Ich hätte eine Frage an die Kenner des Großbetriebes zur Dampflokzeit, die ich selbst nicht recherchieren konnte :
Mir fällt an alten Fotos und Filmen immer wieder mal auf, daß es offenbar keine allgemein verbindlichen Regeln gab, wie Dampflokomotiven im (Ring)Lokschuppen abgestellt wurden. Es scheint mir zwar so, daß die Stellung "rückwärts eingeparkt" die häufigere war, aber offensichtlich nicht immer und überall.
Nach meiner Vermutung kann es auch mit der unterschiedlichen Platzierung der Abluft-Kamine, mal in Tornähe, mal auf der Rückseite des Schuppendaches zusammen hängen, was ja ein praktischer Grund wäre, aber etwas Verbindliches habe ich dazu nicht gefunden.
Gibt es dazu Wissen ? Gab es allgemeinverbindliche Regelungen oder entschied das Personal oder entschied das der Lokführer selbst oder gar der Drehscheibenwärter falls eine solche vorhanden war ?
Würde mich freuen, wenn es dazu ein paar Infos gäbe und bedanke mich für Beteiligung.
Gruß HG
Märklin - schon immer und analog bleibe ich mit voller Absicht !
Schornstein vorne oder hinten lag tatsächlich an der Bauweise des Kamins. Man kann eine Dempflok ja nicht einfach ohne Abzug in den Schuppen stellen ...
Ansonsten ist so ein BW ja nicht nur eine Garage sondern auch Werkstatt und vieles andere mehr. Ich habe in so einem Groß-BW gelernt, und ein wenig Dampf hatten wir auch noch. Die Lokschuppen sind in Funktionsbereiche eingeteilt. Teile sind tatsächlich nichts anderes als Garage. Da kommt die Lok einfach hin, wo Platz ist. Dann gibt es die Werkstattgleise, eventuell eine Achssenke. Getrennt war auch "Wartung" und "Werkstatt", das waren getrennte Bereiche. Wir hatten auch noch Gleise die zum Auswaschen der Kessel ausgerüstet waren. Zwei Gleise waren für Heizloks ausgerüstet. Die Rangierloks hatten eigene Plätze, in einer Ecke stand immer eine spezielle Reservelok. Ellok, Diesel und Dampf waren auch mehr oder weniger getrennt. Wobei Elloks nur zur Wartung in den Schuppen kamen, die standen sonst immer draußen.
primär hängt es immer von der Lage der Rauchabzüge ab, nicht alle Lokschuppengleise haben auf beiden Seiten Rauchabzüge gehabt.
Für Reparatur- und Wartungsarbeiten wurde die Lok immer so in den Lokschuppen gestellt, daß man gut an den entsprechenden Bereich kam - zum Tor hin wird es im Ringlokschuppen ja enger und es ist dort auch weniger Tageslicht vorhanden...
Danke Euch Beiden für die interessanten Ausführungen und ich finde es besonders erfreulich, daß Ulf hierzu sogar aus eigener Erfahrung vor Ort berichten kann.
Solche praktischen Einblicke werden leider immer seltener, die Praktiker von damals werden leider immer "weniger" , historisches Wissen geht mehr und mehr verloren ......
Gruß HG
Märklin - schon immer und analog bleibe ich mit voller Absicht !
zum Glück gibt es zu dem Thema aber auch sehr informative Bücher, z. B. die zwei Bände zum Maschinenamt Heilbronn von Ralph Müller oder über das Bw Goslar von Ulrich Herz.
Ich kann dir das Buch: "Das Bahnbetriebswerk zur Dampflokzeit" Autor: Koehler List empfehlen. Eine gute Einführung in das Thema mit anschaulichen Bildern und Erklärungen. Antiquarisch für um die 10€ erhältlich.
Ich kann da sofort mal nachschauen, denn zumindest die Bände über das Maschinenamt Heilbronn müssen nach meiner Erinnerung in meiner Fachbuchsammlung sein - nur hat man eben nicht alles Gelesene auch noch in Erinnerung. Gruß HG
Märklin - schon immer und analog bleibe ich mit voller Absicht !
die Heilbronner Bücher geben mehr Informationen über den Betrieb an sich - mit vielen schönen Fotos aus der Dampflokzeit.
