vor einiger Zeit gab mir ein Bekannter seine Roco V100. Sie lief nicht mehr richtig und zog auch nichts. Bei ihm auf der analogen Anlage hatte diese V100 der ersten Ausführung in 25 Jahren Betrieb ettliche Kilometer angesammelt. Seine Vermutung war Haftreifen wechseln und Räder sauber machen. Wie sich dann bei näherer Betrachtung heraus stellte lagen die Ursachen dann woanders.
Die zerlegte Lok. Wie das Gehäuse abzunehem ist steht in der Betriebsanleitung. Um mir die weitere Arbeit einfacher zu machen, habe ich die Verbindungskabel zu den Radschleifern an der Hauptplatine abgelötet. So lässt sich die Lok dann recht einfach weiter zerlegen.
Hier sind dann die tatsächlichen Ursachen für den unregelmässigen Lauf und die mangelnde Zugkraft zu sehen. Die Spurkranzspitzen haben sich im Lauf der Betriebszeit regelrecht durch das dünne Blech der Schleifer gefressen. Des weiteren rechts die beiden geplatzten Kardenkugeln.
Dagegen erwiesen sich die Radsätze als ziemlich sauber und die Hafteifen waren nicht abgenutzt. Sie stammen ja noch aus der guten Zeit von Roco. Nach Reinigung mit Dampföl hatten die 25 Jahre alten Haftreifen wieder Grip wie neu und habe keine Veranlassung gesehen sie zu wechseln. Wenn man an die Lebensdauer heutiger Haftreifen von Roco denkt die teilweise schon nach 3 Monaten erste Risse aufweisen...
Den Motor habe ich mir auch gründlich vorgenommen. Dafür musste die Schwungmasse am kollektorseitigen Ende abgedrückt werden. Vorher markiert man sich die Stellung von Schwungmasse und Anker mit einem Strich zueinander. Das kann z.B. einfach mit einem Filzstift geschehen. So kann man nachher die Schwungmasse wieder in der gleichen Stellung wie vorher wieder aufpressen und die Auswuchtung für vibrationsfreien Lauf bleibt erhalten. Ich habe hierfür meine Tischbohrmaschine mißbraucht. Hier habe ich 1,5mm Rundmaterial in das Bohrfutter eingespannt und mir unten eine geeignete Auflage geschaffen, so daß der Kraftfluß direkt in die Schwungmasse geht. Das Wiederaufpressen erfolgt ebenfalls mit der TBM. Zuerst wir die Schwungmasse von Hand so weit aufgeschoben wie möglich, Markierung s.o. beachten. Die aufzupressende Schwungmasse kommt dann nach unten direkt auf die Auflage. Hierbei muß man eine gewisse Vorsicht walten lassen weil der Kraftfluß jetzt über die ganze Motorwelle geht und man genau senkrecht pressen muß. Lieber öfter einmal ansetzen um einen senkrechten Kraftverlauf herzustellen.
Danach kann man das hintere Lagerschild abnehmen. Auch hier vorher ein Kreuzchen zur Markierung. Da diese Lok analog betrieben wird ist auch nur eine Bürstenführung isoliert, die schwarze Kunststoffplatte. Die andere Bürstenführung bekommt über die Messing U-Scheibe Massekontakt. Hier ist der Kollektor schon mit Küchenkrepp und Dampföl gesäubert und die Nuten im Kollektor mit einer feinen Schraubendreherklinge ausgestochen worden. Trotz seiner hohen Laufzeit ist hier kein nennenswerter Verschleiß erkennbar. Die Bürstenführungen wurden ebenfalls gesäubert und selbst die Kohlebürsten waren noch lang genug um einen Wiedereinbau zu rechtfertigen. Ansonsten wären hier neue eingebaut worden, Kohlebürsten sind Verschleißteile.
Die gesäuberten Innereien der Lok. Neue Kardankugeln liegen auch schon bereit.
Eine Detailaufnahme der Radschleifer. Man sieht wie die Spurkränze sich hier hindurch gearbeitet haben. Immer daran denken diese Lok hat wirklich eine erhebliche Laufleistung hinter sich.
Die reparierten Teile. Auf die durchgeschliffenen Partien der Radschleifer wurden Bleche aufgelötet, hier Kupfer, Messing oder Neusilber gehen auch. Das hält dann die nächsten 50 Jahre, mit anderen Worten die Lok wird einen selber überleben und kann an die Urenkel vererbt werden. So weit mein Kommentar zum Anspruch, daß Modelbahnfahrzeuge "ewig" halten sollen. Die neuen Kardenkugeln sind montiert und nach sparsamen Einfetten insbesondere der Lagerzapfen für die Zahnräder kann man die Getriebe wieder zusammenbauen. Die Schnecken bekommen erst kurz vor ihrem Einbau ihr Fett weg.
ein faszinierender Bericht. Vor allem die Sache mit der Schwungmasse, aber auch die durchgefrästen Radschleifer. Und die Haltbarkeit dieser Konstruktion. Sehr interessant.
