Interessant sind die prozentualen Abzüge bei den Brh, daran kann ich mich nicht mehr erinnern, vermutlich ist das neu. Das übrige Procedere entspricht dem meiner Zeit.
Mit fehlenden Bremshundertsteln hatte der ICE2 zu kämpfen, weil er je Mittelwagen nur zwei Magnetschienenbremsen besaß und meist haarscharf auf Mindestwert fuhr (speziell die bergige Strecke über Wuppertal und Hagen). Fiel eine MG aus, ging die von Dir genau beschriebene Übung los - Betriebsleitung usw.
solch prozentualen Abzüge hinsichtlich der Länge eines Zuges gibt es auch für lokbespannte Reisezüge. Habe ich aber nicht intus und Wagenprüfer P habe ich auch nicht. Damit müßte ich just das Regelwerk hinzuziehen.
Ich hätte bei den Güterzügen noch tiefer in die Materie gehen können, aber alles hat man nicht im Kopf und ich hätte für diese Ausführungen auch nochmal die Regelwerke bemühen müssen. Davon abgesehen, würde es dann zusehr den Rahmen der Frage von Carsten und Horst sprengen. Denn nur als Beispiel, bei einem Güterzug in Bremsstellung G wird bei einer Länge von 701 bis 815 m nochmals 5% vom Bremsgewicht abgerechnet. Genauso auch bei dem Zugteil der Bremsstellung G in einem Zug mit Bremstellung P in dieser genannten Länge nochmal 5% vom Bremsgewicht abgezogen werden muß. Also, des ist zu umfangreich, um hier alles wieder zugeben.
Ich hoffe, das ich die Frage von Horst und Carsten wenigstens ansatzweise beantworten konnte.
wirklich äußerst interessant, lehrend und extrem unterhaltsam. Ich freue mich sehr, ein Abo hier zu haben. Eure Geschichten rufen in mir Erinnerungen an meine Geschichten als Fahrgast hervor. Ich bin 1997/1998 viel mit dem ICE zur Kaserne gefahren. Das war für mich richtig schön - ich mochte die Fahrten im ICE. Und wer weiß, Kurt, vielleicht hast du mich auch hin und wieder mal transportiert. Wäre interessant, zu wissen.
Meine Strecke sah so aus:
1. & 2. Woche September 1997 - Wachbataillon Siegburg - IR von Halle(Saale) Hbf nach Magdeburg Hbf - ICE von Magdeburg Hbf nach Köln Hbf - RE/RB von Köln Hbf nach Siegburg
ab 3. Woche September bis 31.10.1997 - 1./LwAusbRgt 1 - IR von Halle(Saale) Hbf nach Magdeburg Hbf - ICE von Magdeburg Hbf nach Köln Hbf - RE/RB von Köln Hbf nach Mönchengladbach - Bustransfer von Mönchengladbach nach Budel/NL
ab 1. Woche November bis 30.06.1998 - LVR8 Mechernich - IR von Halle(Saale) Hbf nach Magdeburg Hbf - ICE von Magdeburg Hbf nach Köln Hbf - RE/RB von Köln Hbf nach Mechernich(Eifel)
Die ICE trugen damals schon Namen. Ich kann mich an Hildegard von Bingen erinnern und weiß noch, dass irgendwann 1997/1998 ein Wechsel von ICE 1 auf ICE 2 stattfand. Toll war das!
Ich kann mich speziell an eine Fahrt von MD aus erinnern. Da wurde in Berlin ein elektronisches Stellwerk (so Auskunft der Servicepoint-Mitarbeiter in Magdeburg) in Betrieb genommen und unser ICE von dort kommend hatte in Magdeburg knapp 4 Stunden Verspätung wodurch wir sonntags keinen Zug mehr von Köln nach Mechernich bekamen und die DB uns eine Taxifahrt spendierte.
Ich hab im ICE fast immer geschlafen, was an einem Maifreitag dazu führte, dass ich erwachte und aus dem Fenster die Bahnhofstafel Magdeburg Hbf auf dem Bahnsteig sah. Der ICE stand schon am Gleis. Ich raffte mich auf und wie ich mir den Seesack schnappte, fuhr der ICE an...in Potsdam stieg ich dann in den Gegenzug ein...
Die Züge waren immer sehr voll, so daß wir zusätzlich zu unserer BW-Fahrkarte noch jede Woche Sitzplatzreservierungen buchten. Einmal hatten wir Wagennnummern, die weit am Ende lagen. Der Zug fuhr ein. Scheiße, die Reservierung ist in der 1. Klasse. Unser Fahrschein galt aber nur für die 2. Klasse. Die Zugbegleiterin ließ uns 1. Klasse fahren weil die 2. Klasse hoffnungslos überfüllt war. Sie versprach, zum Wechsel in Hannover dem neuen Zugteam bescheid zu geben. Das klappte gut. So fuhren wir bis Köln 1. Klasse im ICE2 mit Fernsehen! Da habe ich alle Folgen Mr. Bean gesehen, gefühlte 20x!
Von 2007 bis 2012 war ich sehr oft mit Fernzügen nach Frankfurt/Wiesbaden/Hamburg unterwegs. Nach Köln hingegen bin ich die letzten 5 Jahre immer geflogen - geht schneller und günstiger.
könnte durchaus sein, daß ich Dich mal im Zug hatte, denn die Strecke Köln - Hannover (geht weiter nach Berlin) bin ich mit ICE 2 oft gefahren.
Spannend war das Kuppeln in Hamm, wo dem vorderen Zugteil (der über Dortmund fuhr) der zweite, über Hagen kommende Teil angefügt wurde. Mit "Waschfahrt" (= 2 km/h) wurde automatisch gesteuert beigefahren, die Schakus mußten einrasten und Myriaden von Verbindungen - von Luft bis Licht - herstellen. Meistens funktionierte es und wenn nicht, war wieder der "heilige Siemens" gefordert...