Im Buch über das Bw Goslar wird der Aufbau und die Nutzung von jedem einzelnem Gleis beschrieben, u. a. auch welche Gleise im Lokschuppen welche Funktion hatten. Es enthält auch sehr viele Zeichnungen der Einrichtung, wie z.B. die Achssenke im Lokschuppen.
das Buch von Klaus D. Holzborn habe ich auch hier liegen, finde es aber eher oberflächlich - wenn auch mit einigen interessanten Fotos wie das Bild der 61 002 im Berliner Bw Ostbahnhof.
Da das Bw Aalen ja auch zum Maschinenamt Heilbronn gehörte, hätte ich mir gut vorstellen können, daß Du das auch hast
Unabhängig davon finde ich die beiden Bücher über das Maschinenamt Heilbronn hochinteressant. Da haben sich die letzten Ehemaligen ja gerade noch rechtzeitig getroffen.
im Lokschupen vom Bw Goslar gab es 20 Schuppenstände, die wie folgt genutzt wurden:
1 - Ausbesserungsstand / (Betriebsstand) 2 - Ausbesserungsstand / (Betriebsstand) - bis 1946 mit einer kleinen Achssenke 3 - Ausbesserungsstand / (Betriebsstand) - mit Flachenzug 4 - Ausbesserungsstand / (Betriebsstand) - mit Bockkran für den Pumpenwechsel 5 - Ausbesserungsstand / (Betriebsstand) 6 - Betriebsstand 7 - Betriebsstand 8 - Betriebsstand 9 - Betriebsstand 10 - Betriebsstand / (Auswaschstand) 11 - Auswaschstand / (Betriebsstand) 12 - früher Betriebsstand, jetzt Grube verfüllt - Platz für Spritzwasserkessel und Hochdruckpumpe 13 - Betriebsstand 14 - Ausbesserungsstand mit VT-Untersuchungsgrube (seit 1955) - ohne Rauchabzug, wird nur noch von Dieselfahrzeugen belegt 15 - Betriebsstand 16 - seit 1939 Achssenkstand - ohne Rauchabzug, nur für kalte Lokomotiven 17 - seit 1939 Achssenkstand Zwischen Schuppengleis 17 und 18 wurde Mitte der 1950er Jahre zur Bereichsabtrennung und als Qualmschutz eine Bretterwand aufgebaut 18 - Kfz-Werkstattbereich der K-Gruppe, früher Betriebsstände 19 - Kfz-Werkstattbereich der K-Gruppe, früher Betriebsstände 20 - Kfz-Werkstattbereich der K-Gruppe, früher Betriebsstände
Das Buch von Ulrich Herz enthält auch jede Menge Zeichnungen zu den Anlagen und Informationen über deren Verwendung. Auch wenn es jetzt nicht deine Region ist, ist es für jeden, der sich für Betriebswerke im Allgemeinen interessiert, höchst interessant.
oft sind in Lokschuppen die Werkbänke im hinteren Schuppenbereich anzutreffen und zwischen den Schuppenständen Hilfsmittel wie Krane oder Flaschenzüge, dieses bedingt somit aber auch Vorwärtseinfahrt de Lokomotiven. Rauchabzüge gabs bei einigen Schuppen sowohl vorne und/oder hinten, je nach dem, was für Arbeiten geplant waren.
Um aber zu verstehen, wieviel Maschinen einem BW zugeteilt waren muß man etwas herumrechnen und sich die, dem BW zugewiesenen Bahnstrecken etwas näher betrachten.
Der Einfachheit halber nehmen wir für jeden Personenzug auch eine Lokomotive an. Pro Lok kommt ein Wartungszuschlag von 20 % hinzu also 0,2 welchen wir zur Lok hinzuaddieren also ergibt das 1,2 Loks pro Personenzug. Jetzt ist es noch notwendig zu wissen, wieviel Km dieser Personenzug am Tag zurücklegt. Liegt die Entfernung zur Endstation unter 45 Km kann dieser Zug in einer Schicht zweimal Hin- und Herfahren was vier Fahrten ergibt, die er vom Heimat BW ausführt. Der Multiplikator liegt bei ¼ also bei 0,25 also multipliziert mit der Maschinenzahl 1,2 ergibt das den Wert 0,3.