Liebe Grüße KaWe
2L H0 Lenz Digital (LZV200) / Loks von Brawa, Roco, GFN, Gützold, Kato, Lenz, Liliput, Lima, Piko, Tillig, Trix Bevorzugt Ep. 3 / frühe 4 - kein Nietenzähler
Mit der Haltbarkeit ist das so eine Sache. Roco hatte früher 2 Schwachstellen gehabt. Einmal waren es zu weiche Kohlebürsten. Die Motoren liefen damit zwar leise und wie Samt, aber durch die Weichheit des Materials der Kohlen nutzten diese sich auch rasch ab. Der Abrieb verteilte sich um den Kollektor herum und setzte dessen Nuten zu. Und da auch Kohlestaub elektrisch leitend ist kommt es hier zu unerwünschten Kriechströmen. Beim analogen Betrieb fällt das nicht weiter auf, ausser daß man den Trafo etwas weiter aufdrehen muß. Digital sind da schon ettliche Decoder abgenippelt oder deren Überlastsicherung springt regelmässig an. Manchmal halten die Decoder den erhöhten Stromfluß (Kriechströme kommen noch zum normalen Motorstrom hinzu) aus.
Dann kann es zu so etwas kommen. Dieser Motor war in einer Roco BR58 eingebaut gewesen die jahrelang analog betrieben wurde; auch hier eine hohe Laufleistung. Nichts auffälliges war festzustellen, keine erhöhte Stromaufnahme, alles im grünen Bereich. Bis der Besitzer sich entschloss die Lok auf DCC umzubauen. Nach etwa 1,5m Fahrstecke stieg dann plötzlich Rauch aus dem Tender auf und es roch "elektrisch". Nach Ausbau des Motors ergab sich dieses Schadensbild. Wie konnte das passieren? Nun beim analogen Fahrbetrieb und mit den üblichen Renngetrieben in den Loks sind bei vernünftiger Fahrweise nicht mehr als 8V an den Motorbürsten angekommen. Bei dieser analogen Spannung fährt die Lok etwa die Vorbildhöchstgeschwindigkeit und so ist sie auch jahrelang auf der Anlage betrieben worden. Nun es ist so, daß bei Digital die Motorregelung mit dem sog. Impulsbreitenstrom bewerkstelligt wird. Klartext Komma einfach, der Motor erhält die volle Spannung aufgebraten, jedoch wird immer wieder zwischendurch abgeschaltet. Das nennt man Impulse. Das Verhältnis von Einschaltdauer zu Abschaltdauer bestimmt dann die Motordrehzahl. Bekommt er längere Einschaltdauer, also die Impulse werden länger. Wenn man sich das graphisch betrachtet https://de.wikipedia.org/wiki/Pulsweiten...ia/File:Pwm.png und die Einschaltdauer als Strich darstellt wird er Strich länger und der Impuls für sich betrachtet also breiter. Es gibt also nur EIN oder AUS für den Motor und das immer mit der vollen Spannung. Ausgerechnet bei den Roco Multimäusen liegt diese Digitalspannung mit am höchsten bei Spannungsspitzen von 24V. Dieses "auf den Kopf hauen" mit 24V hat der Motor mit seinen verdreckten Kollektornuten dann nicht mehr vertragen. Kriechströme, Aufheizen, Kollektorträger geschmolzen, Rauchzeichen, EXITUS. Vorher bei 8 bis 9V ist gar nichts passiert. Die 24V waren dann zu viel. Hier hätte wahrscheinlich eine gründliche Reinigung des Kollektors den vorzeitigen Exitus vermieden. Roco hat dieses Problem auch erkannt und darauf hin das Material der Kohlebürsten geändert. Es ist härter und nutzt sich nicht mehr so schnell ab und die Motoren halten wieder so lange wie gewohnt. Als Nachteil sind dafür dann manchmal Quietsch- und Rasselgeräusche zu höhren, lästig aber harmlos. Betroffen sind von den weichen Kohlen die Loks aus der Vor-Schnittstellen Zeit. Seit Mitte der 1990er Jahre sind die härteren Bürsten eingebaut. Wer sich unsicher ist und eine Lok noch ohne Schnittstelle auf Digital umbauen möchte sollte auf jeden Fall den Kollektor säubern. Bei heraus genommenen Bürstenführungen kommt man mit einem Wattestäbchen an den Kollektor heran ohne den Motor komplett zerlegen zu müssen.