Besonders nett war der häufige Software-Wechsel, der jedesmal andere Bedienungsschritte erforderte. Der Merkzettel auf dem Führerpult erwies sich als Standard-Dauereinrichtung. Ach ja: Während des Beifahrens hatten wir (Lokf. 1. Teil, Lokf. 2. Teil) Kontakt über Rangierfunk und wir tauschten mitunter recht derbe Bemerkungen aus ... wenn ich eine davon hier veröffentliche, schmeißt der Admin mich raus...
jetzt habe ich was angerichtet: Diese Zeilen, die ich über Juanita geschrieben habe … darf man sowas eigentlich erzählen? Ich habe vor der Veröffentlichung lange mit mir gerungen – allgemein-unpersönliche Begebenheiten gab’s ja ersatzweise genug –, doch letzten Endes siegte die Überzeugung, es sei durchaus vertretbar, die Leser auch mal ein wenig ins Innere des Schreibers blicken zu lassen. In diesem Sinne eine weitere Begebenheit, an der Juanita beteiligt war – und als separate Folge dann das Ende der Geschichte…
3) Murks gemacht Das Jahr 1991 hatte es in sich: Es bescherte mir die Ausbildung für die damals in unserer Gegend brandneue Drehstromlok E 120, ferner öfteren dienstlichen Kontakt mit jener bildschönen Zugchefin Juanita (wir fuhren nicht selten gemeinsam ICs und Interregios), und es war das Jahr, in dem ich mal so richtig Mist baute – und natürlich war sie dabei, reiner Zufall, doch ein glücklicher Zufall, weil … langsam, der Reihe nach.
Wie ich zur Ausbildung E 120 gekommen bin, ist eine eigene, ganz spezielle Geschichte, die ich später erzählen möchte; an dieser Stelle genügt es, zu wissen, daß es seinerzeit in Deutzerfeld nur sechs Lokführer gab, die für diese Lok fahrberechtigt waren – und weil ich mal wieder ganz laut „hier!“ gerufen hatte, war ich einer von ihnen.
Es ist im Nachhinein nicht mehr feststellbar, wer den dienstplantechnischen Fehler begangen hatte, Tatsache war: Wir hatten täglich (also an sieben Wochentagen) je einen mit E 120 bespannten Intercity von Köln HBf nach Dortmund HBf (und zur Abstellung weiter in den dortigen Betriebsbahnhof) zu fahren, waren aber nur sechs Mann, wie gesagt. Die Schicht war zeitlich recht kurz, knapp sieben Stunden: Den besagten IC bis zum Dortmunder Betriebsbahnhof, Lok abstellen mit A1, Pause, neue Lok – eine E 103 – mit V1 übernehmen, an einen in der Halle stehenden Postzug beifahren, rauf zum Hauptbahnhof, Ladezeit, Postzug mit Ladehalten Bochum, Essen, Duisburg und Düsseldorf bis Köln HBf, Übergabe an Ablöser, Feierabend gegen 21:00 Uhr. Da machte man sich nicht kaputt – allerdings hatte die Sache einige Haken und Ösen: Die Schicht fiel, siehe oben, siebenmal in der Woche an, wir waren nur sechs „Drehstrommänner“, und wenn einer von uns diesen Zug an sechs Tagen die Woche fuhr, hatte er gerade mal (Pausenabzüge eingerechnet) 34 Stunden zusammen – sechsmal zur Arbeit fahren und dann noch Minuszeiten machen. Der Disponent stand folglich vor einem Problem, das er auf seine Weise löste: Dreimal 120er, einmal lange Schicht = vier Tage Dienst; viermal 120er, zweimal lange Schicht = sechs Tage Dienst. Nach Kalkulation der Arbeitsstunden folgten entsprechende Ruhetage. Wenn nun aber einer der 120-Lokführer krank wurde, in Urlaub ging oder sonstwie ausfiel, brach dieses Hilfsgerüst zusammen und es wurde vorrangig die 120er-Schicht besetzt, was dazu führte, daß ich in einem Monat des Jahres 1991 ausschließlich diese Tour zu fahren hatte – und das 26mal! Aber man ist ja kooperativ. Wenn ich mich telephonisch zum Dienst meldete, sagte ich meist „… Mitarbeiter der Köln-Dortmunder Eisenbahn.“ Den Knackpunkt dieser Geschichte bildet jedoch letztendlich der Postzug, denn er „war schuld“, daß ich eines Tages ziemlichen Mist baute: Tagaus, tagein IC mit E 120 nach Dortmund und den Postzug zurück. Postzüge ließen sich angenehm fahren: wenige Halte und die länger als mit Reisezügen üblich, weil be- und entladen wurde. Jeden Tag stets dieselben Halte in Bochum, Essen, Duisburg und Düsseldorf – ansonsten Durchfahrt allerorten. Und so baute sich bei mir im Hinterkopf eine Gedankenschleife auf: Mülheim an der Ruhr 100 km/h, Durchfahrt, Variante: Mülheim/Ruhr 100, ohne Halt. Jeden Tag: Mülheim mit 100 durch, Mülheim/Ruhr 100 und Durchfahrt…
Ich hatte zum Abschluß der 26 „Drehstromtouren“ tatsächlich siebenmal hintereinander täglich diesen Dienst gefahren, als der Disponent mir sagte, er habe aus dem AW Opladen zwei Abnahmelokführer losgeeist, die vertretungsweise die 120er-Tour übernehmen würden, ich hätte daher erstmal drei Tage Ruhe und anschließend zur Abwechslung einen IC nach Hannover und Interregio zurück nach Köln. Bei aller Liebe zur E 120 freute ich mich, dem ewig gleichen Dienst zumindest kurzfristig entkommen zu sein.
