwertgeber in die Außensteckdosen und „Sprit marsch!“ Diese Grenzwertgeber überwachten die Füllzustände der Tanks und schalteten die Förderpumpen der Zapfsäulen automatisch ab, wenn ca. 95% Füllung erreicht war. So konnte ich währenddessen das „C-Rohr“ der Speisewasserverorgung anschließen: unten am Lokrahmen befanden sich die Anschlußstutzen, einer auf der rechten, der andere auf der linken Seite; diesmal war ich am rechten zugange – hau, ruck, Bajonettverschluß festziehen, Taste „Pumpe ein“ drücken, Wasser läuft, und zwar niagaramäßig. Die benötigten 3000 Liter waren in wenigen Minuten gebunkert, weshalb die Überwachung des Speisewassertanks vorrangig war: Lief er über, verteilte sich das Wasser in der Lok und das mochte sie nun gar nicht (die V 215 besaß rund 30% mehr Elektrik als eine Ellok und unter den Gitterosten, die die „Fußböden“ im Maschinenraum bildeten, lagen zahlreiche, nicht unbedingt wasserdichte Verteiler- und Klemmenkästen…!). Ich hielt deshalb die Füllstandsanzeige, ein Glasrohr, im Auge. An dessen Unterseite sprudelte es ein wenig, aber der Kessel füllte nicht. Hmmm – Fragezeichen im Kopf. Wie mit den Kollegen abgesprochen: erstmal dummstellen. Später: Erneuter Blick auf die Füllstandsanzeige – nichts, nur das Sprudeln im Bereich der unteren paar Zentimeter. Very seltsam. Dieselsprit- und Heizölpumpen schalteten ab, die Tanks waren voll. Stecker der Grenzwertgeber raus, Rückfüllen bedient (die Reste wurden aus den Schläuchen abgezogen, damit nichts draußen abtropfen konnte), Schläuche abgemacht und in ihre Halterungen zurückgewuchtet, Diesel- und Heizölmenge ins Übergabebuch eingetragen, Blick auf die Speisewasseranzeige: Nix, wie zuvor. Ich wartete noch eine Weile, bis ein Ruf ertönte: „He, bist du bekloppt?!“ Frechheit! Ich auf die andere Seite der Lok, um den Rufer zur Mücke zu machen – und da sah ich die Bescherung: Am linksseitigen Wasserfüllstutzen fehlte der Verschlußdeckel und ein armdicker Wasserstrahl schoß ins Freie. Die ganze Zeit über hatte ich mit feuerwehrgemäßem Druck das Wasser unter der Lok durch das Verbindungsrohr gejagt, an dessen anderer Seite (eben links an der Lok) es mit dem selben Hochdruck austrat und mittlerweile, weil das Gelände etwas tiefer lag, einen See bildete, der gar manchem kleinen Ort als veritabler Dorfweiher zur Ehre gereicht hätte. Dem gestikulierenden Kollegen abwinkend, eilte ich an die Wasserpumpenbedienung und schaltete sie aus; die Flutquelle versiegte.
Gemächlich schritt ich wieder auf die „Seeseite“ der Lok, wo der Kollege immer noch stand und staunte. „Also ‚bekloppt‘ war nicht das richtige Wort“, wies ich ihn zurecht. „Mensch, hast du denn nichts bemerkt?“ „Nee, wie denn? Ich hatte mit Tanken und Ölnachsehen genug zu tun.“ „Mist – es friert wie Harry, da haben wir in Kürze hier ein Verkehrshindernis erster Güte!“ Das stimmte, denn mein Dorfweiher reichte über den Weg zu Kantine und Parkplatz bis weit in letzteren hinein, wo seine Fluten sich gut hielten, weil er eine flache, kaum merkliche Senke aufwies. „Dann ist morgen früh Streudienst angesagt“, grinste ich und ging rüber zur Lokleitung. Dort meldete ich den Vorfall und fragte, ob sie jemanden hätten, der sich mit der V 215 auskenne. „Du fährst das Ding doch!“ „Schon, aber nicht freiwillig und nur so gerade“, erwiderte ich. Der Lokdienstleiter lachte: „Ja, ich habe von euren Problemen gehört.“ Er sagte in die Sprechanlage zum Aufenthaltsraum: „Die Neunzehn-Uhr-Bereitschaft – Peter, kommst du mal zur Lokleitung?“ Der Kollege erschien sofort, ich freute mich: wir kannten uns von einer Streckenkundefahrt her, war ein lustiger Tag gewesen. Als ich ihm erzählte, was ich angestellt hatte, lachte er herzhaft, sagte dann: „Komm mit, wir haben ein kleines Ersatzteillager im alten Schuppen; vielleicht finden wir da einen Verschlußdeckel.“
Wir fanden einen passenden Deckel, den ich auf dem linken Anschlußstutzen verriegelte. Der Kollege bewunderte meinen in Vereisung befindlichen See, half mir, Speisewasser zu füllen und zu dosieren und meinte abschließend: „Wir sollten, wenn das Wasser gefroren ist, ein Schild aufstellen: ‚Kurts Eislaufbahn‘. Eintritt könnten wir auch nehmen, was hältst du von zwei Mark die Stunde?“ „Klingt gut“, bestätigte ich und sah die Szenerie vor meinem geistigen Auge.
In der Praxis sah es so aus: B-Gruppenleiter X. regte sich mal wieder mächtig auf, erklärte, die Streuarbeiten zur Wiedernutzbarmachung des Parkplatzes und Sicherung des Weges zur Kantine hätten hohe Kosten verursacht. Ob man damit eine Privatfirma beauftragt habe, wollte ich wissen. Nein, wieso? Dann kann das mit den Kosten ja nicht so dramatisch gewesen sein, denn der Ausführende müsse als DB-Mitarbeiter ohnehin entlohnt werden, ob er was leiste oder nicht. Der gute X. verstrickte sich wie so oft in seinen eigenen Argumentationen und am Schluß schrie er mich an, ich solle schnellstens sein Büro verlassen. Das tat ich denn auch.
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24.02.2014 17:12
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Grüße aus Süddeutschland 
