Am ersten Wochenende im März war ich im Vogelsberg (Wer das Gebiet nicht kennt: Hessen, Gießen, dann mit dem Finger nacht rechts). Ich habe dabei die Gelegenheit wahrgenommen, endlich einen Ausflug zum ehemaligen Bahnhof nach Schotten zu machen. Diesen Bahnhof wollte ich als Modell einstmals gerne nachbauen, allerdings benötigt man allein für die ausgedehnten Bahnhofsgleise in der Baugröße H0 (unverkürzt) annähernd 7 m Raumlänge. Den Gleisplan und die Geschichte des Bahnhofs sowie der Strecke zwischen Nidda und dem Endbahnhof Schotten findet man in der MIBA-Ausgabe »Anlagen-Vorbilder für Kenner und Genießer« von Michael Meinhold, lesenswert ist auch der Artikel »Zwei oberhessische Nebenbahnen« von Dieter Eckert in der Ausgabe 5/1988 in Bahn & Modell.
Aus dem Internet wusste ich, dass die Gleisanlagen und das Empfangsgebäude komplett verschwunden waren. Ein schmaler Güterschuppen hält die Erinnerung daran kaum wach. Verwundert hat mich, dass beim Übereinanderlegen des MIBA-Gleisplans, des Google-Luftbilds und der amtlichen Katasterkarte sich eine deutliche Abweichung in der Lage des einstigen Güterschuppens zu dem jetzigen Güterschuppen zeigte. Laut Gleisplan, und nach einigen alten Fotos, müssten der Schuppen und das Empfangsgebäude mitten auf der heutigen Bundesstraße gestanden haben.
Google zeigte mir allerdings auch, dass der Lokschuppen noch an seiner ursprünglichen Stelle steht (Google earth - Schotten Lokschuppen). Vom Güterschuppen aus fährt man leicht bergab auf der zur Straße umgebauten ehemaligen Trasse durch ein Gewerbegebiet, biegt steil bergauf nach rechts ab und sieht links, am Ende einer weiten planierten Fläche, einen Backsteinbau mit rechteckigem Turm. Direkt daneben liegt eine im Querschnitt halbrunde Industriehalle.
Ehemaliges Gleisfeld und Ladeplatz
Nach Osten und Süden fällt der Platz steil ab. Es wirkt, als sei dieses Plateau erst durch umfangreiche Aufschüttarbeiten entstanden. Nur im Bereich rechts der Industriehalle kann man noch Reste der ehemaligen Ladestraße erkennen.
Der Lokschuppen wird heute anscheinend als Werkstatt- oder Produktionsgebäude verwendet; Paletten, Kabeltrommeln und Metallreste liegen herum. Auf der westlichen Seite sind die Fensternischen zugemauert, ebenso Teilbereiche der ehemaligen Torfront, bedingt durch den Einbau eines gegenüber den ursprünglichen Torflügeln kleineren Hallentores.
Die ehemalige Trasse Richtung Nidda
An der Ostseite führt die deutlich tiefer liegende ehemalige Trasse in einem leichten Bogen um den Lokschuppen herum, von hier bis zur Einfahrweiche war die Steigung noch beachtlich.
Ansicht des Lokschuppens von der ehemaligen Trasse aus. Bei diesem Blick von unten nach oben erscheinen Turm und Halle fast wie eine Kirche.
Bei mir hinterlässt der Lokschuppen einen ungewöhnlichen, einen ungewöhnlich schönen Eindruck. Er wirkt, auch mit seinen klassischen Stilelementen, modern und leicht. Der verputzte Giebel auf der Torseite - ich habe dies bisher noch bei keinem anderen Lokschuppen dieser Größe gesehen - findet eine formale Fortsetzung am Giebel des angesetzten Wasserturms. Obwohl wuchtig in seinen Ausmaßen, wird dieser Eindruck aufgelöst durch die Lage und die Proportionen der Fenster (im oberen Teil des Turms waren vermutlich auch diese durch Spossen nochmals unterteilt), durch Simse und die Verteilung von verputzen und unverputzten Flächen. Für solch ein Objekt an einer Nebenbahn ein unvermuteter architektonischer Ergeiz; demgegenüber wirkte das längst abgerissene Empfangsgebäude unverständlich normal.
Hoffentlich bleibt zumindest dieses Gebäude des verschwundenen Bahnhofs erhalten.
Hallo und danke für den Bildbericht! Deine Bilder inspirieren mich zum Nachbau. Denn so etwas in der Art wollte ich noch für einen kleineren Modellbahnhof bauen.
Die im 2. Bild zu sehende "im Querschnitt halbrunde Industriehalle" ist, so wie sie aussieht, eine sogenannte Nissenhütte (Nissen Hut). Diese Bauart ist auch ein Relikt aus vergangenen (und schlimmen) Zeiten.
ich würde diesen Lokschuppen auch gerne nachbauen, aber auf meiner Anlage fehlt der Platz für die Wasserturm/Schuppen-Kombination. Bei der halbrunden Industriehalle bin ich mir nicht sicher, ob das eine Nissen-»Hütte« ist. Die Halle ist deutlich größer, zudem hat sie nicht die typische Charakteristik der Nissen-Hütten. Vielleicht ist es ein Überbleibsel amerikanischer Militärtechnik (die Amerikaner waren in dieser Gegend)? Oder nur einfach eine ältere Industriehalle.
den Link hatte ich mir bei meiner Recheche zu Schotten angesehen. Das Foto https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bahnhof_Schotten.jpg zeigt das Empfangsgebäude, aber das große Gebäude links ist nicht der von mir fotografierte Lokschuppen. Der Architekturstil des noch existerenden Lokschuppens lässt darauf schließen, dass dieser erst einige Zeit nach dem Bau des Empfangsgebäudes errichtet wurde - etwa 20 Jahre danach. Anscheinend war das Gleisbild bei der Eröffnung des Bahnhofs ein anderes als das, was die MIBA-Ausgabe »Anlagen-Vorbilder für Kenner und Genießer« (zuvor bereits bei Bahn & Modell veröffentlicht) zeigt.
Das Gebäude links auf dem oben genannten Foto scheint der ursprüngliche Lokschuppen zu sein, sein nüchterner Fachwerk-/Backstein-Stil entspricht den in der Gegend zu selben Zeit erbauten Lokschuppen - z.B. in Laubach. Es scheint, als ob der linke Teil des Bahnhofs mit der langen Ladestraße und dem neuem Lokschuppen nachträglich entstanden ist. Wie ich schon schrieb: Die Erdarbeiten für dieses künstliche Plateau müssen umfangreich gewesen sein, und der architektonische Ergeiz für den neuen Lokschuppen - der deutlich eleganter wirkt als das Empfangsgebäude - war ungewöhnlich.
Zur Zeit finde ich leider weder Zeit zur weiteren Recherche noch zum Bau an meiner Anlage. Die Geschichte des Bahnhofs scheint es aber wert zu sein, sich weiter damit zu beschäftigen.
H0-Modellbahnforum.de - das Forum mit der Forumbahn!
»
Modellbahn - Planung, Bau und Betrieb
»
Bahnanlagen beim Vorbild
»
Der Lokschuppen in Schotten
Thema drucken
24.04.2016 09:36
Antworten