Strahlendes Sonnenwetter, eine zeitlich sehr günstig liegende Dienstschicht, Intercity nach Hannover mit Mittagspause in der Direktionskantine und danach einen Interregio zurück – Gelegenheit, in Gütersloh den „Landeanflug“ durchzuführen, um in der Übung zu bleiben (was es damit auf sich hatte, erzähle ich in der nächsten Geschichte). Der Tag „war mein“ – für die Hinfahrt stimmte es, aber ich mußte auch noch nach Köln zurück…
Ich hatte in der Hannoveraner Direktionskantine gut gegessen und ging gemessenen Schrittes zum Hauptbahnhof, stieg dort die Treppe zum Bahnsteig empor und schlenderte langsam, weil noch Zeit war, Richtung Ausfahrsignal, dem Bahnsteigende entgegen. Als ich an der Aufsichtsbude vorbeikam, sagte ich dem Kollegen, ich sei der Lokführer für den „Regio“. „Dann ist die Mannschaft ja vollzählig“, antwortete er, „die Zugchefin und ihre Leute wollten ein Stück weiter nach vorne gehen, da kannst du sie gleich begrüßen.“ „Na prima, mache ich!“ Zahllose Menschen auf dem Bahnsteig, es war ein früher Freitagnachmittag, die Wochenendheimfahrten hatten begonnen. Weiter nach vorne zu wurden die Fahrgastmengen weniger – da sah ich sie: Juanita, bildschön und atemberaubend wie stets und drei Schaffner, die ja mittlerweile „Zugbegleiter“ genannt wurden. „Hallo, das ist aber schön, daß wir mal wieder im selben Zug sind!“, begrüßte Juanita mich strahlend, sagte noch einige lobende Worte über meine Fahrweise. Ich bemühte mich, cool zu wirken, jene Befangenheit zu überspielen, die mich jedesmal erfaßte, wenn ich ihr nahe war, so wie jetzt. Mir blieb nichts anderes übrig, als einige Scherzworte abzulassen und mit ihr und den anderen Kollegen über Alltägliches zu reden. Das ärgerte mich, machte mich irgendwie kirre, doch ich wollte nicht den „verknallten Gockel“ spielen; ich war nicht mehr jung genug, diese Verliebtheit einfach offen zu gestehen. Der Zug wurde angesagt, ich riß mich von Juanitas Anblick los, machte noch einen faulen Witz und ging weiter vor, zur Ablösestelle an der H 300.
Die Fahrt verlief zunächst ohne Zwischenfälle; Juanita meldete sich nur einmal kurz über das Zugtelephon, weil der Interregio, wie sie sagte, „bis zum Stehkragen besetzt“ sei und sie daher leider keine Zeit für weitere Gespräche habe. Schade, sehr schade, doch die Arbeit geht vor.
In Essen HBf trafen wir eine Minute vor Plan ein. Juanita stieg aus dem ersten Wagen, kam zur Lok, ich legte die Zusatzbremse fester an, kletterte zu ihr runter und endlich konnten wir ein wenig miteinander reden: belangloses Zeug … sie war unheimlich lieb und nett und dennoch so unnahbar, unerreichbar, fern wie auf einem anderen Planeten…
Planmäßige Abfahrt in Essen HBf. Ich brachte den „Regio“ auf Touren, fuhr die Strecke in totalem Unterbewußtsein – denn ich befand mich dort, wo ich mit diesen E-120-Diensten jeden und jeden Tag entlangdüste. Der eine oder andere Geschwindigkeitswechsel – Routine, pure Routine. Nun ins Gefälle Richtung Mülheim, Tempo runter auf 120 km/h, den Indusi-Prüfabschnitt passiert, nächste Geschwindigkeitssenkung auf 100 km/h – Mülheim/Ruhr durch, mit 100 km/h… Der Bahnhof Mülheim/Ruhr liegt im Gefälle und bildet eine Kurve, daher die 100 km/h – die zeigte der Tachometer exakt an, als ich den Bahnhof erreichte, Durchfahrt mit 100 … die vielen Menschen auf dem Bahnsteig, am Anfang des ersten Viertels seiner Länge … Herr des Himmels! … Nix Postzug, der Regio hatte in Mülheim zu halten! Gleichzeitig mit diesem schlagartigen Gedanken riß ich das Führerbremsventil in die Schnellbremsstellung, der Zug entwickelte „tierische“ Bremskraft mit wirkenden Magnetschienenbremsen, die Fahrmotoren der E 103 jaulten unter den maximalen Bremsströmen … bleibt das Biest denn nie stehen? … Vorbei am Hp1 zeigenden Ausfahrsignal am Bahnsteigende, langsamer, langsamer … und mit einem heftigen Ruck hielt mein Zug an – mindestens drei oder vier Wagen über den Bahnsteig hinaus und „im Schotter“ … voll Sch… gebaut, Mist, verdammter, diese verfluchte Routine mit dem Postzug … ‚ist keine Entschuldigung, Junge‘, sagte meine innere Stimme, ‚du hast Murks gemacht, und zwar gewaltigen!‘ Zusatzbremse anlegen, durchgehende auslösen – automatischer Reflex. Wegen der Rechtskurve konnte ich beim Raussehen nach hinten nicht mehr als zwei Wagen erkennen – und die waren nicht mehr am Bahnsteig, standen „im Dreck“, wie wir im Jargon sagten. Ich hörte einen scharfen, wohlbekannten Pfiff, erzeugt zwischen den Fingern: Juanita hatte – wie sie später erzählte – einige Fahrgäste, die „im Schotter“ aussteigen wollten, buchstäblich zurückgepfiffen. Wie auch immer: Trotz ihrer Fixigkeit und Geschicklichkeit im Umgang mit Menschen dauerte es seine Zeit, bis die Fahrgäste, die aus den nicht am Bahnsteig befindlichen Wagen aussteigen und dazu nach hinten zu den ordnungsgemäß stehenden Wagen zurückgehen mußten, den Zug verlassen konnten. Unterdessen rief die Betriebsleitung über ZBF an und wollte wissen, was geschehen sei. Ich schilderte wahrheitsgemäß den Vorgang und stieß auf Verständnis: „Wo gehobelt wird, fallen Späne.“ „Ich stehe über das Hp1 zeigende Signal hinaus – für die Weiterfahrt brauche ich einen schriftlichen Befehl“, ergänzte ich noch. „Ich verbinde dich mit dem Fahrdienstleiter Mülheim – gute Weiterfahrt!“ Um die Sache abzukürzen: Ich erhielt, diktiert über Zugbahnfunk, den Befehl, nach wenigen Minuten meldete sich Juanita und gab mir über das Zugtelephon den mündlichen Abfahrauftrag. Weiterfahrt, Blick auf die Uhr: Meine Fehlleistung hatte 13 Minuten Verspätung gekostet. Kommentar? Nein, denn damit müßte ich mich selbst fertigmachen…
