Moin Kollegen,

bei meinem Studium bezüglich mechanischer Stellwerke und Signale in der Epoche 1 vor 1892 stieß ich auf weitere interessante Ansichtskarten mit merkwürdig anmutenden Signalen.
Erst durch Protokollblätter der Eisenbahn Commission von 1870 im königreich Preußen brachten weitergehende Erkenntnisse und Querverweise auf die britsche Signalfirma Saxby & Farmer, welche sich ihr mechanisches Kaskadenstellwerk mit Verschlußstangen bereits 1857 patentieren ließ, lange bevor in deutschen Ländern Signalanlagen der Bauart Jüdel in Mode kamen.

Abgewandelt vom postalischen, optischen Flügeltelegraphen wurden für den aufkommenden Eisenbahnverkehr, vereinfachte Optische Telegraphen eingesetzt.

Zunächst in Frankreich entwickelt aber auch im Königreich Preußen eingesetzt, wurden Optische Telegraphen bei der Eisenbahn genutzt.

Historische Ansichtskarten belegen deren Verwendung auch bei der LBE.



Ausschnitt einer Ansichtskarte vom Bahnhof Ahrensburg vor 1880 - Urheberschutz abgelaufen

Die "Hamburger Bahn" der LBE wurde bereits 1864 begonnen zu bauen und 1865 eröffnet und im Jahr 1874 bis 1875 auf zweigleisigen Betrieb erweitert.
Die meisten Bahnhöfe verfügten damals nur über zwei Bahnsteiggleise. Der mehrgleisige Ausbau erfolgte erst ab 1904.

Mindestens zwei Optische Telegraphen befanden sich innerhalb der Bahnhöfe mit den dazwischenliegenden Bahnsteigen.

Im Bahnhofsgebäude befand sich der Stellwerksraum und das Büro des Fahrdienstleiters (Fdl).

Außerhalb der Bahnhöfe vor den Weichen zu den Bahnhofsgleisen befanden sich weitere Blockstellen mit optischen Telegraphen, besetzt mit einem Wärter.
Die Kommunikation mit dem Fdl erfolgte mit dem elektrischen Telegraphen oder mit einer einfachen Blockapparatur um 1900 auch mit Telefon.

Läutewerke befanden sich in den Stationen in der Nähe des Büros des Fdl.



Übersicht von Flügelstellungen der Optischen Telegraphen

Der Optische Telegraph besteht aus einem Mast mit beidseitig angebrachten Signalflügeln.
Diese hängen in der Grundstellung nach unten in der Ruhe Halt Position, welche zu dem auch die Einfahrt in den dahinterliegenden Bereich sperrt.
Bei der Verwendung von Laternen für den Nachbetrieb werden die Laternen mit Blenden abgedeckt.

Die Fahrt Frei Stellung hebt den jeweiligen Flügel in eine Diagonalstellung an undals Nachtzeichen wird das dann nicht abgedeckte weiße Laternenlicht sichtbar.

In der Halt Stop Stellung wird der Signalflügel in eine waagerechte Stellung gebracht und eine rote Lichtscheibe schiebt sich vor die Laterne als Nachtzeichen.

Vom Wärter oder Fdl kann zu jeder Zeit auch die zweite also horizontale, waagerechte Stellung der Signalflügel gestellt werden, eine Rückstellung zurnächst niedrigeren Flügelposition verhindert aber eine Sperrklinke.

Das Lösen der Sperrklinke und ein Rückfallen der Signalflügen in Grundstellung der Ruhe Halt Position kann nur erfolgen wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
1.) Das nachfolgende Signal wurde auf Halt Stop gestellt
und
2.) ein elektrischer Kontakt wurde überfahren.

Erst durch die erfolgte Rückblockung wurde auch der Signalhebel freigegeben, der es dann dem Wärter oder Fdl ermöglichte, den Signalhebel ebenfalls in Grundstellung zu verbringen.

Betrieb:
Um einen Zug aus einer Station abzulassen,
wurde per Sichtprüfung der entsprechenden Fahrtrichtung festgestellt, daß sich der Optische Telegraph in Grundstellung befindet.

