Moin,

hier soll es ein bisschen um die Rjukanbahn gehen, geschichtlich und Zustand heute. Ich war im August dort und sehr schnell fasziniert von dieser kleinen Bahn.
Ich werde den Tread hier immer ein bisschen erweitern, wenn ich mal wieder auf etwas interessantes gestoßen bin.




EDIT: Alles was man hier lesen kann und noch viel mehr findet man jetzt auch unter www.rjukanbahn.de. Anklickbares Banner:

Lage
Rjukan liegt in einem engen, in Ost-West-Richtung verlaufendem Tal in der Telemark in Südnorwegen. Nach Westen endet das Tal, Richtung Osten öffnet es sich, dort liegt der Tinnssjø, ein größeres Binnengewässer. Direkt südlich richtet sich der Berg Gaustatoppen 1800m auf, der gerade im Winter für wenig Sonnenschein in dem Tal sorgt. Die Geografie der Gegend lässt sich bei Google Earth ganz gut betrachten.

Wirtschaft
Rjukan selbst hat etwa 3000 Einwohner und ist damit nicht ganz so klein. Die Großgemeinde Tinn, in der Rjukan liegt, hat etwa doppelt so viele Einwohner. Bestimmend für Rjukan ist neben der interessanten Geografie die wirtschaftliche Struktur. So beruht das Wachstum der Stadt seit 1900 komplett auf der industriellen Entwicklung. Zentral ist hier der Konzern Norsk Hydro. Die Firma baute in Rjukan das Wasserkraftwerk am Wasserfall am Westende des Tals und produzierte so die in den Fabriken nötige Energie. Norsk Hydro stellte Düngemittel und andere Chemikalien her, später war die Firma in der Erdölförderung aktiv und ist heute ein großer Aluminiumproduzent.
Vielen bekannt ist die Geschichte um die Herstellung von Deuterium durch Norsk Hydro und die Sabotageaktionen von Norwegern und anderen, die den Deutschen im Krieg den Zugriff auf das schwere Wasser erfolgreich erschwerten.

Ohne den Chemiekonzern Norsk Hydro ist Rjukan also undenkbar, genauso verhält es sich mit der Rjukanbahn. Diese wurde benötigt, um die Versorgung der Industrie in Rjukan sicherzustellen und die Erzeugnisse abzutransportieren, der Personenverkehr stand nicht im Mittelpunkt.

Die Rjukanbahn
Die Bahn wurde 1909 eröffnet und bis 1911 komplett elektrifiziert. Die gesamte Länge beträgt insgesamt wohl um die 20km.
Die Bahn beginnt am Tinnsjø bei dem Örtchen Mæl. Dort ist ein kleiner Bahnhof mit Fähranleger. Die Eisenbahnfähren fuhren über den See nach Süden bis Tinnoset, dort bestand eine Bahnlinie der Staatsbahn, die ans übrige Netz angeschlossen ist.
In die andere Richtung führt die Rjukanbahn vom See weg in das Tal und verläuft immer auf der Südseite des Tals. Sie endet schließlich hinter Rjukan in Vermork, wo heute noch das schon erwähnte Wasserkraftwerk steht.
Hier habe ich mal einen kleinen Übersichtsplan gezeichnet:



Mæl
Mæl ist der westliche Endpunkt der Bahn, hier legten die Eisenbahnfähren an. Der Gleisplan sei hier schematisch dargestellt:



Nun ein paar Übersichtsbilder. Zunächst der Fähranleger in der Übersicht, der Blick geht nach Nordosten, am Anleger liegt das Fährschiff Storegut:


Der Anleger im Detail:


Das Ende der Fahrleitung:


Die Trennstelle vor dem Anleger:


Der Blick vom Bahnhof auf den Anleger:


Es existiert noch eine zweite Fähre, die Ammonia, dabei handelt es sich um eine dampfbetriebene Eisenbahnfähre. Sie liegt auch in Mæl und wird zur Zeit aufgearbeitet. Ich habe kein Foto von ihr, warum weiß ich auch nicht.


Gehen wir nun die Strecke entlang bis zum Stationshaus (EG ist ein bisschen übertrieben, es heißt ja auch nur Stasjons Bygnad) und blicken weiter die Strecke entlang. Wir sehen vor uns den Beginn des Bahnsteigs, rechts das Seeende und links hinter der Lok hervorlugend das „weiße Haus“.