In Duisburg, während des kurzen Aufenthaltes, kam Juanita an die Lok, grinste breit und mahnte: „Liebchen – das Mülheimer Modell machst du aber nicht öfter, gell?“
Das war Juanita: humorvoll, unerschütterlich, immer alles im Griff…
Hallo Micha, hallo Kurt, danke für die Erklärung des Bremshundertstel, na ja also muß man unter Umständen auch noch Mathematik auf der Lok machen. Ich mein zum überprüfen der Papiere, oder? Kurt, schöne Geschichte wieder von Dir. na ja es sind eben nicht alle Tage Sonnenschein und jeder macht eben auch mal nen Fehler, deshalb sind wir ja Menschen. Gruß Carsten
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ja, man sollte die Mathematik beherrschen. Es wird dann nötig, wenn man den Zug "Kopf" machen muß und er über 1200t Wagenzuggewicht hat, in Bremsstellung P fährt und nach Möglichkeit auch noch ein gemischter Güterzug ist. Weil dann muß man bei einigen Wagen die Bremsstellung wechseln und diese Wagen neu berechnen. Wagenzüge bis 1200t sowie Züge in Bremsstellung G sind beim "Kopf" machen problemlos zu handhaben. Aber auch beim Aussetzen von Wagen gewinnt das ganze Procedere an Bedeutung.
@ Kurt,
ja, die liebe Routine. Das ist ja bei unseren Beruf so gefährlich. Auch ich habe in meiner kurzen Laufbahn bereits schon richtig Mist gebaut. Zum Glück ohne Folgen. Aber diese Geschichte kann und werde ich hier nicht kund tun!!! Aber ich denke, wenn Dich der Fdl auf "Halt" hätte fahren lassen, wäre Dir der Fehler nicht passiert.
Hallo Micha, also irgendwie konnte ich Dir jetzt nicht ganz folgen. Wieso gibts beim "Kopf" machen unterschiedliche Bremsgewichte, wenn kein Wagen dazukommt oder abgeht? Gruß Carsten
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ZitatGepostet von CAT Hallo Micha, also irgendwie konnte ich Dir jetzt nicht ganz folgen. Wieso gibts beim "Kopf" machen unterschiedliche Bremsgewichte, wenn kein Wagen dazukommt oder abgeht? Gruß Carsten
Hallo Carsten,
Es läßt sich ganz einfach erklären. Leere Wagen haben ein anderes Bremsgewicht wie beladene Wagen. Ausserdem haben unterschiedliche Wagen auch unterschiedliche Bremsgewichte. Das findet man sogar innerhalb einer Wagengattung, das baugleiche Wagen von Haus aus schon unterschiedliche Bremsgewichte haben können. Deswegen habe ich auch bewußt von einem gemischten Güterzug geschrieben. Es laufen aber auch noch Faktoren wie ausgeschaltene Bremsen mit rein. Wagen, deren Bremse inaktiv ist, können nicht angerechnet werden. Bei einem Zug in Bremsstellung P, deren Wagenzuggewicht 1200t übersteigt, müssen die ersten 5 Wagen in Bremsstellung G gestellt werden. Wenn man bei einem solche Zug "Kopf" machen muß, hat man viel zutun. Die ersten Wagen werden nun die letzten, müssen also in Bremsstellung P umgestellt werden. Die letzten Wagen werden nun die ersten und müssen folglich in Bremsstellung G gestellt werden. Allein dadurch mußt Du schon die 25% bei Bremsstellung G abrechnen. Das ändern der Bremsstellung bei einigen Zügen und bei bestimmten Wagenzuggewichten hat mit den auftretenden Längskräften und Zerrungen im Zugverband zutun. Damit sollen diese Kräfte minimiert werden. Ich muß mal schauen, das ich mal eine Wagenliste einbringen kann. Vielleicht wird es dann verständlicher.
wieder mal eine äußerst interessante Geschichte von dir. Die schöne Juanita hat es Dir aber ganz schön angetan. Junge, Junge, Du bist ja immer noch verliebt...
Was das verbremsen angeht, so mag es Dich trösten, dass das auch anderen schon passiert ist.
Vor etwa zwei oder drei Jahren bin ich mal wieder in die Arbeit geÖBBt. Nach der Arbeit hab ich am BHF Felixdorf (Strecke Wien-Meidling - Wr. Neustadt) auf meinen Zug Richtung Wien gewartet. Damals war an der Strecke noch Linksverkehr. Ich beobachte also vom anderen Bahnsteig aus, wie ein Regionalzug, bestehend aus einer 1116 (Taurus) und fünf Bmpz-dl (besser bekannt als Wiesel-Doppelstöcker) in Richtung Wiener Neustadt einfährt. "Junge", dachte ich noch, "für das, dass Du hier halten sollst hast Du aber noch einen ganz schönen Zahn drauf." Der Zug kam dann auch mit Knirschen, kreischen und Quietschen zum stehen, doch die Lok und die ersten eineinhalb Waggons standen über das Bahnsteigende hinaus ("im Dreck", wie ich gerade gelernt habe). Der Lokführer schaut raus, schreit seinem Schaffner was zu. Der pfeifft und sagt was durch (was, konnte ich nicht verstehen, kann es nach der dann erfolgten Aktion aber erahnen). Die Türen schließen sich, die Taurus-Tonleiter steigt an, der Zug bewegt sich langsam rückwärts, bis wieder alle Wagen am Bahnsteig stehen und der Lokführer das Ausfahrsignal sehen kann (es stand die ganze Zeit auf Grün). Coole Aktion jedenfalls, auch wenn ich so was noch nie zuvor und auch seitdem nie wieder gesehen habe.