Bei Loks die über 45 Km bis 112 Km Wegstrecke zum nächsten Bahnhof mit BW zurücklegen oder zu einer Endstation ohne BW kann der Zug nur einmal Hin- und Zurückfahren was dann 2 Fahrten ausmacht die pro Schicht nur stattfinden können also wird die Maschinenkennzahl mit 0,5 multipliziert was den Wert von 0,6 ergibt.
Jetzt betrachten wir uns den Fahrplan und zählen alle Fahrten zusammen, die unter 45 Km je Wegstrecke liegen, sagen wir mal 16 Fahrten also jeweils 8 hin und 8 zurück. 16 × 0,3 = 4,8 Wir benötigen 4,8 Loks zur Bewältigung dieser täglichen Fahrleistung. Da es nur ganze Loks gibt wird zur nächsten Vorkommastelle aufgerundet. Wir benötigen somit 5 Loks. Nun gucken wir uns im Fahrplan die Fernzüge an und ersehen im Fahrplan 12 Fernzugfahrten also jeweils 6 hin und 6 zurück. 12 × 0,6 = 7,2 aufgerundet auf die nächst höhere Vorkommastelle = 8 Wir benötigen als 8 Loks im Fernstreckeneinsatz. 8 + 5 = 13 Unser BW sollte 13 Loks beherrbergen können. Sollen weitere Reserveloks vorgehalten werden, sind je ,,angefangene" 10 Loks eine Reservelok hinzuzuaddieren bei 13 Fernstreckenloks ergibt dieses 2 Loks und bei den Kurzstreckenloks 1 Lok so erhöht sich die Gesamtzahl auf 16 Loks. Benötigen wir noch Rangierloks rechnen wir mal großzügig noch 2 Loks hinzu was dann 18 Loks ergibt.
Beim Güterverkehr ergeben sich andere Berechnungsfaktoren, der Einfachheit halber können wir aber auch die Personenzugformel anwenden. Wir gehen aber auch davon aus, daß ein Lokwechsel beim Fernstreckenverkehr nach etwa 112 Km stattfindet und die Lok zum Schichtende in ihr Heimat BW zurückkehrt. Fernstreckenzüge mit längeren Laufwegen haben dann aber auch mehrere Lokwechsel. Für jede so errechnete Lok sollte ein Schuppenstellplatz vorhanden sein.
Schönen Gruß,
Ingo
Schönen Gruß,
Ingo
DKEV im Bismarck Archipel H0e DCC mit Roco MM Projekt: Preußen Privatbahn L.T.E. 1907
Wow - hier gibt es tatsächlich echtes Wissen zur Materie ! Danke Euch für all diese interessanten Ausführungen.
Einen derart vorbildgerechten Betrieb auf der Anlage zu realisieren würde schon eine Planung voraussetzen, die ich nicht betreiben kann oder will.
Was mir bei solchen interessanten Informationen aber immer wieder auffällt, ist die extrem begrenzte Einsetzbarkeit, der hohe Pflegeaufwand, die erforderliche umfangreiche Logistik für die Dampfer.
Die Dinger wirken zwar robust, wenn ich aber dann lese, daß nach etwas über 100 Kilometer bereits ein Wechsel notwendig wurde, mir all die erforderlichen Pflegemaßnahmen betrachte, dann leuchtet ein, warum sich die Bahnverwaltungen möglichst schnell davon verabschiedet haben.
So ein Dampfer ist eben wie eine "Diva" - schön, aber kapriziös Gruß HG
Märklin - schon immer und analog bleibe ich mit voller Absicht !
man merkt, daß Ingo eher theoretisch und in Epoche 0-I unterwegs ist. Zu Bundesbahnzeiten waren über 800km am Tag nur mit Auffüllen von Wasser und Kohle bei manchen ehemaligen Länderbahndampfloks möglich.
Goslar hatte 1955 39 Dampfloks bei 17 Schuppenständen, 1960 waren es dann nur noch 31...
Nachtrag: in Opladen waren am 15.11.1906 insgesamt 34 Loks stationert - der Lokschuppen hatte damals 16 Stände.
man merkt, daß Ingo eher theoretisch und in Epoche 0-I unterwegs ist. Zu Bundesbahnzeiten waren über 800km am Tag nur mit Auffüllen von Wasser und Kohle bei manchen ehemaligen Länderbahndampfloks möglich.