Gehen wir weiter am Bahnsteig entlang und am Zug vorbei bis auf die zweite Kreuzungsweiche. Links sehen wir die Straße, rechts daneben das Streckengleis, rechts daneben ein Ausweichgleis mit weiterem rollenden Material, und rechts davon das Stumpfgleis und das abzweigende Gleis. Das Stumpfgleis war mal durchgängig (siehe Gleisplan).


Gehen wir auch an diesem Zug vorbei haben wir diesen Blick. Ganz hinten stehen weitere Fahrzeuge, danach kommt der Bahnübergang.


Drehen wir uns nun um und laufen zurück zur Kreuzungsweiche, sehen wir links den See, dann den Bahnsteig und rechts das weiße Haus:


Laufen wir weiter, auf den Bahnsteig und dann bis vor das Stationsgebäude, dann haben wir diesen Blick auf den Anleger und den Schuppen rechts:


Zuletzt noch ein Blick auf das Stationsgebäude von der Seeseite aus:


Rjukan
Der Bahnhof Rjukan befindet sich fast am westlichsten Ende der Bahn, dahinter kommt nur noch Vemork. Ich war dort nur kurz am Bahnhof, er scheint ein bisschen zurückgebaut worden zu sein. Denn der Platz im Tal ist eng und der Bahnhof hat mich vom Ausmaß doch überrascht.


Viel kann ich dazu noch nicht sagen, das Bild habe ich zusammengesetzt, weiteres Material zum Gleisplan habe ich noch nicht.
Folgend das EG von Rjukan vom Bahnsteig aus:


Hier ein Blick über den Bahnhof, links sieht man, dass bereits Gleise demontiert wurden:


Und ein Blick Richtung „Lokstall“. Es hat mich überrascht, dass dort jemand zugange war. Kurze Zeit später kam ein alter, knochiger Senior an und sagte nur kurz auf meinen wohl erstaunten Blick hin „nye spor till lokstallen“.


Betrieb
Auch zum Betrieb kann ich noch nicht viel sagen, alles was ich bisher habe, ist ein Fahrplan von 1919:


Der Plan zeigt die komplette Verbindung von der Rjukanbahn bis in die Hauptstadt Kristiana (Oslo). Dem Fahrplan nach benötigte die Fähre knapp zweieinhalb Stunden für die Strecke zwischen Tinnoset und Rollag (Mæl). In Rollag (Mæl) bestand Übergang zum Zug nach Rjukan, welcher in der Regel etwa 30 bis 40 Minuten benötigte.
Ich habe aus dem Fahrplan mal einen Bildfahrplan geschneidert. Die Strecke zwischen Tinnoset und Notodden habe ich ohne Zwischenhalte ausgeführt.


Anmerkungen aus dem Fahrplan, übersetzt:
Der „Nachtzug“ Nr. 9 zwischen Notodden und Tinoset war auf der Tinnosbahn ein Güterzug, der nur bei Bedarf verkehrte (Anm. 2). Ebenso Zugnr. 6 zwischen Tinnoset und Notodden (Anm. 4).
Anmerkung Nr. 3 verstehe ich auch nicht so richtig. Jedenfalls hält der Zug Nr. 2 bei oder bis einschließlich Ingolfsland nur zum Aussteigen.Gepäck wird nicht ausgeladen.
Außerdem: Die Zugnummern 9, 5, 6 und 10 müssen für die Strecke Tinnoset-Notodden nicht stimmen.

Sofort fällt der Nachtzug zwischen Notodden und Tinnoset auf, der mit etwas „spanisch“ vorkommt. Außerdem fehlen in der Ordnung die Zugnummern 3 und 4. Wild spekulierend nehme ich hier mal reine Güterzüge an, die auf dem Fahrplan für Fahrgäste nicht auftauchen.
Mehr dazu muss erstmal recherchiert werden.

Fahrzeuge
In Mæl standen diverse Fahrzeuge herum, die teilweise noch betriebsfähig waren. Davon will ich folgend ein paar Bilder zeigen.

Zunächst Rj.B. Nr. 24, eine reizende kleine Diesellok. Ich ärgere mich einigermaßen, dass ich das Foto verhunzt habe:

Hierbei handelt es sich um eine kleine zweiachsige Diesellok, beide Achsen angetrieben durch Ketten. Hier der Blick auf die Antriebsketten:

Laut Fabrikschild ist die Lok Baujahr 1950 und wurde bei der „Hamar Jernstøperi & Mekan. Verksted“ gebaut.