Hallo Micha, ja jetzt hab ich´s verstanden. Klar, wenn das so ist, mit den verscxhiedenen Bremseinstellungen, dann ist beim Kopf, natürlich alles anders einzustellen. Macht das dann der Lokführer, oder wer? Gruß Carsten
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das mit dem ÖBB-Zug, der ein Stück am Bahnsteig vorbeifuhr, ist ein dicker Hund: Leider kenne ich die Fahrdienstvorschrift der ÖBB nicht, aber bei uns war (ist noch?) das Zurücksetzen verboten. In Österreich vermutlich ebenfalls, aber Lokführer und Schaffner kannten wahrscheinlich die Strecke und die Lage der Gleiskontakte...
Juanita - tja, das war ein Fall für sich. Sagenhafte Schönheit, hochintelligent, drei Fremdsprachen (Spanisch [als native speaker], Englisch und Französisch, letzteres nach ihrer Aussage aber nicht so gut) und eben perfekt in ihrem Beruf. Ja, ich alter Idiot war verliebt (ich war zu der Zeit immerhin bereits 43). Das Ende kam wie ein Schlag mit dem Hammer - und das ist Thema der Geschichte, die ich jetzt nachfolgend einstelle.
nach dem Desaster mit dem Interregio in Mülheim/Ruhr vergingen einige Wochen, in denen ich noch so manchesmal diesen Postzug fuhr und bei der Durchfahrt Mülheim zuweilen ein ungutes Gefühl empfand: Daß ich einen Zug teilweise am Bahnsteig vorbeigefegt hatte, belastete mich mehr, als ich damals zugegeben hätte. Sowas mußte mir passieren, der ich ebenso ehrgeizig wie perfektionsversessen war. Nun ja, Schwamm drüber. Heute möchte ich noch eine Geschichte mit Juanita erzählen und auch, was am Ende geschah…
4) Und wieder nach Hannover… Juanita, die hinreißend schöne Halbindianerin, beherrschte – wie bereits geschildert – ihren Aufgabenbereich mit der bei Ex-DR-Personalen üblichen Perfektion. So kam es, daß sie dank des anfangs der Neunziger beginnenden auch hierarchischen Umbruchs der Bahnstrukturen trotz ihres jugendlichen Alters von 25 Jahren Zugchefin wurde. Anfangs sah ich sie ab und zu als Zugführerin im Nahverkehr, doch offensichtlich hatten ihre Vorgesetzten erkannt, welche Perle sie in ihr hatten, denn Juanita besaß nicht nur viel Charme, sondern mehr noch ein nachgerade unglaubliches Durchsetzungsvermögen. Und das prädestinierte sie, Zugchefin im Fernverkehr zu werden, auf Intercity und Interregio die betrieblichen und kundendienstlichen Belange zu leiten. Woher ich das weiß? Nun, diese Züge besaßen allesamt telephonische Verbindung mit der Lok (über das UIC-Kabel). Juanita und ich waren mehrmals auf dem gleichen Zug – sie als Zugchefin, ich als Lokführer. Und sie nutzte zu meiner Freude die Gelegenheit, per Telephon mit mir das eine oder andere Schwätzchen zu halten, wenn ansonsten nichts ihr Eingreifen erforderte.
An einem unchristlich frühen Morgen des Jahres 1991, es war nach dem Wechsel zum Winterfahrplan und diese Tour mit E 120 fuhr nun eine andere Dienststelle, hatte ich den ersten Interregio des Tages nach Hannover zu bringen, mit hübschem Schlenker über Neuss, Abfahrt Köln HBf gegen 6:00 Uhr, oder ein bißchen früher. Das wäre noch halbwegs erträglich gewesen, doch ich mußte den Zug im Abgangsbahnhof Köln-Deutzerfeld bespannen, mit V1 an der Lok und dem bremstechnischen Vorbereitungsdienst am Zuge; wenn ich mich recht entsinne, lag der Dienstbeginn in Deutzerfeld in der Gegend von 4:45 Uhr – toll…
Zu den Interregio-Zügen muß ich zunächst einige Anmerkungen machen: Sie wurden mit Umbauwagen gebildet, die von der IC-Bauweise abweichende Inneneinrichtungen besaßen und in jedem Waggon einen Großraumbereich und Abteile boten; im Großraumbereich fand man an einer Seite unter den Fenstern zudem Klappsitze. Den Umbau hatte das PFA Weiden vorgenommen. Interregiowagen zeigten sich in dezenter Lackierung kieselgrau/blau, verfügten über Minden-Deutz-Drehgestelle mit Scheibenbremsen, Magnetschienenbremsen und Drehmomentstützen und entwickelten unglaubliche Bremskräfte. Ein Interregio bestand in der Regel aus zehn bis zwölf Wagen, mithin war er so lang wie ein Intercity. Die Laufwege der „Regios“ entsprachen weitgehend denen der ICs, nur hielten sie an mehr Stationen. Fast alle ICs nach Hannover fuhren ab Hamm mit einem Halt in Bielefeld bis Hannover, nur wenige machten zusätzlich in Minden Station. Die Interregios dagegen hielten hinter Hamm in Gütersloh, Bielefeld, Herford, Bad Oeynhausen und regelmäßig auch in Minden. Dabei entsprachen ihre Fahrgeschwindigkeiten den IC-Zügen, nämlich 160 bis 200 km/h, je nach Ausrüstung der Strecken mit LZB.