Nun wurde am Läutewerk das Signal gegeben "Zug kommt" und mit Hilfe der Blockapparatur vorgeblockt und dann das Signal auf Fahrt Frei Stellung gebracht.
Alle nachfolgenden Signalwärter stellten nach dem jeweiligen wahrnemen des betreffenden Läutewerkglockensignals ihren Optischen Telegraphen auf Fahrt Frei.
Diese Prozedur wurde bis zur Nachbarstation zum dortigen Einfahrsignal innerhalb des Bahnhofs fortgesetzt.

Ist der abgelassene Zug am Signal vorbeigefahren wurde dieses in Halt Stop Position gebracht.

Überfuhr der Zug am nachfolgenden Signal den elektrischen Kontakt und stellte der Wärter oder Fdl sein Signal auf Halt Stop Position, dann löste die Sperrklinke des letzten, zurückliegenden Signals aus und dessen Flügel fielen in die Grundstellung zurück. Nun konnte an die zurückliegende Station oder Blockstelle zurückgeblockt werden, so daß auch der Signalhebel in Grundstellung verbracht werden konnte.

In Endbahnhöfen befand sich in Höhe der Halteposition der Lok ein weiterer elektrische Kontakt, der dann auch den Signalhebel wieder freigab und dessen Verriegelung löste.

Die Umstellung auf Sicherungstechnik der Fa. Jüdel, nebst zugehöriger Optischer Telegrafen, später Form- oder Flügelsignale genannt, erfolgte bei der LBE Schrittweise ab dem Jahr 1892. Die Hamburger Bahn wurde aber erst um das Jahr 1900 mit der neuen Signaltechnik ausgestattet, so daß die gesamte Bahnstrecke mit den erst neu gemachten Bahnhofserweiterungen der Zwischenstationen, mit der neuen Technik im Jahr 1906 einsatzbereit war, als der neue Lübecker Hbf, im August 1906 in Betrieb ging.

Die bis dahin noch vorhandenen alten optischen Telegraphen wurden als Abfahrauftragssignale weitergenutzt, bis sie in den 1920er Jahren von den Gleissperrsignalen abgelöst wurden.

Ebenso verschwand auch der Signalbegriff Ruhe Halt mit nach unten zeigendem, obersten Flügel der ungekoppelten Jüdelsignale.

Die Zusatzbedeutung der Ruhe Halt Stellung als Betriebsruhe und gesperrter Einfahrt ab dem Signal leitet sich von der Grundstellung der früher verwendeten Optischen Telegraphen ab.

Die Dienstanweisung, Signale der jeweiligen Gegenrichtung sollen die Ruhe Halt Position anzeigen leitet sich ebenfalls von den Optischen Telegraphen ab.

Die heutigen Signalbegriffe "moderner" Formsignale wurden aber erst in der Epoche II verwirklicht, Vorarbeiten dazu wurden aber bereits ab 1910 geleistet.

Die im Internet verfügbaren Quellen sind nicht besonders ergiebig, das Durchstöbern alter, umfangreicher Archive zeigt sich dabei aber als besser und genauer.

Heimatmuseen, Stadtbibliotheken und Landesarchive der jeweiligen Bundesländer bieten jede Menge Informationsquellen.

Die Archive der früheren Eisenbahndirektionen werden regelmäßig geleert und an die Landesarchive überstellt, was nichts mit dem Personal der DB AG zu tun hat, Personalunterlagen befinden sich im Zentralarchiv der DB AG in Leipzig.

Hallo Thomas,

Ich habe weitere Blätter der Eisenbahn Commission in anderen Archiven aufindig machen können, aus den Jahren 1860 bis 1880 für die Bahnverwaltungen in Pommern, Sachsen, Württhemberg, Preußen und Baden. Darin werden unterschiedliche aber abweichende optische Telegraphen beschrieben mit anderen Flügelstellungen, die eher den heutigen entsprechen, allerdings werden bei einigen der Signale alle vier Quadranten je Fahrtrichtung genutzt.
Ich muß mich erst noch etwas tiefergehender damit einarbeiten, bevor ich hier Bericht erstatten kann.
Aber zum Verständnis, wie es zu den heutigen Formsignalen kam und für jemanden der gerne die Epoche I um 1860 bis 1900 darstellen möchte wäre es schon wichtig, auch möglichst originale Signale einsetzen zu können.
Die den Modellen beigelegten Kurzinformationen, sind meistens unvollständiger als erwartet.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist auch die damals verwendete Rechtschreibung und Grammatik und die Art wie Texte verfaßt wurden.