Die Rj.B. 9 ist ein kleines Krokodil, zu der die Berglandschaft bestens passt, die Lok kommt nämlich aus der Schweiz. Ich habe das Foto ein bisschen aufgehellt, damit man auch im Schatten was erkennt:

Die Lok wurde 1958 bei Secheron in Genf. Insgesamt wurden zwei dieser Maschinen an die Rj.B. geliefert, die zweite lief mit der Nummer 10 (Fabriknummer könnte bei beiden 8725 sein). Beide waren bis zuletzt im Einsatz und bis 1998 auch bei der Museumsbahn.
Aus den Betriebszeiten findet sich hier ein Foto der Rj.B.9 aus Rjukan 1980, von der Rj.B.10 hier ein Foto von 1983 aus Mæl und hier eines mit Personenzug kurz vor dem Bahnübergang in Mæl.

Neben diesen beiden Exoten (vor allem die Diesellok) standen drei Henschel-Diesel auf dem Gelände. Die Rjukanbahn hat sie 1961 bekommen. Eins der schönsten Exemplare war diese:

Fabriknummer 30271 von 1961.

In anderer Lackierung Nr. 19



Als nächstes ein paar schöne Wagen:


Zum Beispiel dieser 1928 gebaute Schwerlastwagen mit vier Drehgestellen. Ursprünglich war er zum Transport von schweren Transformatoren gedacht. Später wurden diese Stahlröhren transportiert. Dabei handelt es sich um Behälter, die bei der Düngemittelherstellung mit Flüssigkeiten in hohen Temperaturen befüllt wurden.
Hier noch ein Blick auf das schöne Diamond-Drehgestell von Skabo:

Zufällig bin ich über eine kleine nette Seite zu dieser Drehgestellart gestolpert: http://www.drehgestelle.de/1/dia_skabo03.html


Ebenfalls sehr spezifisch ist der folgende Kesselwagen:


Der Kessel ist für den Transport von hochkonzentrierter Salpetersäure aus Aluminium gefertigt. Die Salpetersäure wurde zum Beispiel für die Produktion von Explosivstoffen benötigt.
Der Wagen wurde 1957 bei A.S.J in Gävle produziert.
Hier die Anschriftentafel des Wagens:


Direkt daneben stand ein weiterer schöner Kesselwagen, ebenfalls aus Aluminium, aber genietet. Der Wagen wurde auch für den Transport von Salpetersäure verwendet und 1908 gebaut:

Ich kenne mich mit Bremsen nicht aus, aber der vorn zu sehende lange Hebel dient zum Anziehen der Bremsen. So etwas habe ich noch nicht gesehen. Von den übrigen Bremsanlagen habe ich aber nur Alibifotos gemacht.


Auch so einfache Wagen wie dieser 1909 bei Skabo gebaute G-Wagen waren zu sehen (im Schatten ein bisschen aufgehellt, damit man wenigstens ein bisschen was sieht):


Als Vertreter der Passagierfraktion vielleicht noch dieses Exemplar. Dabei handelt es sich um einen nur für hohen Besuch benutzten Personenwagen (Nr. 1), der normalerweise nicht in Züge eingereiht wurde.


Das mag als Teil des Fuhrparks erstmal reichen. Wenn wirklich Interesse besteht, dann werde ich weitere Bilder bearbeiten und einstellen.

Modellbahn
Je weiter ich auf dem Bahnhof in Mæl herumstrolchte, desto mehr setzte sich ein Gedanke im Kopf fest: Eine kleine Eisenbahn mit einem schönen schnuckeligen Fährbahnhof und einer Bahnsteiglänge, das ist doch die ideale Vorlage für eine an-der-Wand entlang-Anlage! Alles selberbauen und vermutlich keinen, der schonmal daran gebaut hat.
Naja, zur Abkühlung dieser Fantasie brauchte es dann erstmal nur einen Blick auf die Kleineisen:


Da wird’s haarig. Auch finden sich so einige für meine Augen oberexotischen Weichen, hier zum Beispiel eine Gelenkzungenweiche mit beweglichen Flügelschienen:


Auch die Masten sind eher in Handarbeit und nach großzügigem Einkauf bei Hassler-Profile selbst zusammenzubraten:


Trotzdem bleibt die Idee erstmal in meinem Kopf. Das ist mal was fürs Rentenalter. Die Strecke ist für mich jedenfalls wunderbar geeignet: Lokalbahn mit bescheidenen Ausmaßen ohne süddeutsche Gemütlichkeit. Und einen schicken Bildfahrplan für den Betrieb habe ich ja schonmal.

Gruß, John

- Editiert von Administrator LBE am 31.08.10 21:05:
Ergänzungen zu Rj.B.9 und Rj.B.10; Fehler korrigiert

[ Editiert von Administrator LBE am 14.10.10 20:43 ]