Das bot uns die Möglichkeit, eventuell auf der Lok mitfahrenden Lehrlokführern und sonstigen, sich „vorgesetzt“ fühlenden Leutchen, im dafür prädestinierten Bahnhof Gütersloh den Blutdruck auf astronomische Werte hochzujagen: Die von Hamm (Heessen) bis kurz vor Bielefeld durchgehende LZB erlaubte in Gütersloh eben 200 km/h Geschwindigkeit. Von Heessen aus erreichten wir mit den Interregios, die mit E 103 bespannt waren, nach einiger Zeit diese 200 km/h und bretterten über die Strecke. Halt in Gütersloh – bei trockenem Wetter (einwandfreie Schienenverhältnisse!) und „grüner Welle“ hatten einige Kollegen und ich den „Landeanflug“ aus 200 km/h systematisch geübt und schließlich in den Griff bekommen. Soll heißen: So spät wie möglich anbremsen. Nach einigen „Testläufen“ hatte ich den Bogen raus, nachdem ich begriff, daß der Bremsweg von 200 nach 160 km/h genauso lang ist wie der von 160 km/h nach 0, bis zum Stillstand. Und weil die „Regios“ sagenhaft gut bremsten (ohne ep!), war es risikofrei möglich, in Richtung Bielefeld mit 120 km/h bei wirksamen 1 bar Drucksenkung an den Bahnsteig zu kommen; in Gegenrichtung durften es sogar 130 km/h sein. Am als richtig erachteten Punkt in die Vollbremsung (runter auf 3,5 bar HLL), Tacho-Ziel-Tacho-Ziel-Peilung, rauf auf 4,5 bar, kurz vor Halt auf 4,8 bar – und so lassen: Zug kommt butterweich punktgenau an der H 300 zum Stehen. Lösen nach Stillstand. Dies sah dermaßen spektakulär aus, daß gar mancher Zugführer danach an die Lok gewetzt kam und rief: „Du Wildsau, ich dachte, du fährst durch!“, Reisende auf dem Bahnsteig glaubten, der Zug würde nicht halten, Lehrführer „Pickel“ bekamen, weil sie das mangels häufigen Trainings nicht nachvollziehen konnten. Praktischer Nutzeffekt war neben der „Feeling-Übung“ das Rausfahren von Verspätung: Ein solcher Landeanflug in Gütersloh brachte bis zu zwei Minuten „Luft“ … nun ja – Spaß und Satisfaktion kamen auch auf… Bitte an mitlesende junge Berufskollegen: Keinesfalls nachmachen, die Zeiten haben sich geändert!
Nun aber zurück zu „meinem“ Interregio jenes Herbstmorgens. Der Papierkram (Zugaufschreibung, Bremszettel) war im Bahnhof Deutzerfeld von örtlichem Personal durchgeführt worden, nach Abschluß aller Vorbereitungen fuhr ich als Leerreisezug nach Köln HBf, wo das Zugpersonal zustieg. Es klopfte an der Lok. Ich öffnete das kleine Seitenfenster der E 103, rief „ich kaufe nichts!“ und schaute raus – da stand sie … Juanita, in top sitzender Uniform, strahlte mich an und wollte wissen: „Guten Morgen, Schatzi! Hast du alle erforderlichen Unterlagen? Bremszettel und so?“ „Guten Morgen, Chefin! Ja, alles komplett und bestens. Wir müssen nur noch fahren.“ Sie lachte kurz und ich genoß die drei, vier Typen, die nahe der Lok standen, uns beobachteten und gehört hatten, wie sie „Schatzi“ zu mir gesagt hatte… Ach ja… „Ich melde mich nachher übers Zugtelephon“, versprach Juanita, winkte kurz und ging … nein: schwebte am Zug entlang zu einem der hinteren Wagen, wo sie wohl ihr Dienstabteil hatte.
Mit 60 km/h ging es über Köln-Nippes aus der Stadt hinaus, 120 km/h durch den Bahnhof Köln-Longerich und weiter mit 140 bis Worringen; ab da 160 km/h bis kurz vor Einfahrt Neuss. Weil die Fahrzeit reichte, fuhr ich nie schneller als 140, weil die auch von schweren Güterzügen genutzte Strecke (Bayer-Werke Leverkusen, jede Menge Chemietransporte) etwas ruppig wirkte: vertikale und horizontale Auslenkungen ließen die E 103 ganz hübsch tanzen, da waren die 140 km/h wirklich schnell genug. Kurz hinter Nippes sprach Juanita mich über das Zugtelephon an, wollte wissen, wie’s mir gehe und ob ich einen Kaffee haben möchte. Letzteres nein, ansonsten alles bestens, trotz der frühen Stunde. In diesem Moment tat die Lok einen heftigen Vertikalsprung – der Gleiszustand … ich ließ intuitiv einen Fluch in südamerikanischem Spanisch ab, den ich 1983 anläßlich der Mitfahrt im Führerraum einer peruanischen Diesellok der Serie 6 (General Motors) vom einheimischen Kollegen gehört und mir gemerkt hatte. (Der war so fies, daß er nicht veröffentlichungsfähig ist!) „Hallo, hallo – solche Worte von dir…?!“, neckte Juanita am Telephon und fuhr fort: „Wo hast du denn diesen Fluch gelernt?