Ferner wird auch auf die Verwendung der Blockapparaturen eingegangen. Es gab mehrere unterschiedliche, regionale Ausführungen.

Dazu später mehr...

Moin Kollegen,
aus den Blättern der Eisenbahn Commission von 1878 wird sich mit der Art und Beschaffenheit optischer Telegraphen beschäftigt:
1.) Anordnung der Signale über- oder nebeneinander
2.) Standorte optischer Telegraphen
3.) Anzahl der zulässigen Signalflügel je Mast und Richtung
4.) Signale für Prsonenzüge
5.) Signale für Güterzüge

Für die Einfahrt in und Ausfahrt aus Bahnhöfen gab es früher Unterscheidungen nach Zuggattungen mit oder ohne Passagiertransport, ebenso spezielle Gleise und Fahrtrouten.

Die bis zum Jahr 1878 vornehmlich verwendete Signaltechnik basierte auf das von Saxby & Farmer im Jahr 1857 patentierte Kaskadensystem britische Bauart.

Hinter den Hebelbänken befanden sich die Schubstangen Verschlußregister.
Auch Fahrstraßenhebel wurden mit gewöhnlichen Stelhebeln ausgeführt.
Je Signalflügel der optischen Telegraphen wurde ein Stellhebel benötigt, ebenso für jedes Schleppgleis oder Weichenzunge. Stelleinrichtungen für mehr wie eine Flügel oder Weichenstellung wurden mit zwei oder mehr Hebeln ausgeführt.
Große Stellwerke konnten so mal locker mehr wie 280 Stellhebel haben.
Der alte Kölner Bahnhof hatte einige nach Saxby & Farmer errichtete Stellwerke mit den dazugehörigen Ein- und Ausfahrtsignalen.
Bei einer viergleisigen Ausfahrt verzweigten sich alle dieser Gleise in weitere Fahrtrouten von bis zu jeweils vier Gleisen.
Über den vier Ausfahrtgleisen waren Signalbrücken aufgestellt mit darauf befestigten Signalmasten und Flügeln für jeweils eine bzw. zwei Richtungen.
Die Signale für die jeweils sekundären Routen waren mit kürzerem Mast versehen und tiefer angebrachten Mast kenntlich gemacht worden, die tertiären also von den Nebengleisen abzweigenden Gütergleise wurden mit speziellen Signalflügeln noch etwas tiefer aufgestellt.



Eine ähnliche Situation wie vom Deckblatt des Saxby & Farmer Kataloges, dessen Urheberschutz bereits abgelaufen ist.

Die Eisenbahn Commission ist zu dem Entschluß gekommen zukünftige optische Telegraphen mit bis zu drei übereinander angeordneten Flügeln zu empfehlen, welche in der ungekoppelten Version das nach unten Hängen des jeweils obersten Signalflügels erlauben, also in der Grundstellung eines für den Bahnverkehr gesperrten Gleisbereiches ab dem Aufstellungsortes des Signals.

Signale haben grundsätzlich rechts vom Gleis zu stehen oder Falls nicht genügend Platz vorhanden ist, auf einer Signalbrücke über dem Gleis.
Bei Signalen für zwei Fahrtrichtungen zwischen zwei Gleisen oder an eingleisigen Strecken dann über dem betreffenden Gleis oder auf einer Seite neben dem Gleis.

Eine Unterscheidung der optischen Telegraphen in Güter- und Personenzugverkehr solle zukünftig nicht mehr stattfinden.
Auf einen dritten Flügel könnte verzichtet werden, da die Flügelstellung eine Verminderung Geschwindigkeit vorsähe und das Zugpersonal es schon merken würde wenn mehr wie eine abzweigende Weiche befahren wird.