Gruß,
Hans-Jürgen
Und worauf beruhte dann dieser Unterschied, denn Du schreibst ja sogar "ehemalige Länderbahndampfloks" - also zumindest nicht die allerneuesten Lokomotiven .
Wenn ich jetzt die "etwa 112 Kilometer" von Ingo mit den von Dir genannten "über 800 Km" vergleiche, dann ist das schon ein krasser Unterschied, selbst wenn man bei dem von Ingo genannten 112 Kilometern noch eine gleich lange Rückkehr ins Heimat BW unterstellt.
Wurde früher pfleglicher mit dem Maschinen umgegangen, waren solche Sachen wie die genannten 800 Kilometer schon eine Erscheinung späterer Zeit, wo ggf. schon auf Verschleiß gefahren wurde weil die Ablösung näher rückte ?
Gruß HG
Märklin - schon immer und analog bleibe ich mit voller Absicht !
das hängt alles von der Dimensionierung des Kessels ab. Die bayr. S3/6 und die bad. IVh waren da sogar den späteren Einheitsloks überlegen. Das LVA Minden hat mit der IVh bei einer Testfahrt die 950 km erreicht.
Moin Kollegen, auch zu Zeiten der Länderbahnen waren besonders in Preußen und der angrenzenden Staaten lange Laufwege von mehr wie 112 Km üblich, die Maschinen kehrten dann aber nicht am selben Tag ins heimatliche BW zurück.
Die Berechnungen des Lokomotivbedarfs beziehen sich auf Loks die in das Heimat BW am selben Tag zurückkehren und waren ursprünglich in preußischen Landmeilen angegeben. 1 M = preuß. Meile = 7,532 Km, gerechnet wurde ohne die 32 m je 7,5 Km also mir dem abgerundeten Wert. Die Abrundung wurde am Ende aber der Berechnung wieder hinzugefügt. 112,96 Km = 15 preuß. Meilen. 6 M ~ 45 Km. Um mögliche Weitstreckenfernfahrten zu berechnen guckt man sich den Fahrplan der Abgangsstation an aber auch den der Ankünfte. Je zwei zueinandergehörende Fahrten ergeben 1 Lok die zusätzlich im BW vorgehalten werden müssen, denen ein Lokstand zur Verfügung stehen muß, sobald sie eintreffen und dann sind umfangreiche Untersuchungen zu absolvieren, die die ganze Nacht andauern können. Die BW Mannschaften hatten damals alle Hände voll zu tun, auch solche Loks wieder fit zu machen. Für BWs entlang von Bahnstrecken wo solche Maschinen vorbeifahren, wird meistens ein Lokstand freigehalten für unerwartete Ereignisse, wie plötzlich auftretende Reperaturen, in solchem Fall muß aber auch eine Ersatzmaschine also Reservemaschine vorgehalten werden, um nicht die eigenen täglichen Abläufe zu behindern.
Was aber paßiert, wenn man den Lokbedarf zu knapp berechnet sieht man am Beispiel der Lübeck Büchener Eisenbahn nach deren Eröffnung der Nebenstrecke nach Travemünde Stadt ab 1883. Man veranstaltete 8 Fahrten täglich mit zwei bayerischen Zweikupplern der Fa. Krauss in München. Durch einen Bedienfehler im Jahr 1888 kam es zu einer Kesselexplosion und zu einem Totalausfall einer der beiden Loks. Fortan konnten 4 der täglichen Fahrten nicht mehr bedient werden. Eine Lok einer anderen Bahnstrecke abzuziehen ging auch nicht, also wurde gleich drei Neu und stärkere Dreikuppler bei Krauss in München bestellt... So kann es ergehen wenn man zu knapp bemessen rechnet.
Schönen Gruß,
Ingo
DKEV im Bismarck Archipel H0e DCC mit Roco MM Projekt: Preußen Privatbahn L.T.E. 1907
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Ringlokschuppen zur Dampflokzeit - "Parkordnung"
28.01.2022 01:02 (zuletzt bearbeitet: 28.01.2022 01:04)
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