“ Ich erzählte ihr ganz knapp umreißend von meiner großen Expedition anno 1983 und erwähnte auch, daß ich mich intensiv mit der indianischen Quechua-Sprache befaßt habe. „Glaube ich einfach nicht“, hielt sie dagegen. Das saß tief, also wiederholte ich die Begrüßung in dieser Sprache: „rimaykullayki hatun warmi kamayoq“. (Ich begrüße dich, große Amtsinhaberin!) Stille am anderen Ende, nur das Laufgeräusch des Zuges kam über den Hörer. Endlich, mit verzücktem Unterton: „Ooooch – wie meine Oma… Ich kann leider kein Wort…“ Chance!!! „Gehst du in Hannover in die Kantine?“, fragte ich scheinbar beiläufig. „Ja, bei der Tour immer, es ist Zeit genug dafür. Warum fragst du?“ Ich bemühte mich um möglichst neutralen Ton: „Nur so, wir könnten doch zusammen hingehen und was essen und wir könnten über Perú reden. Was meinst du?“ „Wunderbare Idee! Treffen wir uns beim Aufsichtsbeamten?“ „Machen wir, wer zuerst kommt, wartet.“ „Dann bis nachher…“ Klicken im Sprechhörer, sie hatte aufgelegt. Mir war ein bißchen schwindlig – das „erste Rendezvous“ mit Juanita…
In Düsseldorf HBf mußten wir den Anschluß eines Zubringerzuges abwarten und fuhren dort mit zwölf Minuten Verspätung ab. Nun erwiesen Juanita und ich uns als das ideale Team: Sie regelte fix und mit ihrem typischen Durchsetzungsvermögen die Zugabfertigungen in den Bahnhöfen, ich legte meinen Ehrgeiz in spitz-exakte Fahrweise und punktgenaue „Landeanflüge“ – in Bochum jagte mein „Regio“ bei wirkender Bremse (1 bar Senkung) mit 120 km/h an die Bahnsteigkante und weil dort eine leichte Steigung war, mußte ich nichtmal lange die Vollbremsung einsteuern, kam „like a feather“ an der H 300 zum Stehen: nur noch zehn Minuten plus. Juanita hob den rechten Daumen in die Luft und lachte. So ging das weiter und als ich in Gütersloh mit der oben beschriebenen Bremstechnik zum Halten gekommen war, rief sie mir vom ersten Wagen aus zu, ich würde „como un diablo“ (wie ein Teufel) fahren. Bielefeld – das Signal am Bahnsteigende zeigte Hp1, also mit der zulässigen dortigen Streckengeschwindigkeit an den Bahnsteig: 100 km/h. Noch sechs Minuten plus. Zackige Abfertigung, wobei Juanita auf den Fingern dem Aufsichtsbeamten zupfiff, was heißen sollte: Beweg‘ dich! Bad Oeynhausen – 110 km/h am Bahnsteiganfang, halbe Lok über die H 300, paßte genau. „Meine“ Halbindianerin scheuchte lächelnd und charmant die Fahrgäste aus dem und in den Zug. Einer der Schaffner stand tranig und sich in der Gegend umsehend herum, ohne die Zugchefin im Auge zu behalten. Wieder ein gellender Pfiff auf den Fingern und sie rief ihm zu: „Wenn der Herr seinen Allerwertesten bewegen würde … bitte sehr!“ Zack, zack, Türen schließen, Zp9 mit der Kelle – und ab geht’s. Noch fünf Minuten plus. Sie meldete sich übers Zugtelephon: „Schatzi, du machst das richtig gut! Wenn das so weitergeht, sind wir planmäßig in Hannover.“ „Danke! Du aber erst recht! Ich bin vor Lachen bald umgefallen, als du den Schaffner angeranzt hast.“ „Mußte sein, der pennt meistens. Also, dann bis gleich!“ Minden – mit den streckenseitig zulässigen 100 km/h an den Bahnsteiganfang bei einsetzender Bremswirkung, nachziehen auf 3,5 bar, raus damit: hoch auf 4,0 bar … so lassen, paßt, auf 4,5 dann 4,8 bar und Zug steht an der H 300. Auslösen, Zusatzbremse anlegen, rausgucken. Juanita huschte wie der Wirbelwind aus dem zweiten Wagen, hatte wieder alles im Griff, half einer alten Dame, den Koffer aus dem Zug zu bringen, pfiff ihre Mannschaft zur Eile – und Zp9, Abfahrt. Noch drei Minuten plus. Durchfahrt Stadthagen – erinnert Ihr Euch an die „Todesfrikadelle“? – die LZB zeigte neun Kilometer freie Strecke. Kurz vor Wunstorf spitz runter auf 160, durch den Bahnhof, wieder rauf auf 200 km/h; die Fahrdienstleiter spielten großartig mit, die BL hatte bemerkt, daß wir uns mühten, die Verspätung zu verkürzen, wenn möglich aufzuholen. Die LZB zeigte „Zielgeschwindigkeit 60 km/h“ – Einfahrt Hannover Hauptbahnhof; ich bremste haarscharf unter „Vsoll“ bleibend auf die Zielgeschwindigkeit, Ende LZB, Tacho auf 60, durch die langgezogene Weichenstraße an den Bahnsteig, Halt an der H 300 … planmäßig auf Zeigersprung. Okay, weder Juanita noch ich bekamen dafür eine Prämie oder ein Dankeschön – es war einfach „Berufsehre“, die Verspätung rausgefahren zu haben. Ich stieg von der Lok, grüßte den Ablöser, informierte ihn, daß alles klar sei, die Lok aber zur Nachschau anstehe. Er wisse Bescheid, sie käme gleich in die Werkstatt.