Grundstellung eines optischen Telegraphens sei ein nach unten hängender Flügel, bei zwei oder drei flügeligen optischen Telegraphen seien ja die Flügel 2 und 3 senkrecht nach oben zeigen am Mast eingeklapt.
Die Grundstellung wird als Stellung 1 bezeichnet. Sie gibt einen für den Bahnverkehr gesperrten Bereich vor.
Abgedunkelte Laterne, später blaue Lichtscheibe bei Dunkelheit.

Stellung 2 ist eine nach oben aufwärts diagonale Flügelstellung sie erlaubt die Befahrung des nachfolgenden Streckenabschnitts bis zum nachfolgen optischen Telegraphen.

Die Stellungen 3 und 4 beziehen sich auf optische Telegraphen mit 2 oder 3 Flügeln in diagonal aufwärts zeigender Flügelstellung und erlauben die Fahrt mit verminderter Geschwindigkeit bis zum nachfolgenden optischen Telegraphen.

Nachtzeichen der Stellungen 2 bis 4 je Flügel ein weißes Licht, später je ein grünes Licht.

Stellung 5 hat die Flügel in waagerechter Position und als Nachtzeichen ein rotes Licht, es gebietet Halt und verbietet die Weiterfahrt. Es darf nur mit einem schriftlichen Befehl und größter Vorsicht überfahren werden.
Durch das Ziehen dieser Signalstellung wird der vorletzte optische Telegraph auf elektrischem Wege in Stellung 1 versetzt.

1878 war die Zeit der unterschiedlichsten Signale, welche von den jeweiligen Bahnverwaltungen eingesetzt wurden.

Es dauerte noch bis zum Jahr 1892 bis die von der Eisenbahn Commission gemachten Vorschläge in die Signalordnung übernommen wurden.

Mehrere Länderbahnen nutzten bis dahin Stellwerke und Signale von Saxby & Farmer oder von französischen Herstellern von Eisenbahnsicherungsanlagen und deren Signale.

Blockapparaturen und Läutewerke wurden unter Anderem auch von Siemens & Halske in Berlin erprobt und für den Eisenbahnverkehr entwickelt und gebaut.

Von Siemens & Halske wurden bereits erste elektrische Signale erprobt.


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Moin Kollegen,



Diese Grafik der optischen Telegraphen der Vorpommerschen Eisenbahn stammte aus den Blättern der Eisenbahn Commission von 1870

Auffallend ist, daß diese optischen Telegraphen Signale für beide Fahrtrichtungen an einem Mast befestigt sind und deren Grundstellung, der nach unten hängende Flügel ist.

Aus der Signalordnung jener Zeit ist zu entnehmen, die Einfahrt in den Gleisbereich ab dem Signal ist gesperrt.

Zur Wirkungsweise des betrieblichen Ablaufs muß man wissen, daß erst nach dem ertönen des Läutewerks das Signal auf die Fahrt frei Posisition (Flügel diagonal nach oben) gestellt wurde und so eine Einfahrt in den nachfolgenden Streckenabschnitt erlaubt.

Ist ein Zug vollständig eingefahren wird der hinter dem Zug liegende Abschnitt rückgeblockt und das Signal fällt auf Halt-Stop (horizontal waagerechte) Position und einen Abschnitt davor selbsttätig in die Grundstellung mit nach unten hängendem Flügel in die Sperrstellung Ruhe-Halt Position, Einfahrt in den nachfolgenden Abschnitt ist gesperrt.

Somit sollte die bestmögliche Sicherheit im Eisenbahnverkehr gewährleistet werden.

Pro Bahnhof standen 3 bis 4 solcher Signale, je eines vor den Weichen und je eines am Ende dess jeweiligen Bahnsteigs, bei versetzten Bahnsteigen stand nur ein Signal direkt vor dem Büro des Stationsvorstehers, dem späteren Fahrdienstleiter.

Auf mehrflügeligen optischen Telegraphen Signalen vor Weichen wurde verzichtet.

Bahnhöfe wurden außerhalb von Stationen mit Schildern vorangekündigt und Weichen hatten rotierende Blechschilder, die die Abzweigrichtung anzeigten, wenn das Schleppgleis oder die Weichenzunge umgestellt wurden.

Auch in Preußen waren Signale dieser Bauart sehr beliebt und häufig anzutreffen.

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