Hier sieht man die Horrorstory noch einmal deutlicher. Da ist nicht mehr zu reparieren, da ist ein neuer Motor fällig.
Die andere Geschichte sind die geplatzten Kardankugeln. Roco hat damals reagiert und die konstruktive Ausführung der Kardankugel geändert. Geplatzte Kardankugeln soll man austauschen. Das Material lässt sich nicht kleben. Es tut mir leid, aber da helfen auch keine Wundermittelchen, keine Beschwörungsformeln bei Mitternacht oder sonstige "alternativen Fakten" die tatsächlich in den Bereich der Esoterik fallen. Auch wenn einige hier Stein und Bein schwören, für den Schachtel- und Vitrinenbetrieb mag das angehen, aber unter Belastung rutschen die geplatzten geklebten Kardankugeln auf der Welle wieder durch. Auch das Aufrauhen der Wellenenden ist hier kontraproduktiv. Damit vermindert man nur die für den Preßsitz zur Verfügung stehende Oberfläche.
Ich finde Deine Ausführungen sehr interessant, Wie bekommt man den Motor im obigen Bild der untere außeinander? Nur in Dem man die Schrauben für die Kohlebürsten entfernt und dann abziehen? Ich habe gerade einen alten Motor für die BR93 gekauft und möchte ich warten. Wie erkenne ich die Härte der Kohlen? Nur am Abrieb?
Für Deinen Rat wäre ich Dir sehr dankbar. Viele Grüße Olaf
wir hatte ja schon einmal miteinander: Roco BR93 Modell 04122A Digitalisieren Wenn Du beide Bürstenführungen heraus geschraubt hast, den Aussenrahmen leicht spreizen, ca. 1mm und das Lagerschild abziehen. Markieren nicht vergessen, sonst musst Du nachher wieder die richtige Drehrichtung herausfinden.
Bei den Kohlebürsten kannst Du einen Bleistiftstrich Test machen. Wenn Du die Kohle über ein Blatt Papier streichst und es gibt nur einen schwachen oder fast gar keinen Strich, dann hast Du harte Bürsten. Gibt es dagegen einen fetten Strich, dann hast Du weiches Material. Optisch kannst Du auch schon Schlüsse ziehen. Die Roco Kohlebürsten der o.a. beschriebenen Generation sehen wie eine Bleistiftmine aus, diejenigen der neuen verbesserten Generation haben dagegen einen leicht kupferfarbenen Schimmer.
Die Bürsten sollten sich leichtgängig in ihren Führungen bewegen und die Andruckfedern einen weichen aber über die ganze Länge konstanten Anpreßdruck liefern. Tun sie das nicht werden die Bürsten nicht stark genug an den Kollektor angedrückt und es kommt zu erhöhter Funkenbildung (Lichtbogen) die dann wiederum Wärme erzeugt. Das kann dann auch zum Schmelzen des Kollektorträgers führen und sogar die Anpreßfedern ausglühen. Ausgeglühte Federn sind keine mehr, nur noch schlapper Draht.
Im Zweifelsfall die Bürsten und Anpreßfedern austauschen. Die Bürsten und Andruckfedern gibt es einzeln, Muni wäre eine gute Bezugsquelle, kennt das Problem und weiß bestimmt welche Bürsten Du brauchst.
Dankeschön für Deinen hilfreichen Rat. Ich habe schon im Vorfeld Kohlen und Federn bestellt und muß nur noch dazu kommen den/ die Motoren zu überprüfen. Einen habe ich als Ersatz gebraucht gekauft und der Zweite ist noch in der 93 drin. Ich gehe mal davon aus, das die jetzt gelieferten Bürsten schon die neuen sind.
Viele Grüße Olaf
Jetzt hast Klick gemacht, ich muß die Seite vom Magneten markieren, alles klar. Wer ist Muni ?
besten Dank für den ausführlichen Bericht und den Hinweis auf die weichen Kohlen! Eine wenig gelaufene 1990er 18.1 möchte ich grad digitalisieren, in dem Fall ziemlich sicher ein Kandidat mit weichen Kohlen.
Was die Zerlegbarkeit/Servicebarkeit älterer Roco-Konstruktionen angeht - das wäre für meinen Geschmack der Maßstab für alle anderen (mir bekannten H0-Großserien-)"Marktbegleiter" gewesen, der sich abzuschauen gelohnt hätte.
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28.01.2017 13:03 (zuletzt bearbeitet: 28.01.2017 20:16)
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