Direktionskantine Hannover, wieder einmal. Es war gegen 10:00 Uhr, optimale Zeit fürs Frühstück. Juanita hatte wie versprochen beim Aufsichtsbeamten auf mich gewartet und gemeinsam waren wir zur Kantine gegangen – sie war größer als ich, blöd, irgendwie… Beim Essen erklärte sie, welchen Spaß ihr die Tour bereitet habe und ich sei ja echt wie der Teufel gefahren. Worauf ich erwiderte, das sei nichts weiter als Wille und Praxis. Endlich kamen wir auf Perú zu sprechen und sie bat mich, etwas über meine seinerzeitige Rundreise durch das Land zu erzählen. Damals gab es noch nicht diese rigiden Rauchverbote, und während ich begann, einige Worte zum Thema zu sagen, fischte ich eine Nachtischzigarette aus der schwarz-goldenen Packung der Edelmarke, hängte sie mir zwischen die Lippen und Juanita gab mir lächelnd Feuer – da sah ich es zum ersten Mal: Sie trug einen Verlobungsring an der linken Hand! Das also war der Grund für ihre Unnahbarkeit! Ich schluckte, derweil das Kartenhaus meiner Wünsche und Hoffnungen zusammenbrach und drückte unbewußt-mechanisch die Zigarette aus. Dann nahm ich diese linke Hand, die mir so selbstverständlich Feuer gegeben hatte, strich einmal kurz darüber und sagte leise: „Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt! Verzeih‘ bitte…“ Sie zog langsam die Hand zurück, schaute mich ernst an und entgegnete: „Ich hätte es dir viel eher sagen müssen … sei‘ nicht böse…“ Ich verabschiedete mich und verließ die Kantine – ich konnte es nicht ertragen, ihr gegenüberzusitzen.
Den Zug nach Köln brachten wir in bewährtem Teamwork ans Ziel, doch Gespräche übers Zugtelephon waren Begebenheiten von gestern.
Es verging ungefähr ein Jahr, ich hatte Juanita seither nicht mehr gesehen. Sowas kam im unregelmäßigen Wechseldienst vor: mal trifft man sich fast täglich, dann wieder monatelang gar nicht. Wie es der Zufall wollte, begegnete ich in der Kantine Köln HBf jenem Zugführer, der mir im Jahr zuvor die ersten Informationen über Juanita gegeben hatte, nach diesem Nahverkehrszug, in Aachen. Ich fragte ihn, ob er Näheres wüßte, er sei doch auf derselben Dienststelle. „Klar weiß ich das! War das wichtigste Gesprächsthema voriges Jahr! Hast du nichts davon gehört?“ „Nein, was denn?“ Ich war ratlos. „Die Juanita hat vor ungefähr zehn Monaten geheiratet, einen Kanadier, mit dem sie schon lange ging. Sie hat dann gekündigt, ihren Resturlaub genommen und ist mit ihrem Mann nach Kanada ausgewandert. Das wissen wir genau, weil sie ihre Pläne dem Fahrmeister und ein paar Kollegen erzählt hatte, sie machte kein Geheimnis daraus … ob sie dort wieder Zugchefin ist…?“ „Bei der Canadian National“, flüsterte ich – adieu, Juanita, mach’s gut…
ZitatGepostet von Oldie_Kurt … ob sie dort wieder Zugchefin ist…?“ „Bei der Canadian National“, flüsterte ich – adieu, Juanita, mach’s gut …
Vielleicht auch bei der VIA-Rail? Vielleicht hab ich ja im Juni das Glück eine halbindianische Mittvierzigerin als Zugchefin zu haben (werde von Windsor nach Toronto fahren, sowie von Toronta nach Niagara Falls und retour). Dann frage ich sie, ob sie Juanita heißt und früher mal in Deutschland gearbeitet hat...
ZitatGepostet von CAT ...Macht das dann der Lokführer, oder wer? Gruß Carsten
Hallo Carsten,
ob das "Kopf" machen der Lokführer alleine oder mit einem Wagenmeister zusammen macht, hängt von den Betriebstellen ab. Auf manchen Bahnhöfen kommt ein Wagenmeister, der dir sogar gleich einen neuen Bremszettel mitbringt und mit dir auch die erforderliche Bremsprobe durchführt. Ich habe es aber auch schon in meinem Heimatbahnhof gehabt, das ich den Zug alleine Kopf machen mußte und auch die Bremsprobe alleine durchzuführen hatte. Das ändern des Bremszettels natürlich inklusive. Und da erinnere ich mich an meine erst 3te Schicht, nach meiner bestandenen Ausbildung, wo ich genau diesen Fall im Heimatbahnhof hatte. Mein Zug aus Nürnberg hatte in Kornwestheim kopf machen müssen um weiter nach Mannheim fahren zukönnen. In der ankommenden Kostellation hatte der Zug einen Bremsprozent über Mindestbremsprozente. Nachdem ich den Zug kopf gemacht hatte, hatte er einen unter den erforderlichen Mindestbremshundertstel. Damit trat nun die Betriebszentrale auf den Plan und die erforderliche Fahrplanmitteilung. Gleiches gilt auch auf unbesetzten Betriebsstellen. Auch da mußt du dann alles alleine erledigen. Also, als Tf wird es eben nicht langweilig...
auch wenn ich in diesem Thread gerade zum Thema Bremse eingespannt bin, lese ich jede neue Episode von Dir mit Genuß. Ja, die Juanita hatte es Dir aber sehr angetan, das spürt man richtig. Deine Reaktion beim erblicken des Ringes ist nur zuverständlich. Dennoch hast Du mit Deinen Wünschen für ihre Zukunft Charakter bewiesen. Hut ab!!! Der Ausgang ist recht traurig, denn ich hätte eigentlich gehofft, das sich Juanita wenigstens von Dir verabschiedet hätte, bevor sie fortging. Aber andererseits, wer weiß, wozu es gut war, das sie es nicht gemacht hat. Man merkt beim lesen jedoch, das Du von diesen Erinnerungen zerrst, im positiven wie aber auch im enttäuschten. Die berühmte harte Schale mit dem butterweichen Kern...
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04.02.2014 10:22
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Grüße aus Süddeutschland 
Ich habe es aber auch schon in meinem Heimatbahnhof gehabt, das ich den Zug alleine Kopf machen mußte und auch die Bremsprobe alleine durchzuführen hatte. Das ändern des Bremszettels natürlich inklusive. 
Damit trat nun die Betriebszentrale auf den Plan und die erforderliche Fahrplanmitteilung.
